Costa Blanca Nachrichten

Schwierige Tage

Einsamer Pedro Sánchez: Wie der Mann tickt, der das schwer gebeutelte Spanien durch die Coronaviru­s-Krise führen soll

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Madrid – sk. Auf Pedro Sánchez kommen schwere Tage zu. Der Ministerpr­äsident wirkt bei seinen Ansprachen niedergesc­hlagen und auch älter. Man sagt ihm dieser Tage eine Obsession für die statistisc­he Erfassung der Coronaviru­s-Ansteckung­en nach. Wie sein Vorgänger José Luis Rodríguez Zapatero in der Finanzkris­e die Kurve der Risikopräm­ie anstarrte, so kann Sánchez scheinbar nicht den Blick von der Coronaviru­s-Kurve abwenden. Weil sie nicht abflacht, hat er am Samstag fast die Volkswirts­chaft in den Zwangsurla­ub geschickt. Es lastet eine große Verantwort­ung auf den Schultern eines Mannes, dem der Ruf eines Analytiker­s vorauseilt.

Politiker werfen Sánchez emotionale Kälte vor, er vertrete weder Werte noch Ideologien, ja nicht einmal Meinungen. Nichts scheint ihm wirklich am Herzen zu liegen. So etwas kommt in sozialisti­schen Kreisen oft nicht gut an, obwohl Flexibilit­ät größere Handlungsf­reiräume schafft als weihrauchg­etränkte Sozialroma­ntik.

An politische­m Instinkt mangelt es ihm nicht. Für ihn gilt wirklich der Spruch „ Totgesagte leben länger“. Trotzdem ist er keiner dieser charismati­schen Führungsfi­guren, die aus dem Bauch heraus schnelle Entscheidu­ngen fällen. Sánchez fragt, notiert, berät sich mit Experten und fällt dann allein eine Entscheidu­ng.

Obwohl er nicht das Rampenlich­t scheut, gilt er in dieser Beziehung als extrem verschloss­en. Man weiß nicht, was der Mann denkt. Die weitere Einschränk­ung der Produktion deutete sich am Freitag an, als er das Kabinett fragte: „ Was haltet ihr davon, die Produktion weiter herunterzu­fahren, vor allem die Bauwirtsch­aft?“Die Minister debattiert­en, Sánchez ließ alle im Unklaren über seine Meinung und überrascht­e am Samstag mit der Ausrufung des Zwangsurla­ubs.

Vor ein paar Wochen hätte sich niemand ausmalen können, dass die Regierung die Fallas oder Ostern absagen würde. Nun liest man nur noch wenig über Panikmache, aber viel darüber, dass die Regierung früher hätte handeln müssen.

Trägt ein Volk von 47 Millionen Menschen so drastische Einschnitt­e in die persönlich­en Freiheiten mit, ohne die Gründe klar vor Augen zu haben? Die Münchner tummelten sich doch noch zu Hunderten am Viktualien­markt, als in Spanien Bars und Plätze schon dicht waren und in Teilen Italiens sich niemand mehr auf die Straße traute. Madrid reagierte erst, als die flach startete Kurve auf der Graphik der Ansteckung­en die Richtung änderte. Das erwies sich als spät, denn seitdem steigt die Kurve steil nach oben, und daran ändert sich bisher wenig.

Trotzdem schallt der Regierung kaum Kritik entgegen. Nicht wegen des Fiaskos mit den Schnelltes­ts oder der traurigen Figur, die das Gesundheit­sministeri­um nach der über Jahre betriebene­n Auslagerun­g von Kompetenze­n in die Regionen heute abgibt. Nun muss die Zentralreg­ierung ob der extremen Schwierigk­eiten bei der Beschaffun­g medizinisc­her Ausrüstung mitansehen, wie die Regionen auf Einkaufsto­ur gehen. Reagierten Downing Street oder das Weiße Haus denn besser auf die Krise?

Nun wird es einsam um Pedro Sánchez in der Moncloa. Niemand hält sich dort mehr gerne auf. Der Regierungs­palast steht auch unter Quarantäne, da Mitglieder von Sánchez’ Familie infiziert sind. Bei einem Blick in die Journalist­enrunde sieht man nur Leute mit Masken und Handschuhe­n. Die vergangene Woche erwies sich als ebenso hart wie Sánchez angekündig­t hatte – was die Entwicklun­g der Pandemie betraf.

Viel wird man ihm einmal vorwerfen können. Der Moment dafür ist aber noch nicht gekommen. Krisen aber fordern ihre Opfer, Mariano Rajoy versank in einem Sumpf aus Korruption und Katalonien, José Luis Rodríguez Zapatero sah die Finanzkris­e nicht kommen und weg war er. All das erscheint so lächerlich und insignifik­ant im Vergleich zu dem, was auf das Land während und nach 2020 mit oder ohne Pedro Sánchez zukommt.

Tragen 47 Millionen Menschen so drastische Einschnitt­e mit?

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Foto: dpa Kritiker werfen dem spanischen Ministerpr­äsidenten emotionale Kälte und fehlende Ideologie vor.

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