Ruin vor Augen
Plötzlich steht man vor dem Nichts: Corona-Krise bringt Selbstständige in Existenznöte
Calp/Altea – ms. Vor einem halben Jahr erfüllte sich Anke Kübler einen lang gehegten Traum: Die 33-Jährige aus Karlsruhe übernahm den renommierten Friseursalon, den die Deutsche Berit Bohn-Hempel jahrelang in Altea geführt hatte. Für die Ablöse des Geschäfts nahm sie einen Kredit über 28.000 Euro auf.
„ Es lief gut, viele treue Kunden blieben“, erzählt Kübler. Seit sieben Wochen ist ihr Beautysalon wegen Corona zu, Einnahmen Fehlanzeige, die 33-Jährige bangt um ihre Existenz.
Der Kredit, die Miete für den Laden und ihre Wohnung am Mascarat: Nach sieben Wochen ohne Einnahmen weiß Kübler langsam nicht mehr, woher sie das Geld noch nehmen soll und kam deshalb auf eine Idee: „ Ich weiß, dass es hier viele mit Zweitwohnungen gibt. Im Tausch gegen eine kleine Wohnung in Altea oder der nähren Umgebung biete ich ein RundumPaket mit regelmäßigem Haarschnitt und Beautybehandlung an“, sagt die Friseurmeisterin. Strom, Wasser und Internet würde sie selbst übernehmen, notfalls auch einen kleinen Beitrag zahlen, erklärt sie.
Es gehe ihr um jeden Euro, den sie in ihren Salon stecken könne, um nach der Krise „ wieder voll durchstarten zu können“. Ihre Hoffnung: „ Vielleicht gibt es jemanden, der nicht auf hohe Mieteinnahmen mit einer jetzt ohnehin leerstehenden Ferienwohnung angewiesen ist.“
Womöglich hat Kübler gar keine so schlechten Chancen. Tauschgeschäfte sind in Spanien – besonders unter Selbstständigen oder Berufstätigen in befristeten, oft prekären Arbeitsverhältnissen – nichts Ungewöhnliches. „ Ich streiche dir das Haus, dafür machst du mein Auto für den TÜV fit“– solche geldlosen Abmachungen kommen häufiger vor. Ab und an fließen dann aber doch auch ein paar Euro – natürlich am Fiskus vorbei. Spanier, die von solchen kleineren Dienstleistungen mit entsprechend mickrigem Verdienst abhängig sind, haben es in Coronazeiten besonders schwer, weshalb auch Politiker wie Alberto Rodríguez von
Unidas Podemos erst kürzlich die frühere Einführung des Grundeinkommens forderten.
Viel mehr Hilfsbedürftige
Helfen würde das auch jenen, die noch immer vergeblich auf die dem Kurzarbeitergeld ähnlichen Zahlungen des Staates warten, weil sie sich wegen der CoronavirusKrise in einem temporären Ausstellungsverfahren befinden (ERTE). Zu viele hat das Geld noch nicht erreicht, weiß auch Cristina Marco von Calps Rotem Kreuz. Weil einigen im Ort – allen voran Selbstständigen und Gastronomen
– die Einkommensquelle weggebrochen sei, kämen mittlerweile viel mehr Familien zur Lebensmittelausgabe am Rot-Kreuz-Sitz. „ Normalerweise versorgen wir 54 Familien pro Monat mit Grundnahrungsmitteln, jetzt sind es genauso viele pro Woche“, erzählt Marco.
„ Bei vielen hofft der Hauptverdiener bald das ERTE-Geld zu bekommen, bis dahin sind einige Familien von unserer Hilfe abhängig.“Immer montags, mittwochs und freitags geben die Rot-KreuzHelfer Lebensmittel nach vorheriger Terminvergabe an Bedürftige aus. Die Ware bekommt das Rote Kreuz von den Lebensmittelbanken oder Calper Gastronomen, die momentan nichts damit anzufangen wissen und ihre Lager räumen. „ Familien mit Kindern und Senioren ohne soziale Kontakte – darunter auch einige deutsche und britische Residenten – haben Vorrang“, erklärt sie. Wer Hilfe benötigt, wendet sich telefonisch an Cruz Roja (Kasten), die Mitarbeiter setzen sich dann mit den Hilfesuchenden in Verbindung, um zu prüfen, wie hoch das Bedürfnis ist.
„ Mittlerweile brauchen wir eine Woche, um alle zurückzurufen“, seufzt Marco, man versuche aber, allen zu helfen.