Corona umfliegen
Luftfahrt-Experte Pere Suau über den Flugverkehr in Europa in und nach der Corona-Krise
Wie es im Flugzeug zugehen wird: Luftfahrtexperte über Flugreisen zu Pandemie-Zeiten
Alicante – ann. Vielen brennt die Frage auf der Zunge: Wie wird Fliegen innerhalb Europas in der Corona-Krise möglich sein und wie sicher ist es? Die CN sprachen mit dem Experten für Flugverkehr und Wirtschaftsdozenten an der Universitat Oberta de Catalunya (UOC), Pere Suau.
CN: Was kommt in der Covid-19-Krise auf den Flugverkehr zu?
Pere Suau: Wir warten derzeit noch auf die genauen Vorgaben der Europäischen Agentur für Luftsicherheit, EASA, aber vergangene Woche hat die Europäische Kommission bereits die Möglichkeit eröffnet, Tourismus-Korridore einzurichten, wie sie jetzt auch Deutschland öffnen will. Und sie hat erklärt, dass Flugzeuge prinzipiell vollbesetzt sein dürfen. Das ist ein klares Zeichen der Unterstützung für den Luftfahrt- und Tourismussektor, denn die Kabinenbelegung ist sehr entscheidend. Generell sagt man, dass die Fluggesellschaften, um Kosten abzudecken und Gewinn zu machen, 80 Prozent der Sitzplätze im Flugzeug belegen müssen. Jede Abstandsregel im Flieger hätte diese Möglichkeit zunichtegemacht.
Welche Maßnahmen müssen die Fluggesellschaften stattdessen ergreifen?
Zum einen sprechen die Richtlinien von Hygienemaßnahmen im Flugzeug, wobei noch nicht im Einzelnen dargelegt wurde, wie oft die Flieger desinfiziert werden müssen. Außerdem wird von Atemschutzmasken in der Kabine sowie von den Hepa-Filtern für die Kabinenluft gesprochen. Laut wissenschaftlichen Artikeln sind diese Filter effizient genug, Viren der Größenordnung von Sars-CoV-2 zu filtern. Doch da auch dies nicht 100-prozentig sicher ist, muss eben ein Cocktail aus verschiedenen
Maßnahmen wie Atemschutzmasken, Luftfiltern und Desinfektion angewandt werden. Ziel ist es, das Ansteckungsrisiko zu minimieren.
Was bedeuten diese Entscheidungen für die Passagiere?
Sie helfen eindeutig, die Erwartungen der Passagiere zu konkretisieren, die unter anderem damit rechnen müssen, dass ihr Flieger vollbesetzt ist. Das verhindert Konflikte und hilft Personen zu entscheiden, ob sie reisen möchten oder nicht.
Wie wird sich die Krise auf die Nachfrage auswirken?
Diese wird von zwei Faktoren beeinflusst sein. Zum einem dem ökonomischen Faktor, denn es gibt viele Menschen, die an ihrem Arbeitsplatz von der Krise betroffen sind und über weniger Geld verfügen werden, um in den Urlaub zu fliegen. Zum anderen zeigen Umfragen, dass die Leute noch einen gewissen Respekt davor haben, sich an Orten wie Flughäfen oder im Flugzeug anzustecken. Das Verbrauchervertrauen könnte gering sein, und das wird dazu führen, dass die Nachfrage sinkt. Selbst wenn also diese Korridore geöffnet werden, heißt das nicht, dass die Urlauber in Scharen zurückkehren. Aber eine erste Welle von Fluggästen aus dem Ausland könnten beispielsweise Personen aus Deutschland sein, die in Spanien ein Haus besitzen und sich hier in einem sicheren und ruhigen Ambiente aufhalten können. Was jedoch Hotelgäste angeht, könnte die Rückkehr langsamer vonstatten gehen. Die große Unbekannte ist im Moment, wie sich die Nachfrage entwickeln wird.
Inwieweit könnte dies die Flugpreise beeinflussen?
Meine persönliche Schlussfolgerung ist, dass sich die Preise im Allgemeinen nicht sehr verändern werden. Es stimmt wohl, dass die Fluglinien nach solchen Krisen den Markt mit niedrigen Preisen stimulieren wollen und es kann sein, dass hier dasselbe passiert. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass Verbindungen, für die es vorher zwei oder drei Anbieter gab, jetzt vielleicht nur noch von einer Fluggesellschaft bedient werden, es also mehr Monopolstellungen gibt. Aber wie gesagt, auch die Nachfrage wird wohl geringer sein, weswegen die Preise nicht extrem hoch sein können. Alle Fluggesellschaften werden in der nächsten Zeit Anpassungen vornehmen müssen, denn generell geht man davon aus, dass es drei bis fünf Jahre dauern wird, bis die Flugbranche das Volumen von 2019 wieder erreicht haben wird.