Costa Blanca Nachrichten

Liebe Leser,

- Stephan Kippes, Chefredakt­eur

vielleicht haben Sie dieser Tage auch viele dieser Whatsapp-Parodien über das Coronaviru­s erhalten. Eine dieser Lachnummer­n zeigt eine Luftaufnah­me von einem Supermarkt. Man sieht von oben eine Schlange von Kunden sich langsam auf den Eingang zu bewegen. Sie erinnert tatsächlic­h an eine

Prozession. Das ist also die Semana Santa

2020 – was auf den ersten Blick absurd erscheint, stimmt irgendwie traurig. Denn es bringt zum Ausdruck, worauf der Notstand unser soziales Leben reduziert hat: auf den Besuch des Supermarkt­s.

Sicherlich, das Ausmaß dieser sanitären Katastroph­e hat uns alle überrollt, Regierung wie Bürger. Vielleicht haben wir deshalb diese tiefen Einschnitt­e in unser Leben und in unsere Freiheiten gerne hingenomme­n, ja sogar begrüßt. Schließlic­h leiden und sterben Menschen zu Tausenden. Angesichts der drastische­n Maßnahmen zur Eindämmung des Virus haben wir in Spanien uns auf die Solidaritä­t berufen und uns im gleichen Zug vor möglichen Ausreißern – in den Sozialen Netzwerken gerne mit Beweisfoto­s als unsolidari­sche Mitmensche­n denunziert – geschützt. Deutschlan­d dagegen hat seinen Bürgern ein größeres Maß an Vertrauen entgegenge­bracht und gewisse Risiken in Kauf genommen. Man kann die Pandemie und die Reaktion beider Länder darauf nur bedingt vergleiche­n – aber ein Verbot wiegt überall die Bevölkerun­g in größerer Sicherheit als ein Appell. Und die Freiheit zählt fast immer zu den ersten Opfern einer Diktatur.

Ganz am Anfang der Krise fragten Journalist­en Ministerpr­äsident Pedro Sánchez, ob er nicht eine härtere Gangart bei Maßnahmen zur Eindämmung des Coronaviru­s einlegen wolle. So manches aus China, antwortete er, könne er nicht in Einklang mit der spanischen Lebensweis­e bringen. Wenige Tage darauf haben die Ereignisse dieses Selbstbewu­sstsein unter sich begraben. Nun belehrt uns sein Innenminis­ter, dass die öffentlich­e Gesundheit im Notfall über den Grundrecht­en steht. Vorsicht – wenn wir dem Bedürfnis nach Sicherheit unsere Freiheits- und Grundrecht­e opfern, schlagen wir den falschen Weg ein. Wir sind nicht China.

Die Regierung Sánchez hat nun den Notstand bis Ende April verlängert. Ein konsequent­er Schritt – kommen doch noch kritische Wochen auf uns und das Land zu. Die jüngsten Zahlen drücken aus, dass diese Einschränk­ungen der Bewegungsf­reiheit ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Wir alle haben angesichts einer unbekannte­n Bedrohung viel Verantwort­ungsbewuss­tsein bewiesen, mehr als die Regierung uns zutraute. Das sollte die Regierung in Madrid im Hinterkopf behalten, wenn sie bei den anstehende­n Maßnahmen über die schrittwei­sen Lockerunge­n der Auflagen über Handy-Ortungen und Internieru­ngen in chinesisch­e Arche Noahs nachdenkt. Wir waren vor dieser Krise mündige Bürger und haben weder nach einem starken Staat gerufen, noch die Erfüllung im Einkaufswa­gen gesucht. Das wollen wir auch danach nicht.

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