Kein Test für alle
Allgemeinarzt zu Covid-19: Dr. Christoph Meyer-Josten über Symptome und Gefahren
Dénia – ab. Seit mehr als 20 Jahren leitet Dr. Christoph MeyerJosten die Clínica Glorieta in Dénia. Die CN stellte dem deutschen Allgemeinmediziner Fragen rund um das Thema Covid-19.
CN: Der Hals kratzt, die Temperatur ist erhöht, die Nase läuft. Sollte man bei solchen Symptomen derzeit sofort einen Arzt aufsuchen?
Dr. Meyer-Josten: Bei diesen Symptomen sollte man derzeit besser nicht seinen Arzt oder gar die Urgencias der Krankenhäuser aufsuchen. Normale Atemwegsinfekte treten auch in Corona-Zeiten auf und können wie gehabt behandelt werden. Sehr wichtig: das regelmäßige Fiebermessen und Dokumentieren der Entwicklung der Symptome. Im Zweifelsfall kann man ärztlichen Rat telefonisch einholen.
Welche Erfahrungen haben Sie seit Einsetzen der CoronavirusKrise mit hier lebenden Deutschsprachigen gemacht? Erreichen Sie viele Anrufe?
Meiner Erfahrung nach haben sich hier lebende Deutschsprachige sehr zurückgezogen und eingeigelt. Das ist gut so.
Wie passen Sie sich in Ihrer Klinik der neuen Situation an?
Wir haben den Klinikbetrieb vollständig umgestellt. Es findet lediglich nach telefonischer Anmeldung eine Notfallsprechstunde statt. Wir organisieren unsere Sprechstunde so, dass sich nie mehr als zwei Patienten in unseren Räumlichkeiten gleichzeitig aufhalten. Weiterhin bieten wir eine Video-Sprechstunde an, in der sich Arzt und Patient gegenübersitzen. Auch telefonische Beratung ist möglich. Rezepte verschicken wir per E-Mail an Patienten oder an die Apotheke.
Wie gehen Sie bei Verdachtsfällen vor?
Bei Verdacht auf Covid-19 gibt es klare Protokolle über das Vorgehen. Neben der Möglichkeit, sich unter 900 300 555 an das spanische Gesundheitssystem zu wenden, gibt es die Möglichkeit, dass der Patient in der Notaufnahme einer Privatklinik medizinisch beurteilt und je nach Schweregrad der Erkrankung auch stationär aufgenommen wird.
Welche Symptome deuten ganz klar auf das Coronavirus hin?
Ganz klar weist eine Kombination aus Fieber, Husten und Atemnot darauf hin. In etwa 33 Prozent der Fälle soll auch ein vorübergehender Verlust des Geruchs-/Geschmackssinnes vorkommen. Alle Symptome müssen immer im Zusammenhang beurteilt werden.
Sind hier hauptsächlich die älteren Menschen betroffen?
Jeder über 60-jährige Patient mit nur einer chronischen Vorerkrankung wie Bluthochdruck oder Diabetes gilt als besonders gefährdet.
Verfügen Sie über die notwendigen Tests und Mittel wie Beatmungsgeräte?
Tests und der Einsatz von Beatmungsgeräten werden zentral vom Gesundheitsministerium gesteuert. Alle Privatkliniken kooperieren eng mit dem Ministerium und den staatlichen Krankenhäusern. Die Durchführung von Tests ist staatlich per Protokoll nach medizinischen Kriterien limitiert und kontrolliert. Die Möglichkeit der Durchführung eines Tests nach Wunsch besteht nicht.
Können in der Clínica Glorieta infizierte Patienten auch stationär behandelt werden?
Wir stehen sechs Tage pro Woche unseren ambulanten Patienten und sieben Tage unseren derzeit wenigen stationär aufgenommenen Patienten zur Verfügung. Dabei arbeiten wir eng mit den Kollegen vom Hospital San Carlos zusammen. Im Falle einer Covid-19-Erkrankung wird der Patient absolut isoliert nur noch von Spezialisten behandelt.
Wie wichtig ist der Test?
Deutschland, Südkorea, Singapur und Island testen vergleichsweise extrem viel. Der Vorteil liegt in der frühzeitigen Erkennung und strengen Isolierung auch der symptomarmen Infizierten. Dadurch kann die Ausbreitung verlangsamt und die Überlastung des Gesundheitswesens vermieden werden. Leider stehen in Spanien nicht ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung.
Wie hoch schätzen Sie die Ansteckungsgefahr in dieser ländlichen Gegend ein?
Die Ansteckungsgefahr ist in dieser Gegend weiterhin hoch. Auch in den Krankenhäusern der
Costa Blanca liegen viele Coivd-19-Patienten.
Valencia und Alicante sind am stärksten betroffen, aber auch in der Region Benidorm sind
Krankenhäuser sehr belastet. Dénias Kreiskrankenhaus scheint im Vergleich zwar belastet aber noch nicht überlastet zu sein. Die Kombination aus ländlicher Gegend und Disziplin in der Umsetzung der strengen Maßnahmen wirken sich positiv aus.
Was ist so gefährlich an Covid-19?
Die hohe Ansteckungsrate, die mitunter lange Inkubationszeit und der teils rasante Verlauf bei Lungenbefall. Die ersten beiden Faktoren ermöglichen die rasend schnelle Ausbreitung, der dritte Faktor ist der lebensgefährliche Aspekt bei Risikopatienten. Aber auch ein junger Patient kann daran sterben.
Wie wirkt sich Covid-19 auf die Eröffnung der neuen Klinik aus?
Wir haben lange darauf hingearbeitet, die Poliklinik am 28. März zu öffnen. 90 Prozent der Arbeiten sind fertiggestellt. Zum Schutz der Arbeiter ruhen sie. Es gibt jetzt wichtigere Probleme zu lösen, die Welt wird wohl nach der Pandemie eine andere sein. Wie alle anderen auch hoffen wir, dass wir bald und gesund aus dieser Situation erlöst werden.