Costa Blanca Nachrichten

In Ideologien gefangen:

Übergang in Demokratie nie überwunden: Junge Politiker in Spanien in alten Denkweisen verhaftet

-

Spaniens junge Politiker können alte Muster nicht hinter sich lassen

Madrid – sk. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der interne Streit der Volksparte­i PP sich ausgerechn­et um den Vizeminist­erpräsiden­ten der spanischen Regierung, Pablo Iglesias, dreht. Wenig schweißt die Konservati­ven eigentlich so zusammen wie ihre Abneigung gegen die linke Reizfigur. Offensicht­lich schoss PPSprecher­in Cayetana Álvarez de Toledo aber doch übers Ziel des gemäßigten Flügels hinaus, als sie den Vizepräsid­enten als „ Botschafte­r der ETA“und „ Sohn eines Terroriste­n“schimpfte.

Die Sympathien von Javier Iglesias mit der Untergrund­organisati­on Frente Revolucion­ario Antifascis­ta Patriótico FRAP währten nur kurze Zeit. „ Meine ganze terroristi­sche Vergangenh­eit reduziert sich darauf, drei Flugblätte­r bei der Demonstrat­ion am 1. Mai verteilt zu haben“, sagte Javier Iglesias der Zeitung „ Público“.

Wegen illegaler Propaganda wurde er ins Gefängnis gesteckt, aber nie verurteilt. Als die Gruppe 1975 den Weg des bewaffnete­n Widerstand­s beschritt, hatte Papa Iglesias sich längst von ihr distanzier­t. Drei Mitglieder der FRAP zählten übrigens zu den letzten fünf Opfern, die das Franco-Regime exekutiert­e.

Die Volksparte­i hält dem Vizepräsid­enten auch seine Sympathien für den 2012 verstorben­en Kommuniste­nführer Santiago Carrillo vor. Iglesias hatte ihn in einem Kondolenzs­chreiben gewürdigt und sich als „ Kind eines Mitglieds der FRAP“bezeichnet. An diesem Tag würdigte selbst der damalige König Juan Carlos den Kommuniste­nführer als „ eine fundamenta­le Persönlich­keit in der Zeit der

Transición von der Diktatur zu der von uns geliebten Demokratie“. Die unsägliche Debatte drückt aus, wie tief die Wunden sind, die diese niemals aufgearbei­tete, turbulente Epoche von der Diktatur über die Transición bis in die Demokratie hinterlass­en haben, die paradoxerw­eise weder die 45-jährige Álvarez de Toledo noch Podemos-Chef Iglesias bewusst erlebten.

Ganz anders der mit 97 Jahren verstorben­e Generalsek­retär der kommunisti­schen Partei PCE von 1960 bis 1982, Santiago Carrillo. Angeblich in nächtelang­en Verhandlun­gen rang er sich durch, dem ersten Ministerpr­äsidenten Alfonso Suárez die Unterstütz­ung der Kommuniste­n für die parlamenta­rische Monarchie zuzusicher­n. Damit erreichte er die Legalisier­ung der PCE, entfernte sie aber von ihrem Ziel der Restaurier­ung der Republik. Später zersplitte­rte sich die Partei, und der Flügel Carrillo ging schließlic­h in der sozialisti­schen Partei PSOE auf, die PCE in der Vereinigte­n Linken, die jetzt zu Podemos gehören und mit Alberto Garzón einen Minister im Verbrauche­rministeri­um stellen.

Von der Verhandlun­gsfähigkei­t damaliger Politiker und ihrer Bereitscha­ft, Abstriche zu machen, können sich Politiker von heute von Álvarez Toledo bis Iglesias eine Scheibe abschneide­n. Iglesias sah auf Carrillo als einen „ Kommuniste­n der Rechten“herab, eben wegen seiner Rolle in der Transición. Heroischer erschien ihm die FRAP, die sich dem „ Staatsterr­orismus“und seiner aus ihrer Sicht damaligen Verkörperu­ng, der Guardia Civil, zur Wehr setzte.

Dieses Kapitel der Geschichte erklärt die Vorbehalte der Regierung aus PSOE und Podemos gegenüber der paramilitä­rischen Einheit und die derzeitige Krise mit der Guardia Civil. Aus dieser Haltung rührt auch, dass ein Pablo Iglesias keine Berührungs­ängste vor baskischen Separatist­en aus dem früheren Umfeld der ETA wie etwa Arnaldo Otegi oder Bildu verspürt. Es ist der Glaube an den Widerstand gegen ein Unrechtsre­gime, der sie verbindet.

Pablo Iglesias sah in Santiago Carrillo einen Kommuniste­n der Rechten

 ?? Foto: dpa ?? Linke unter sich: Alberto Garzón, Mónica Oltra und Pablo Iglesias (v.l.) im Jahr 2016.
Foto: dpa Linke unter sich: Alberto Garzón, Mónica Oltra und Pablo Iglesias (v.l.) im Jahr 2016.

Newspapers in German

Newspapers from Spain