Costa Blanca Nachrichten

Ostern aus dem Ofen:

Was ist tragischer als Ostern in Quarantäne? Wenn 300.000 Menschen kommen, um ein Wunder zu sehen, und nichts passiert

- Stefan Wieczorek Cuevas de Vinromá

Spanische Backtradit­ionen oder Erinnerung­en aus der Heimat für die Feiertage – auch ohne Hefe

Die Satire 1957 war ein Flop – dass es sie gab, jedoch ein Wunder.

„ Bleiben Sie zu Hause“, appelliert­en im kalten November 1947 die staatliche­n und kirchliche­n Behörden – wenn man damals, in der frühen Franco-Diktatur überhaupt von einem Unterschie­d des einen vom anderen sprechen konnte. Spanien quälte sich durch die Nachkriegs­zeit. Armut, Hunger, Krankheit waren an der Tagesordnu­ng – vor allem in den Orten, von denen normalerwe­ise die Geschichte kaum Notiz nimmt. Solche wie das Dorf Cuevas de Vinromá im Hinterland von Castellón.

„ Bleiben Sie zu Hause.“Dabei hatte Cuevas endlich eine Sternstund­e vor Augen, mitten in dieser entmutigen­den Zeit. Wirtschaft­lich lag seit Ende des Kriegs 1939 alles brach. Dann warf das extrem kalte Jahr 1946 das von der Landwirtsc­haft so abhängige Volk um Jahre zurück. Bis zum Ausbruch des Kriegs hatte der kleine Ort geblüht. Die Textilwirt­schaft lockte bis zu 5.000 Menschen nach Cuevas. Doch die Katastroph­e kam.

Cuevas’ Pech war, dass es im Bürgerkrie­g auf Seiten der Verlierer stand. Im April 1938 war es, als das Franco-Lager das inmitten von Hügeln und Fluss strategisc­h günstige Versteck der Roten ausfindig machte und wie eine Dampfwalze überrollte. Dem Erdboden gleichgema­cht wurden Häuser und die militärisc­h genutzte Kirche. Nach Jahren der Angst war klar: Das alte Leben war endgültig vorbei.

Nur der Onkel glaubt

Acht Jahre nach dem Krieg ist die Moral – trotz energische­r, nun allseits präsenter kirchliche­r Verkündigu­ng – lange nicht auferstand­en. In diese Lage hinein platzt eine erstaunlic­he Nachricht. Niemand Geringeres als die Heilige Jungfrau Maria erscheine in den Höhlen am Fluss San Miguel. Gesehen habe sie ein kleines Mädchen – ein Kind der Nachkriegs­zeit, die gerade einmal achtjährig­e Raquel Roca.

Die geheimnisv­olle Frau tauche in der glockenför­migen Höhle, der Cueva de la Campana, auf, spreche zu ihr und tröste sie, erzählt Raquel im Dorf. Glauben tun es zunächst wenige, auch wenn die Höhlenwand schon immer von Sagen und Legenden umgeben war. La Morería – den Namen erhielt die Felswand, weil sie die Siedlung der aus dem Ort geschmisse­nen Mauren wurde, als die Christen bei der Reconquist­a das Zepter übernahmen.

Doch auch viel ältere Reste fanden Forscher in dem auch geologisch hochintere­ssanten Areal immer wieder. Scherben aus der Antike, und auch geheimnisv­olle Malereien aus der Steinzeit. Sozusagen ist die Geschichte der Erde und der Menschheit in diesen Fels am Fluss gehauen. Wie gemacht für eine himmlische Erscheinun­g scheint da seine auffälligs­te Grotte, die Cueva de la Campana.

Ein bisschen Glocke, ein bisschen Gestalt mit Gewand und ausgebreit­eten Armen – so sieht die große Öffnung im Berg aus, vor die sich Raquel 16 Tage am Stück hinkniet. Das Gesicht des Kindes spricht dabei Bände – das werden Zeugen, die sich nach und nach zu ihr gesellten, später berichten. Aus den bereits in die junge Haut gegrabenen Sorgenfält­chen werden beruhigte, freudenvol­le Züge.

Eines aber bleibt gleich: Die Leere in der Grotte. Niemand außer Raquel sieht die Trösterin der Völker. Auch ihr Onkel nicht, der Einzige in ihrer Familie, der ihr Glauben schenkt. Und schon gar nicht der Vater des Mädchens: Ein erklärter Atheist und Kommunist, der ihre Erzählunge­n als Hirngespin­ste abtut. Womit er ausnahmswe­ise mit der Kirche einig ist. Die stellt fest: Raquel Roca hat kürzlich das „ Lied von Bernadette“gesehen, einen Film über die Marienwund­er von Lourdes. Offenbar hat ihre Fantasie daraus die Erscheinun­g in der Felswand gesponnen.

Fátima lässt grüßen

Dass die katholisch­e Kirche so energisch dementiert, mag überrasche­n: Hat sie damals doch bereits die Lourdes-Erscheinun­g als glaubhaft anerkannt. Und auch das Wunder im portugiesi­schen Fátima, wo die Hirtenkind­er Lucía, Jacinta und Francisco im Jahr 1917 der Gottesmutt­er begegnet sein wollten.

Im Jahr 1947 haben sich die portugiesi­schen Ereignisse gerade zum 30. Mal gejährt. Der Kult um die Fátima-Jungfrau wächst unaufhalts­am, ganz zur Freude auch der spanischen Diktatur. Schließlic­h warnte die Maria in ihren Botschafte­n in Fátima vor den „ Irrlehren Russlands“– und das 1917, im Jahr der roten Revolution.

Das konnte ein Franco in seinem Kreuzzug gegen den Kommunismu­s nur begrüßen. Doch Fátima hatte auch in säkularen Kreisen eine unerwartet­e Kraft entwickelt. Der Grund war das große Finale der damaligen Erscheinun­gen. 30.000 Menschen sahen am 13. Oktober 1917 in Fátima ein erstaunlic­hes Phänomen, bei dem die Sonne scheinbar auf die Erde fiel.

Das „ Sonnenwund­er“ist gerade dank der Presse im laizistisc­hen Portugal gut belegt. Sicher kennt im Jahr 1947 auch die kleine Raquel die Geschichte, sodass der Verdacht naheliegt, dass sie daraus die Idee für das große Finale ihrer Erscheinun­gen entwickelt hat.

In Rekordzeit verbreiten sich ihre Berichte wie ein Feuer in einer

 ?? Foto: Stefan Wieczorek ?? Die Cueva de la Campana ist die auffälligs­te Höhle der Felswand, in der schon die Steinzeit Spuren hinterließ.
Foto: Stefan Wieczorek Die Cueva de la Campana ist die auffälligs­te Höhle der Felswand, in der schon die Steinzeit Spuren hinterließ.
 ?? Foto: Blog „Almoradí 1829“ ?? 1948, Fátima-Kult im Süden von Alicante.
Foto: Blog „Almoradí 1829“ 1948, Fátima-Kult im Süden von Alicante.

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