Ostern aus dem Ofen:
Was ist tragischer als Ostern in Quarantäne? Wenn 300.000 Menschen kommen, um ein Wunder zu sehen, und nichts passiert
Spanische Backtraditionen oder Erinnerungen aus der Heimat für die Feiertage – auch ohne Hefe
Die Satire 1957 war ein Flop – dass es sie gab, jedoch ein Wunder.
„ Bleiben Sie zu Hause“, appellierten im kalten November 1947 die staatlichen und kirchlichen Behörden – wenn man damals, in der frühen Franco-Diktatur überhaupt von einem Unterschied des einen vom anderen sprechen konnte. Spanien quälte sich durch die Nachkriegszeit. Armut, Hunger, Krankheit waren an der Tagesordnung – vor allem in den Orten, von denen normalerweise die Geschichte kaum Notiz nimmt. Solche wie das Dorf Cuevas de Vinromá im Hinterland von Castellón.
„ Bleiben Sie zu Hause.“Dabei hatte Cuevas endlich eine Sternstunde vor Augen, mitten in dieser entmutigenden Zeit. Wirtschaftlich lag seit Ende des Kriegs 1939 alles brach. Dann warf das extrem kalte Jahr 1946 das von der Landwirtschaft so abhängige Volk um Jahre zurück. Bis zum Ausbruch des Kriegs hatte der kleine Ort geblüht. Die Textilwirtschaft lockte bis zu 5.000 Menschen nach Cuevas. Doch die Katastrophe kam.
Cuevas’ Pech war, dass es im Bürgerkrieg auf Seiten der Verlierer stand. Im April 1938 war es, als das Franco-Lager das inmitten von Hügeln und Fluss strategisch günstige Versteck der Roten ausfindig machte und wie eine Dampfwalze überrollte. Dem Erdboden gleichgemacht wurden Häuser und die militärisch genutzte Kirche. Nach Jahren der Angst war klar: Das alte Leben war endgültig vorbei.
Nur der Onkel glaubt
Acht Jahre nach dem Krieg ist die Moral – trotz energischer, nun allseits präsenter kirchlicher Verkündigung – lange nicht auferstanden. In diese Lage hinein platzt eine erstaunliche Nachricht. Niemand Geringeres als die Heilige Jungfrau Maria erscheine in den Höhlen am Fluss San Miguel. Gesehen habe sie ein kleines Mädchen – ein Kind der Nachkriegszeit, die gerade einmal achtjährige Raquel Roca.
Die geheimnisvolle Frau tauche in der glockenförmigen Höhle, der Cueva de la Campana, auf, spreche zu ihr und tröste sie, erzählt Raquel im Dorf. Glauben tun es zunächst wenige, auch wenn die Höhlenwand schon immer von Sagen und Legenden umgeben war. La Morería – den Namen erhielt die Felswand, weil sie die Siedlung der aus dem Ort geschmissenen Mauren wurde, als die Christen bei der Reconquista das Zepter übernahmen.
Doch auch viel ältere Reste fanden Forscher in dem auch geologisch hochinteressanten Areal immer wieder. Scherben aus der Antike, und auch geheimnisvolle Malereien aus der Steinzeit. Sozusagen ist die Geschichte der Erde und der Menschheit in diesen Fels am Fluss gehauen. Wie gemacht für eine himmlische Erscheinung scheint da seine auffälligste Grotte, die Cueva de la Campana.
Ein bisschen Glocke, ein bisschen Gestalt mit Gewand und ausgebreiteten Armen – so sieht die große Öffnung im Berg aus, vor die sich Raquel 16 Tage am Stück hinkniet. Das Gesicht des Kindes spricht dabei Bände – das werden Zeugen, die sich nach und nach zu ihr gesellten, später berichten. Aus den bereits in die junge Haut gegrabenen Sorgenfältchen werden beruhigte, freudenvolle Züge.
Eines aber bleibt gleich: Die Leere in der Grotte. Niemand außer Raquel sieht die Trösterin der Völker. Auch ihr Onkel nicht, der Einzige in ihrer Familie, der ihr Glauben schenkt. Und schon gar nicht der Vater des Mädchens: Ein erklärter Atheist und Kommunist, der ihre Erzählungen als Hirngespinste abtut. Womit er ausnahmsweise mit der Kirche einig ist. Die stellt fest: Raquel Roca hat kürzlich das „ Lied von Bernadette“gesehen, einen Film über die Marienwunder von Lourdes. Offenbar hat ihre Fantasie daraus die Erscheinung in der Felswand gesponnen.
Fátima lässt grüßen
Dass die katholische Kirche so energisch dementiert, mag überraschen: Hat sie damals doch bereits die Lourdes-Erscheinung als glaubhaft anerkannt. Und auch das Wunder im portugiesischen Fátima, wo die Hirtenkinder Lucía, Jacinta und Francisco im Jahr 1917 der Gottesmutter begegnet sein wollten.
Im Jahr 1947 haben sich die portugiesischen Ereignisse gerade zum 30. Mal gejährt. Der Kult um die Fátima-Jungfrau wächst unaufhaltsam, ganz zur Freude auch der spanischen Diktatur. Schließlich warnte die Maria in ihren Botschaften in Fátima vor den „ Irrlehren Russlands“– und das 1917, im Jahr der roten Revolution.
Das konnte ein Franco in seinem Kreuzzug gegen den Kommunismus nur begrüßen. Doch Fátima hatte auch in säkularen Kreisen eine unerwartete Kraft entwickelt. Der Grund war das große Finale der damaligen Erscheinungen. 30.000 Menschen sahen am 13. Oktober 1917 in Fátima ein erstaunliches Phänomen, bei dem die Sonne scheinbar auf die Erde fiel.
Das „ Sonnenwunder“ist gerade dank der Presse im laizistischen Portugal gut belegt. Sicher kennt im Jahr 1947 auch die kleine Raquel die Geschichte, sodass der Verdacht naheliegt, dass sie daraus die Idee für das große Finale ihrer Erscheinungen entwickelt hat.
In Rekordzeit verbreiten sich ihre Berichte wie ein Feuer in einer