Es lockert sich
Spanien tritt am Montag in die erste Phase der Deeskalation ein
Phase für Phase baut Spanien die strengen Auflagen des Notstandsdekrets ab. Ab Montag, 11. Mai, dürfen Restaurants wieder den Terrassenbetrieb unter Auflagen aufnehmen und Bürger können Freunde treffen. Auch der Einzelhandel öffnet seine Türen in der ersten Phase des Deeskalationsplans wieder. Gemäß diesem Papier will die Regierung die einzelnen Provinzen des Landes stufenweise zurück in die Normalität führen. Dabei müssen Gesundheitsbehörden vor Ort in der Lage sein, einen möglichen Rückschlag bei der Eindämmung der Pandemie abzufangen. Die Euphorie über die wiedergewonnene Freiheit hält sich in Grenzen – so klagt die Gastronomie über die Auflagen.
Madrid – sw/sk. Die Regierung konnte eine sympathische Frau für ihren Deeskalationsplan gewinnen, die nun mit Vorfreude ins Radio flötet, dass sie wieder zum Friseur gehen kann und gerne dieses junge Paar unterstützt, das all seine Ersparnisse in die Existenzgründung gesteckt hat. Dann will sie neue Gardinen für ihre Fenster kaufen, die Türen streichen lassen und ab Montag mit ihrem Mann wieder auf die Terrasse ihres Lieblingsrestaurants – schließlich will sie ihren Beitrag leisten, „ damit das Land nicht stehen bleibt“. Dann kommt die Fanfare und der Anti-Corona-Slogan der Regierung „ Gemeinsam stoppen wir das Virus“. Groß muss die Verzweiflung sein.
Und doch kann die Einstellung dieser Frau einen Unterschied machen. Am Montag lässt Spanien die Phase 0 des Deeskalationsplans (siehe Seite 47) hinter sich und bereitet sich auf den Weg in die Normalität vor. Die Wirtschaft springt erst langsam wieder an, all die Geschäfte vom Gartencenter bis zum
Fahrradladen – mit Ausnahme der großen Einkaufscenter – dürfen öffnen. Auch die Bars und Restaurants können ihre Terrassen wieder bewirtschaften, wenn sie diese auch nur zu 50 Prozent auslasten dürfen, um den Mindestabstand aus Gründen der Ansteckungsgefahr zu wahren. Die Reaktion der Kunden dürfte für viele Unternehmer gerade am Anfang psychologisch wichtig sein, denn ohne Sorge blickt niemand in die Zukunft.
Die Regierung hat angefangen, die Notstandsregelungen zu lockern, sie hat den estado de alarma aber nicht aufgehoben. Am Mittwoch verlängerte das Parlament den Notstand nochmals um zwei Wochen bis 24. Mai an. Das heißt in der Praxis, dass alle Erleichterungen in den verschiedenen Phasen Ausnahmen von der Quarantäne bedeuten, mit der die Corona
Pandemie eingedämmt werden soll. Wenn die Bevölkerung zu bestimmten Zeiten spazieren gehen oder Sport treiben darf, muss sie trotzdem außerhalb dieser Fristen oder nach Beendigung dieser Tätigkeiten zu Hause bleiben.
Bis Montag, 11. Mai, befindet sich das Festland noch in der Phase 0, außer Spaziergängen und Sport im Freien gönnt die Regierung der Bevölkerung wenig mehr als einen Friseurbesuch mit Termin und einen Abstecher ins örtliche Restaurant, um das Essen zum Mitnehmen abzuholen. Spürbare Erleichterungen kommen für fast alle spanischen Provinzen in der Phase 1 ab Montag, 11. Mai, die dann für mindestens zwei Wochen gültig ist. Sollte die Corona-Epidemie es vor Ort zulassen, treten die einzelnen Provinzen in die Phasen 2 und 3 ein, um schließlich Ende Juni die neue Normalität zu erreichen.
Vorausgesetzt, die Corona-Pandemie bricht nicht erneut aus. Nicht nur die Ansteckungszahlen müssen niedrig bleiben, die Krankenhäuser und die Behörden in
Die Regierung lockert den Notstand, hebt aber das Ausgehverbot nicht auf
den Provinzen müssen in der Lage sein, Covid-19 zu diagnostizieren und Infizierte zu isolieren. Es kann durchaus sein, dass die verschiedenen Provinzen den Deeskaltationsplan und seine Phasen mit verschiedenen Geschwindigkeiten durchlaufen. „ Wir müssen damit rechnen, dass wir Rückschläge und neue Ausbrüche erleben und zwar solange, bis es einen Impfstoff gibt. Das Ziel ist, dass unser Gesundheitssystem nicht mehr so unter Druck gerät“, sagte Ministerpräsident Pedro Sánchez bei seiner TV-Ansprache am Samstag,
„ Wir waren gerade erstmals seit anderthalb Monaten im Lokal, die Sicherungen sind nicht rausgeflogen, nichts ist aufgetaut – das ist schon mal gut!“, erzählt Anna Taraszka, Betreiberin des Lokals La Taza zwischen Bahnhof und Provinzverwaltung im Zentrum Alicantes. Am Montag, 11. Mai, wollen sie und ihr Mann die La Taza wiedereröffnen – freilich ohne dass jemand hinein darf. Auf ihrer Terrasse, dem Bürgersteig, geht es recht eng zu. Zwei Meter Sicherheitsabstand zu garantieren und mehr als einen Tisch aufzustellen wird keine leichte Aufgabe.
Passanten und Friseure haben die Phase 0 geprägt, die Terrassen der Bars und Restaurants sowie Personengruppen könnten das Bild der kommenden Woche in der Phase 1 prägen. Dann darf man wieder Freunde und Familie treffen, denn die Regierung gewährt eine Versammlungsfreiheit von Gruppen bis zu zehn Personen.
Weitere Zugeständnisse betreffen Autofahrten von Personen aus ein und demselben Haushalt, auch Wanderungen in der Natur stehen auf dem Plan oder Tierheimbesuche zur Adoption von Hund oder Katze. Der Tennisschläger kann ausgepackt, kleinere Kulturveranstaltungen besucht werden, die Museen dürfen wieder öffnen ebenso wie Hotels und Pensionen. Die Gläubigen können Kirchen aufsuchen, Totenwachen und Beerdigungen mit 15 Personen können stattfinden. Schritt für Schritt kehrt Spanien ins Leben zurück.
Nicht so das Lokal The Game an der Playa San Juan in Alicante. Magdalena Janicka kann noch nicht an die Wiedereröffnung der Cocktailbar denken. „ Ab dem 11. Mai können nur 50 Prozent der Tische auf der Terrasse genutzt werden, bei zwei Metern Abstand. Das wären bei uns drei Tische. Rein darf niemand. Das lohnt sich einfach nicht“, sagt sie.
Bitter, denn das Lokal musste den Vatertag am 19. März, die Semana Santa und den 1. Mai abschreiben. Die Einnahmen bleiben aus, die Ausgaben aber nicht. Allein ihre Miete beträgt in der attraktiven Lage 2.500 Euro im Monat. Die Hilfen der Regierung kamen bei ihr nicht an, lediglich ein Kredit bei der staatlichen Bank ICO half ihr über die Runden. Auch davon hatte sie sich mehr erhofft als letztendlich heraussprang.
Ob das Geschäft überlebt, hängt vom Sommer ab. „ Wenn wir 50 Prozent oder weniger Gäste haben als im letzten Jahr, geht es nicht weiter. Dabei kommt über die Hälfte unserer Gäste aus dem Ausland, und viele weitere aus Madrid, und die dürfen ja erstmal nicht hierher reisen“, sagt sie.
Wie der Einzelhandel insgesamt, muss die Gastronomie auf Menschen wie diese Frau hoffen, die im Radio die Hörer animiert, die örtlichen Betriebe zu unterstützen. Der Anfang wird sicherlich schwer und teilweise auch verwirrend. Die Regierung legt alle Verhaltensregeln in einem sehr lockerem Rahmen fest. Diese Lockerungsmaßnahmen können sich ab Montag auch von Provinz zu Provinz unterscheiden. Der Deeskalationsplan gleicht einem Maßnahmenkatalog, der bei einer Unzahl von Einzelfällen Fragen aufwerfen wird.
Was erlaubt ist und was nicht, kristallisiert sich meist erst am Samstag etwas klarer heraus, wenn Ministerpräsident Pedro Sánchez bei seiner wöchentlichen TV-Ansprache vor das Publikum tritt.
Wir werden Sie wie bisher auf der Webseite der Costa Nachrichten unter www.costanachrichten.com auf dem Laufenden halten.
Gastronomiesektor steht Deeskalationsplan kritisch gegenüber