Orte für das Vergessen
Therapeutische Autoreise über eine Panorama-Straße der Costa Blanca, um zweieinhalb Monate Anspannung abzubauen
Jetzt, wo wir alle einen Mastertitel in Deeskalationsphasen haben und wissen, dass wir zu jeder Uhrzeit und ohne Zeitlimit bis zu den Provinzgrenzen fahren dürfen, um uns zu entspannen, ist der Moment gekommen, dass die Erde sich wieder um sich selbst dreht. Seien wir großzügig mit unserem Planeten und verlassen wir diese lächerliche androzentrische Perspektive.
Vielleicht merken wir, dass die Natur weiter ihren Lauf genommen hat, weit ab von den medizinischen und wirtschaftlichen Sorgen des Menschen, und das zeigt sich an der Costa Blanca in einem herrlichen Frühlingspanorama nach einem besonders regenreichen März und April.
Eine perfekte Gelegenheit, um jetzt – wo wir den Reiz der Einsamkeit entdeckt haben – das Auto zu nehmen und eine endlich mautfreie AP-7 zu genießen. Die Verschwörungstheoretiker verschwenden ihre Energien auf das entfernte
China, anstatt misstrauisch zu werden, dass man uns zwei Monate nach der Liberalisierung der Autobahn weggesperrt hat. Die Rache von Aumar war schrecklich, aber Schwamm drüber, jetzt ist der Moment, sich auf den schmalen, alten Wegen zu verirren, die heute asphaltiert sind und zu jenen Orten führen, die seit Jahrhunderten in einer chronischen Isolierung leben.
In der Provinz Alicante gibt es davon viele in den rauen Berggegenden des Hinterlands, die schon immer unterbevölkert waren. Deshalb siedelten sich dort auch nach der christlichen Eroberung die Morisken an, damit sie dauerhaft in Phase 0 bleiben und in Ruhe leben konnten. Doch der Virus der Zwangschristianisierung hatte bereits entschieden, dass der einzige Weg, um die Kurve abzuflachen, die Vertreibung war.
Gleichermaßen konvertierten vor drei Wochen viele Eingesperrte zu improvisierten Sportlern, um die Straße betreten zu können, bis die Bars wieder öffneten. Jetzt können und müssen die „ AutoWanderer“nach draußen stürzen, um diese einsamen Landstraßen zu erforschen, die uns der Gesundheitsbezirk Dénia, zuvor Marina Alta genannt, bietet. Es wird Hindernisse geben und es ist gut möglich, dass der Fahrer sein Vehikel vor einem Feld von Herdendreck halten muss, sprich vor Schafsmist, denn nur die Schäfer sind immun gegen diese braunen Bollen.
Doch es lohnt sich, die 35 Kilometer dieser Strecke zu fahren, die am besten dieses ländliche Hinterlandexil der Levanteküste widerspiegelt: die Rundfahrt, die auf der CV-749 ab Benissa beginnt, bis zur Ermita von Pinos und über das Gebiet Maserof führt, um in Jalón zu enden. Maserof ist eine ehemalige muslimische Alquería, eine Gutsgemeinschaft, die mit Mallorquinern und Ibizenkern neu besiedelt wurde, die 1611 von ihren Inseln aufs Festland kamen, um der Welt zu zeigen, dass sie schon vier Jahrhunderte lang eine Phase voraus waren.
Diese Neubesiedelung von Gebieten nach der Vertreibung einer religiösen Minderheit wäre im heutigen Spanien ein ziemliches Durcheinander. Dürfen etwa jene Siedler ihr Häuschen, das sie sich am Fuß der Sierra Bernia bauen wollten, aber in das sie noch keinen Fuß hineingesetzt haben, Hauptwohnsitz nennen? Ist Neubesiedeln eine essenzielle Tätigkeit? Es ist besser, wenn der motorisierte und nicht Corona-besessene Wanderer diese Fragen beiseite schiebt, die Maske abnimmt und die reine Luft eines geschlossenen Autos genießt, denn an diese Orte kommt man, um zu vergessen.
Und auch wenn diese Stille, mit Wind und Insektenbrummen, nicht vergleichbar ist mit der puren Stille einer Metropolis in der Ausgangssperre während einer Pandemie, ist sie gar nicht schlecht!
Die Natur hat weit ab von Sorgen des Menschen ihren Lauf genommen