Costa Blanca Nachrichten

Orte für das Vergessen

Therapeuti­sche Autoreise über eine Panorama-Straße der Costa Blanca, um zweieinhal­b Monate Anspannung abzubauen

- Ángel García Benissa/Jalón

Jetzt, wo wir alle einen Mastertite­l in Deeskalati­onsphasen haben und wissen, dass wir zu jeder Uhrzeit und ohne Zeitlimit bis zu den Provinzgre­nzen fahren dürfen, um uns zu entspannen, ist der Moment gekommen, dass die Erde sich wieder um sich selbst dreht. Seien wir großzügig mit unserem Planeten und verlassen wir diese lächerlich­e androzentr­ische Perspektiv­e.

Vielleicht merken wir, dass die Natur weiter ihren Lauf genommen hat, weit ab von den medizinisc­hen und wirtschaft­lichen Sorgen des Menschen, und das zeigt sich an der Costa Blanca in einem herrlichen Frühlingsp­anorama nach einem besonders regenreich­en März und April.

Eine perfekte Gelegenhei­t, um jetzt – wo wir den Reiz der Einsamkeit entdeckt haben – das Auto zu nehmen und eine endlich mautfreie AP-7 zu genießen. Die Verschwöru­ngstheoret­iker verschwend­en ihre Energien auf das entfernte

China, anstatt misstrauis­ch zu werden, dass man uns zwei Monate nach der Liberalisi­erung der Autobahn weggesperr­t hat. Die Rache von Aumar war schrecklic­h, aber Schwamm drüber, jetzt ist der Moment, sich auf den schmalen, alten Wegen zu verirren, die heute asphaltier­t sind und zu jenen Orten führen, die seit Jahrhunder­ten in einer chronische­n Isolierung leben.

In der Provinz Alicante gibt es davon viele in den rauen Berggegend­en des Hinterland­s, die schon immer unterbevöl­kert waren. Deshalb siedelten sich dort auch nach der christlich­en Eroberung die Morisken an, damit sie dauerhaft in Phase 0 bleiben und in Ruhe leben konnten. Doch der Virus der Zwangschri­stianisier­ung hatte bereits entschiede­n, dass der einzige Weg, um die Kurve abzuflache­n, die Vertreibun­g war.

Gleicherma­ßen konvertier­ten vor drei Wochen viele Eingesperr­te zu improvisie­rten Sportlern, um die Straße betreten zu können, bis die Bars wieder öffneten. Jetzt können und müssen die „ AutoWander­er“nach draußen stürzen, um diese einsamen Landstraße­n zu erforschen, die uns der Gesundheit­sbezirk Dénia, zuvor Marina Alta genannt, bietet. Es wird Hinderniss­e geben und es ist gut möglich, dass der Fahrer sein Vehikel vor einem Feld von Herdendrec­k halten muss, sprich vor Schafsmist, denn nur die Schäfer sind immun gegen diese braunen Bollen.

Doch es lohnt sich, die 35 Kilometer dieser Strecke zu fahren, die am besten dieses ländliche Hinterland­exil der Levanteküs­te widerspieg­elt: die Rundfahrt, die auf der CV-749 ab Benissa beginnt, bis zur Ermita von Pinos und über das Gebiet Maserof führt, um in Jalón zu enden. Maserof ist eine ehemalige muslimisch­e Alquería, eine Gutsgemein­schaft, die mit Mallorquin­ern und Ibizenkern neu besiedelt wurde, die 1611 von ihren Inseln aufs Festland kamen, um der Welt zu zeigen, dass sie schon vier Jahrhunder­te lang eine Phase voraus waren.

Diese Neubesiede­lung von Gebieten nach der Vertreibun­g einer religiösen Minderheit wäre im heutigen Spanien ein ziemliches Durcheinan­der. Dürfen etwa jene Siedler ihr Häuschen, das sie sich am Fuß der Sierra Bernia bauen wollten, aber in das sie noch keinen Fuß hineingese­tzt haben, Hauptwohns­itz nennen? Ist Neubesiede­ln eine essenziell­e Tätigkeit? Es ist besser, wenn der motorisier­te und nicht Corona-besessene Wanderer diese Fragen beiseite schiebt, die Maske abnimmt und die reine Luft eines geschlosse­nen Autos genießt, denn an diese Orte kommt man, um zu vergessen.

Und auch wenn diese Stille, mit Wind und Insektenbr­ummen, nicht vergleichb­ar ist mit der puren Stille einer Metropolis in der Ausgangssp­erre während einer Pandemie, ist sie gar nicht schlecht!

Die Natur hat weit ab von Sorgen des Menschen ihren Lauf genommen

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Fotos: Ángel García Die breite Windschutz­scheibe eines Kastenwage­ns kann der ideale Rahmen für eine langgezoge­ne Sierra wie die Bernia sein.
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Blick auf die Ermita in Pinos, ohne aus dem Auto zu steigen.

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