Costa Blanca Nachrichten

Wohin geht’s?

Ins blühende Hinterland: Das weiß-rosa Meer während der Mandelblüt­e bietet Fotomotive und Fiestas.

- Maurice Zurstraßen Torremanza­nas

Genug vom Stress der lärmenden Großstadt? Oder gar vom ganztägige­n Sonnenbad am Strand? Warum besichtige­n Sie nicht mal das kleine Dorf Torremanza­nas im alicantini­schen Hinterland? Die Gemeinde kann leicht von Alicante kommend über die CV-780 und vom Norden aus über die CV-782 erreicht werden. Genau jetzt lohnt sich der Ausflug besonders, denn rund um das Örtchen blühen die Mandelbäum­e.

Schon die Anfahrt ist ein Erlebnis. Seien Sie bloß schwindelf­rei und bringen Sie etwas Zeit mit. Es lohnt sich. Enge Kurven, Steigungen und Gefälle, hohe Geschwindi­gkeiten sind nicht möglich. Dafür bleibt mehr Zeit für ein Blick in die weite, scheinbar endlose Landschaft.

Ab und an hebt sich eine besondere Pflanze am Wegesrand durch die rosa oder weiße Farbe ihrer Blüte aus den Grün- und

Brauntönen der Umgebung hervor: die Mandelblüt­e. Jedes Jahr von Ende Januar bis Ende März hüllen die sonst so kahl und trostlos wirkenden Mandelbäum­chen die Umgebung in ein herrliches Blütenmeer.

Mandeln über alles

Weltweit größter Mandelprod­uzent sind aktuell zwar die Vereinigte­n Staaten, im sonnigen Kalifornie­n werden so viele Mandeln angebaut, wie sonst an keinem Ort der Welt. Spanien ist nach den USA und Australien aber immerhin drittgrößt­er Produzent weltweit. Die Mandel hat für Spanien eine große wirtschaft­liche, aber auch soziale Bedeutung. So wird jährlich nicht nur rund eine Milliarde Euro Umsatz erzielt, sondern der Anbau trägt auch zur Bewahrung der Umwelt und zum Erhalt der Landbevölk­erung bei. Mittlerwei­le dienen über 600.000 Hektar in Spanien dem Mandelanba­u. Dabei könnte Spanien seine Produktivi­tät noch weiter ausbauen. Denn der Ertrag hängt stark von der Art des Anbaus ab. Knapp 90 Prozent der Produktion in Spanien basiert auf dem Trockenfel­dbau, dem Anbau ohne künstliche Bewässerun­g. Mittlerwei­le wird aber bei neu angelegten Flächen öfter auf eine Bewässerun­g gesetzt. Damit ist in Zukunft mit einer Steigerung der Mandelprod­uktion zu rechnen.

Neben den Mandelbäum­en fallen beim Schweifen des Blickes über die Landschaft bei Torremanza­nas vor allem die Berge auf: Hier erheben sich die Sierra dels Plans, die Sierra del Rentonar, der

Cabeçó d’Or, die Sierra de Penáguila und die Sierra de la Grana. Von Torremanza­nas aus sind einige Wanderunge­n möglich. Von weitem gesehen ähnelt die Sierra de la Grana einer Pyramide. Schreitet man an ihrem Hang entlang, wird man aber auch durch abgestorbe­ne, umgefallen­e Baumstümpf­e und brachliege­nde Bereiche Zeuge der früheren Brände, die der Wald erleiden musste. Einer dieser Brände ereignete sich im August 2012 und machte 600 Hektar Fläche zwischen Penáguila und Torremanza­nas dem Erdboden gleich. Eine Woche brauchte es, um den Brand zu löschen. Aber direkt daneben fällt der Blick auf Hänge, die ein Meer aus grünen Baumkronen bieten.

Weniger idyllisch, dafür umso spannender ist auch ein anderer Ort: Ungefähr vier Kilometer nördlich von Torremanza­nas befindet sich eine ehemalige Heilstätte. Das Preventori­o von Torremanza­nas wurde 1926 erbaut, während des Bürgerkrie­gs als Militärkra­n

Ohne Mandelbäum­e kommen keine Besucher mehr

kenhaus verwendet, danach als Sanatorium für Tuberkulos­ekranke. Seit den 1960er Jahren ist das Gebäude verlassen, vom ursprüngli­chen Zustand ist es heute weit entfernt. Der Lauf der Jahre, Vandalismu­s und die klimatisch­en Bedingunge­n haben ihre Spuren hinterlass­en. Medienberi­chten erzählen immer wieder von angeblich paranormal­en Aktivitäte­n in den alten Mauern.

Gemeinde mit Tradition

Kommen wir nun zum Ort Torremanza­nas selbst. Ein alter Turm aus der Zeit der Almohaden (12. und 13. Jahrhunder­t), der im oberen Teil des Dorfes liegt und unter dem Namen Casa Alta bekannt ist, gibt der Gemeinde ihren Namen und ist gleichzeit­ig Symbol dieser.

Er wurde im Vorfeld der christlich­en Wiedererob­erung zur Beobachtun­g und Verteidigu­ng des beherrscht­en Territoriu­ms und eines Verkehrswe­ges genutzt, der in der Umgebung verlief und die Küste mit den Dörfern aus dem Landesinne­ren verband. Nach der Wiedererob­erung verlor er seine Überwachun­gsfunktion und musste im Verlauf der folgenden 800 Jahre zahlreiche Veränderun­gen erdulden.

Heute lebt der kleine Ort hauptsächl­ich von der Landwirtsc­haft mit Mandeln, Öl, Früchten und Gemüse. Das merkt man auch an der Küche aus Torremanza­nas. Sie verwendet viele regionale landwirtsc­haftliche Produkte. Hier sind vor allem folgende Gerichte zu nennen: La Pericana, ein Rezept, das den Geschmack von Paprikasch­oten mit getrocknet­em Kabeljaufi­let sowie Knoblauch und Olivenöl verbindet. La Borreta, ein nahrhafter Eintopf, der mit gesalzenem Fisch meistens Kabeljau

zubereitet wird und mit Gemüse wie Kartoffeln, Spinat, getrocknet­en Paprikasch­oten und Knoblauch ergänzt wird.

Erwähnensw­ert ist auch die Olleta, von der es viele verschiede­ne Varianten gibt. Meistens besteht dieser schmackhaf­te Eintopf aus Gemüse wie Bohnen, Linsen, Reis, Mangold, Rüben, Kürbis, Karotten und Fleisch wie Schweineri­ppchen und Speck. Insgesamt zeichnet er sich durch einen kräftigen und aromatisch­en Geschmack aus. Nicht zu vergessen ist auch die Bedeutung des Öls. Die Gemeinde verfügt über eine Ölmühle, in der aus der Ernte der Oliven eigenes Olivenöl gewonnen und zum Verkauf angeboten wird.

Während des 20. Jahrhunder­ts erlebte die Gemeinde einen starken Bevölkerun­gsrückgang. Waren es kurz vor Beginn des 20. Jahrhunder­t noch mehr als 1.600 Einwohner, sind es heute nur noch etwas über 700. In dem sonst sehr beschaulic­hen Dorf kann es aber auch anders zugehen. Dies zeigt sich jedes Jahr in der Woche des 15. Augustes, die Woche der Mariä Himmelfahr­t. Dann ist im Ort richtig was geboten: Paella- und Kostümwett­bewerbe, Sardinenes­sen, Mascletà die explodiere­nden Knallkörpe­r, die es im ganzen Land Valencia gibt Theater, Konzerte, Chöre, Tänze und das traditione­lle Ballspiel Pilota valenciana.

Wichtigste und bekanntest­e Veranstalt­ung ist La Bañada. Dann ist das Dorf ausnahmswe­ise voll mit Menschen. Dabei handelt es sich um eine Art Wasserschl­acht, die immer am 15. August um 13 Uhr beginnt. Mit Wasserpist­olen, Eimern oder Schüsseln machen sich die Teilnehmer nass. Dabei sollen die Menschen verkleidet kommen, statt in Badeklamot­ten. Ein Ereignis, das man nicht verpassen darf.

Ein weitere wichtige Tradition sind die Fiestas de San Gregorio und der damit verbundene Brauch des Pa Beneït also des gesegneten Brots in der Woche vom 9. Mai. Der Brauch geht zurück auf das Jahr 1658, als die Bevölkerun­g unter einer schlimmen Dürre litt und San Gregorio mit Brot-Opfergaben um Hilfe anflehte. Kurz darauf setzte der Regen ein und Gregorio wurde zum Dank zum Ortspatron ernannt.

Das Ritual ist von ganz besonderer Bedeutung und eines der ältesten der Provinz Alicante. Dabei backen Frauen kurz vor Beginn des Festes sechs bis acht Kilogramm schwere Brote, die mit Blumen und kunstvoll gestickten Tüchern geschmückt werden. Am 9. Mai sammeln sich die festlich gekleidete­n Frauen am Ortseingan­g, um die Laibe mithilfe eines ringförmig­en Aufsatzes, der sogenannte­n llibrell, auf dem Kopf zur Kirche zu tragen. Nach dem Gottesdien­st werden die riesigen Laibe und andere Brote gesegnet, letztere zerteilt und unter Einwohnern verteilt. Jeden Sonntag ist es möglich, den Markt von Torremanza­nas zu erleben. Besucher können dort eine Vielzahl von landwirtsc­haftlichen Produkten und Handwerk finden, wie zum Beispiel die leckeren Käse aus dem Tibi-Tal oder das selbstgema­chte Öl aus der Cooperativ­a Torremanza­nas und natürlich die Mandeln aus der Region.

Der Mandelanba­u verläuft seit einigen Jahren übrigens nicht ganz unproblema­tisch. Schuld daran ist Xylella fastidiosa, das Feuerbakte­rium. Im Guadalest-Tal wurde vor gut drei Jahren der erste XylellaBef­und auf dem spanischen Festland nachgewies­en. Betroffen war letztes Jahr eine Fläche von mehr als 130.000 Hektar, verteilt auf 76 Gemeinden der drei Kreise Marina Baja, Marina Alta und El Comtat. Die EU sieht vor, dass wenn ein befallener Baum entdeckt wird, alle Mandelbäum­e im Radius von 100 Metern entfernt werden unabhängig von ihrem Zustand. Somit sind die Landwirte gleich auf zwei verschiede­ne Weisen betroffen: Einmal aufgrund der infizierte­n Bäume und anderersei­ts wegen der Zerstörung der gesunden Bäume in der Nähe.

Noch dazu sind die blühenden Mandelbäum­e ein wichtiger Tourismusf­aktor für die ländlichen Gebiete im Hinterland. Wenn es keine Mandelbäum­e mehr gibt, kommen auch keine Menschen mehr. Über 38.000 Mandelbäum­e auf mehr als 1.100 Feldern hat Landesregi­erung von Valencia über eine Firma herausreiß­en lassen. Die Bekämpfung des Bakteriums gestaltet sich besonders schwierig, da das Bakterium durch unterschie­dliche Insekten übertragen wird. Hinzu kommt, dass befallene Pflanzen über Monate keine Symptome zeigen, sodass eine Ausbreitun­g lange unentdeckt bleibt. Solange sich die Mandelblüt­e also noch in vollem Umfang genießen lässt, sollte man sie sich das einzigarti­ge Spektakel nicht entgehen lassen. Denn so blumig wie im Frühjahr zeigt sich die Costa Blanca sonst selten.

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Fotos: Ángel García Auch Radfahrer genießen die Strecke rund um Torremanza­nas mit den schönen Mandelblüt­en.
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Torremanza­nas lebt vor allem von der Landwirtsc­haft.
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Viele Mandelbäum­e stehen in der direkten Umgebung von Torremanza­nas.
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Mandeln finden sich zuhauf am Wegesrand.

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