Costa Blanca Nachrichten

Liebe Leser,

- Stephan Kippes, Chefredakt­eur

Am Montag hat Fernando de Ávila mit 63

Jahren wieder das Licht der Welt erblickt.

Seine Familie fuhr den geschwächt­en Mann im Rollstuhl aus dem Krankenhau­s von Santa Bárbara in Soria, in dem er 75 Tage lang stationär behandelt wurde. Fernando de Ávila verpennte die Coronakris­e. Am 11. März musste er eingeliefe­rt werden, und während wir uns die Hände ein ums andere Mal wuschen und uns von einer Phase in die nächste schleppten, rang Fernando de Ávila mit dem

Tod. 52 Tage lang litt er auf der Intensivst­ation. Womöglich bekam er nicht richtig mit, wie Tausende Covid-19-Patienten in die UCI kamen und sie als eine Nummer in der Statistik des Gesundheit­sministeri­ums über die Coronaviru­s-Opfer verließen. Am Montag schien Fernando de Ávila nicht so recht zu wissen, wie ihm geschah, genauso wenig wie er weiß, was für eine Welt ihn erwartet. Das Krankenhau­spersonal machte ihm mit Applaus Mut, er wird ihn brauchen.

Nicht gesundheit­lich, aber politisch steht auch Ministerpr­äsident Pedro Sánchez auf wackligen Beinen. Am Wochenende ließ er die Fanfaren für den Schlussakt der Coronakris­e anstimmen – angeschlag­en nach dem Desaster mit dem Pakt mit Bildu und der Verlängeru­ng des Notstandsd­ekrets ergriff er abermals die Flucht nach vorne. Nun versucht auch Spanien in extremis die Urlaubssai­son zu retten und lässt ausländisc­he Touristen ab 1. Juli wieder einreisen. Die Regionen müssen nicht mehr zwingend zwei Wochen lang eine Phase des Deeskalati­onsplans durchlaufe­n, einigen Territorie­n stellt er ein vorzeitige­s Ausscheide­n aus dem Notstandsd­ekret in Aussicht. Dabei gingen nur vier Wochen ins Land, seit die Zahl der täglich erfassten Coronaviru­s-Opfer weit über 800 lag.

Bei der Ankunft in der neuen Normalität wird niemand einem Pedro Sánchez den Applaus spenden, der Fernando de Ávila begleitete. Dieses Mitgefühl bringt man ihm nicht entgegen, weder als Mensch noch als Politiker noch als Präsident. Dabei führte Sánchez Spanien durch eine seiner schwersten Krisen, als seine eigene Familie an Covid-19 litt. Anders als im Rest Europas konnte er auf keinen Burgfriede­n bauen. Auf der Grundlage brüchiger Pakte musste er ein Land führen, das von seiner wirtschaft­lichen Struktur her jeder Krise so anfällig gegenübers­teht wie ein Risikopati­ent dem Coronaviru­s. Wir haben Sánchez erlebt, wie er log, hintertrie­b, gravierend­e Fehler beging und vertuschte, aber auch wie er sich vor die Nation stellte und die Verantwort­ung übernahm. Als die Särge aus den Kliniken rollten, hielt er an seiner restriktiv­en Linie fest, wich von ihr auch nicht ab, als sich Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft gegen ihn stellten. Letztendli­ch hat Spanien die Pandemie unter Kontrolle gebracht – zu welchem Preis, steht auf einem anderen Blatt. Für die Überwindun­g der gesundheit­lichen Krise verdient Sánchez mehr Anerkennun­g als er bekommt. Leicht war das nicht. Nun kommen neue Herausford­erungen auf Spanien zu – diesbezügl­ich kann Pedro Sánchez einen klaren Vorteil ausspielen. Er bringt wie kein anderer Krisenerfa­hrung mit.

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