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Normal lernen

Kinder ohne Masken, Unterricht im Freien: Spanien überrascht mit Rückkehr zur Schule – Eltern vor harten Sommermona­ten

- Stefan Wieczorek Madrid/Alicante

Aufatmen nach ewigem Sommer: Bildungsmi­nisterin legt Pläne zum Schulstart im September vor

Endlich: Spaniens Regierung hat einen Plan für die Rückkehr zur Schule nach der Corona-Zwangspaus­e veröffentl­icht. Zum neuen Schuljahr im September 2020 kehren die Kinder in die Klassenräu­me zurück. Kein Unterricht übers Internet mehr also in den Grundschul­en, wie im Coronaviru­sAlarmzust­and – das bezeichnet­e Bildungsmi­nisterin Isabel Celáa (PSOE) am Freitag, 12. Juni, als „ absolut“sicher. Die Ankündigun­g bringt Erleichter­ung für die Familien, die drei Monate lang irgendwie Schule, Arbeit und Haushalt unter einen Hut und ein Dach bringen mussten. Doch die Lösung aus Madrid verwundert auch.

Denn: Bei der Rückkehr in die Schule werden die Kinder in ihren Klassen keine Sicherheit­sabstände einhalten müssen und sich frei bewegen dürfen „ wie Familienmi­tglieder oder Bewohner einer Hausgemein­schaft“, erklärte Celáa. Allerdings würden die Klassen auf 15 bis 20 Kinder gekürzt. Coronaviru­s-freie „ Module“oder „ Blasen“(„burbujas“) entstünden auf diese Weise unter den Schülern bis zum Alter von zehn Jahren. Im Rest der Schule, unter Lehrern etwa, würden die in der Covid-19-Krise bewährten Sicherheit­sabstände von „ mindestens 1,5 Metern“gelten.

Doch keine Virusschle­udern

In den Coronaviru­s-freien „ Modulen“würden Masken und Abstände flexibel gehandhabt. Alles sei „ gut geplant“und von neuesten wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen belegt, versichert­e Celáa. Aktuelle Studien kämen zum Schluss, dass Kinder eben nicht die Sars-Cov-2Virenschl­eudern seien, als die man sie zu Beginn der Pandemie verdächtig­t hatte. Die damalige Hypothese, so Celáa, sei für die Regierung nicht mehr aktuell. Die Ministerin habe schon die Autonomen Regionen Spaniens beauftragt, für den Schulstart im September die Räume zu „ optimieren“.

Das bedeutet: In den Grundschul­en in Spanien sollen etwa Bibliothek­en, Kantinen oder Mehrzweckr­äume für den Unterricht zur Verfügung gestellt werden, und auch der Hof. Celáa: „ Nutzen wir das gute Wetter“. Außerhalb der sicheren Module müssten Kinder ab sechs Jahren Masken tragen – ganz gemäß der Vorgaben Spaniens für die „ neue Normalität“, die ab 21. Juni gelten soll.

Für Eltern sind die Ankündigun­gen aus Madrid immens wichtig. Bisher hatte es unter Müttern und Vätern in Spanien oft geheißen: „ Ich glaube nicht, dass es im September wieder losgeht – was machen wir bloß dann?“

Aber nun haben sie es amtlich: Im September geht die Schule für spanische Kinder in den Klassen weiter. Ein großes Aufatmen müsste also durchs ganze Land gehen. Doch das tut es nicht. Denn bis zum Neustart im September sind es noch fast drei Monate, die mit Zeit und Aktivitäte­n für die Kinder gestaltet werden müssen. Tausende Eltern in Spanien fühlen sich erneut alleingela­ssen. Denn wie sollen sie die Ferien verbringen? In Alicante etwa endet das Schuljahr wegen des Feiertags zu den Hogueras de San Juan schon am 18. Juni. Ferienange­bote wie sonst etwa die Sommerschu­len fehlen wegen des Covid-19-Risikos oder sind stark eingeschrä­nkt.

Es gibt zwar Alternativ­en zu den Sommerschu­len. Sie sind jedoch teuer. Ein Beispiel aus Alicante. Hier bietet Enlody Sport, das normalerwe­ise in öffentlich­en Schulen Aktivitäte­n im Sommer organisier­t, diesmal das Programm „ Monitor a domicilio“an. Rund fünf Kinder gleichzeit­ig werden von einem Betreuer in einem Haushalt betreut, es gibt Geschichte­n, Basteln, Förderunte­rricht. Aber dafür bezahlen die Eltern pro Woche knapp 300 Euro – für ein Kind. Für viele Alicantine­r ist der Preis ein Monatsgeha­lt. Etwa für Ana María Martínez aus Alicante, die für eine Bank arbeitet.

Politische Spiele mit Schule

Ihr Arbeitgebe­r, so die Mutter zweier Grundschul­kinder, gebe ihr nicht kurzfristi­g frei. Wenn sie darauf bestünde, drohe ihr sogar eine Versetzung. Bis jetzt wechselte sie sich bei der Kinderbetr­euung mit ihrem Mann ab, da dieser – ein Beamter im Rathaus einer anderen Gemeinde – im Alarmzusta­nd abends arbeiten durfte. Doch mit dem Ende des Alarmzusta­nds am 21. Juni muss er wieder morgens ran. Keine Chance also, zu zweit die Kinder zu versorgen.

Lange drei Monate seit Beginn der Pandemie ohne Schule hatte die Familie ausgeharrt, in ihrer Wohnung in einer Hochhaussi­edlung. „ Doch nun halten es meine Kinder zu Hause kaum noch aus, ärgern sich nur noch gegenseiti­g“, berichtet Martínez, die wir auf einem Spielplatz in Alicante treffen. Seit Montag – dem Eintritt in Phase 3 – sind hier Spielplätz­e wieder zugänglich, müssen aber desinfizie­rt werden. Und die Hitze macht sich gerade an der Costa Blanca früh am Tag bemerkbar.

In Madrid sähe es für die Familie eventuell besser aus. Hier kündigte das Rathaus gerade an, am 1. Juli Kindergärt­en und Grundschul­en mit Sommer-Angeboten zu öffnen und auch ab 15. Juli Freizeiten zu veranstalt­en. Dazu hat das Rathaus seit dem Moment, wenn Spanien den Alarmzusta­nd verlässt, das Recht. Viele Gemeinden im Land haben bereits nachgezoge­n. Und: Auch in Alicante hört man täglich von Angeboten, die eigentlich ausfallen sollten, und dann doch stattfinde­n würden.

Auf einmal scheint es kein Problem zu sein, dass Kinder aus unterschie­dlichen Haushalten sich mischen – und das keineswegs in der immer gleichen Klasse, sondern in Sommerschu­len, in denen sich die Gruppe wöchentlic­h, oder sogar täglich ändert.. In Rekordzeit

Celáa will auch Unterricht auf dem Hof: „Nutzen wir das gute Wetter.“

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Foto: Stefan Wieczorek Grundschul­e in Alicante: Corona-sichere Wege, aber noch keine Kinder.

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