Corona nicht vorbei
Wissenschaftler erklären, warum das Virus zurückkehrt, aber auf einen gewappneten Gegner trifft
Neue Infektionen, weniger Folgen: Forscher aus Murcia halten Spanien für gut vorbereitet
Murcia – sg. Nach der fast zwei Monate dauernden strikten Ausgangssperre geht es nun mit Riesenschritten in Richtung „ neue Normalität“. Auf manchen Straßen staut sich wieder der Verkehr. Menschen treffen sich. Dass sie dabei immer den Mindestabstand einhalten, ist nicht sehr wahrscheinlich. Sehr wahrscheinlich ist dagegen, dass es eine zweite Ansteckungswelle mit dem Coronavirus geben wird, wie Experten meinen.
Einen kleinen Vorgeschmack gab es bereits in Totana. Sechs Erntearbeiter wurden Mitte Mai positiv auf das Virus getestet. 45 Kontaktpersonen begaben sich in häusliche Quarantäne. Nur wenige Tage später meldete das Landesgesundheitsministerium der Region Murcia, dass sich fünf Mitglieder einer Familie in Archena mit SarsCoV-2 angesteckt hätten. Neun Kontaktpersonen wurden isoliert.
Risiko ist real und hoch
Der Professor für Physik an der Universität von Murcia (UMU), Juan Antonio Guirao, simuliert die Entwicklung der Coronavirus-Pandemie mit mathematischen Modellen. Auch er ist davon überzeugt, dass es einen zweiten Ausbruch geben wird. Zwar stabilisiert sich die Pandemie derzeit, sagt der Physiker gegenüber der Zeitung La Verdad“. Dennoch stuft er das Risiko einer neuen Welle als real und hoch ein.
Grund dafür sei, dass die Pandemie in Spanien hauptsächlich durch sozialen Abstand und Ausgangssperre unter Kontrolle gebracht wurde, ohne weitere Maßnahmen hinzuzuziehen wie zum Beispiel massive Tests in der Bevölkerung und eine strikte Rückverfolgung von Infektionsfällen wie sie in Südkorea durchgeführt wurden. Guirao befürchtet, dass mit der Deeskalation nun das einzig wirksame Mittel, der soziale Abstand, gelockert wird und damit die Gefahr von Ansteckungen wieder steigt.
Die Bedenken teilt auch die Medizinerin Carmen Navarro, die die Abteilung für Epidemiologie im öffentlichen Gesundheitssystem der Region Murcia aufgebaut und bis zu ihrer Pensionierung geleitet hat. Die menschlichen Kontakte seien der bestimmende Faktor.
Dennoch sind sich beide Wissenschaftler einig. Eine zweite Welle wird Murcia und auch Spanien nicht mehr überrollen. Das Gesundheitssystem sei vorbereitet. Das Virus ist kein Unbekannter mehr“, sagt Navarro. Man weiß, wie es sich verhält, wie es sich überträgt, was es im Körper anrichten kann und ist in der Lage, entsprechend zu reagieren.“Entscheidend sei, jeden Infizierten schnell zu entdecken, zu testen, zu isolieren und seinen Fall rückzuverfolgen. Dem System dürfe kein Fall durch die Lappen gehen. Wie schwierig das ist, erklärt die Medizinerin in einem Interview mit der La Verdad“. Am wichtigsten sei es, die Kontakte ausfindig zu machen. Also alle Personen, die mit dem Infizierten mindestens 15 Minuten lang zusammen waren, ohne den Mindestabstand von zwei Metern einzuhalten und ohne eine Schutzmaske zu tragen. Anschließend muss bei Kontaktpersonen mit Symptomen sofort ein Schnelltest durchgeführt werden. Betroffene ohne Symptome werden 14
Tage lang in Quarantäne geschickt und müssen von einem Arzt telefonisch betreut werden.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO verbreitet derweil Optimismus. Ein zweiter Ausbruch werde immer unwahrscheinlicher, sagt die Direktorin für Gesundheit, María Neira aus Spanien. Modelle und Berechnungen der WHO wiesen darauf hin, dass die strengen Ausgangssperren ihre Wirkung zeigten. Die Zahl der Übertragungen sei derart gesunken, dass das Virus es schwer habe, zu überleben. Dennoch sei der Kampf gegen Sars-CoV-2 noch nicht gewonnen.
Die nächsten Wochen auf dem Weg zurück zur Normalität seien kritisch, so Neira. Dann werde sich zeigen, wie das Virus reagiert. Neira rief die Bevölkerung dazu auf, nicht panisch, aber auch nicht zu locker zu sein. Man müsse lernen, mit Infektionskrankheiten zu leben.
Entscheidend ist zu entdecken, zu testen und rückzuverfolgen