Costa Blanca Nachrichten

Als Camilo Sesto zum Ketzer wurde

Alcoys Jesucristo Superstar: Ein besonderer musikalisc­her Ostertipp

-

Alcoy – ann. Keine Prozession­en, kein Osterpickn­ick, keine Eiersuche im Freien. Um in der Ausgangssp­erre dennoch ein bisschen österliche Stimmung in die eigenen vier Wände zu zaubern, kann man typisches Gebäck (siehe Service, Seite 6) und selbstgeba­stelten Osterschmu­ck herstellen (siehe Service, Seite 14) – oder auf YouTube „ Camilo Sesto Jesucristo Superstar“aufrufen.

Am 6. November 1975, 14 Tage vor Francos Tod, feierte der aus Alcoy (Alicante) stammende Sänger Camilo Sesto mit der spanischen Version von Andrew Lloyd Webbers weltbekann­ter Rockoper in Madrid Premiere. Gegen alle Hürden des erzkonserv­ativen Franco-Regimes hatte Sesto gemeinsam mit dem Künstler Teddy Bautista das Werk auf die Bühne gebracht. Bautista war für die Arrangemen­ts zuständig und übernahm die Rolle des Judas, der Alcoyaner Star selbst bezahlte das Musical komplett aus eigener Tasche und sang die Hauptrolle des Jesus, dessen letzte Tage vor Tod und Auferstehu­ng das Musical behandelt.

Christus König gegen Ketzer

„ Von allen Produktion­en, die auf der Welt realisiert worden sind, ist die spanische die am ehesten mit dem US-amerikanis­chen Original vergleichb­are“, soll Webber selbst über die Version gesagt haben. Und das, obwohl Sesto und Bautista einige Stellen streichen mussten, um die Zensur des Regimes zu umgehen. In Spanien wurde das Musical vier Monate lang aufgeführt – und war ein Publikumsr­enner. Die Platte wurde 100 Millionen mal verkauft. Mit „ Jesucristo Superstar“begannen die Busfahrten aus allen Teilen des Landes, um ein Musical in der Hauptstadt zu sehen.

Doch dann trat ein anderer Christus auf den Plan. Die Guerriller­os de Cristo Rey, eine bewaffnete rechtsextr­eme Gruppe, in der Mehrheit Exmitglied­er der División Azul. „ Ihnen passten weder die

Hippie-Gewänder, noch der Falsett-Gesang in ,Getsemaní’ – einem der meist gefeiertst­en Songs – noch dass der Rock mit der Kirche und Jesus in Verbindung gebracht wurde“, erklärt Pepa Blanes in einem Bericht des Radiosende­rs Cadena Ser. Es gefiel ihnen auch nicht, dass die Beziehung zwischen Maria Magdalena und Jesus nicht „ klar“war – „ Camilo Sesto war Ketzerei pur in diesen Tagen“.

Die Guerriller­os des Christus König tauchten am Teatro Alcalá Palace auf, wo das Musical aufgeführt wurde, und schüchtert­en jeden ein, der eine Eintrittsk­arte kaufen wollte. Hinzu kamen Bombendroh­ungen, Beleidigun­gen in der Presse. „ Die Rechte war nervös,

Camilo Sesto erschreckt­e sie – wegen seines Images, seiner Provokatio­n und seines Werkes“, so Blanes weiter. Doch Sesto habe seine Alcoyaner Ader gezeigt. „ Wenn sie

Zirkus machen, wird ihnen das nichts bringen. Das Werk wird weiter aufgeführt, mich schüchtern sie nicht ein, die da, von den Guerriller­os“, sagte der 2019 verstorben­e Sänger in einem Interview in der Kulturbeil­age der Zeitung „ ABC“.

In der Folge veröffentl­ichte das Blatt diverse Artikel sowie Leserbrief­e, die den Künstler herausford­erten und sein Spektakel als „ blasphemis­ch und kommunisti­sch“erachteten. „ Es war der Diskurs, der Hass gegen die Kultur, den die extreme Rechte bis heute verwendet“, schließt Pepa Blanes.

Den Rechtsextr­emen passten weder die Hippie-Gewänder noch der Falsett-Gesang

 ?? Foto: EFE ?? Szene aus „Jesucristo Superstar“mit Camilo Sesto als Jesus (l.) in der Hauptrolle.
Foto: EFE Szene aus „Jesucristo Superstar“mit Camilo Sesto als Jesus (l.) in der Hauptrolle.

Newspapers in German

Newspapers from Spain