Normal lernen
Kinder ohne Masken, Unterricht im Freien: Spanien überrascht mit Rückkehr zur Schule – Eltern vor harten Sommermonaten
Aufatmen nach ewigem Sommer: Bildungsministerin legt Pläne zum Schulstart im September vor
Endlich: Spaniens Regierung hat einen Plan für die Rückkehr zur Schule nach der Corona-Zwangspause veröffentlicht. Zum neuen Schuljahr im September 2020 kehren die Kinder in die Klassenräume zurück. Kein Unterricht übers Internet mehr also in den Grundschulen, wie im CoronavirusAlarmzustand – das bezeichnete Bildungsministerin Isabel Celáa (PSOE) am Freitag, 12. Juni, als „ absolut“sicher. Die Ankündigung bringt Erleichterung für die Familien, die drei Monate lang irgendwie Schule, Arbeit und Haushalt unter einen Hut und ein Dach bringen mussten. Doch die Lösung aus Madrid verwundert auch.
Denn: Bei der Rückkehr in die Schule werden die Kinder in ihren Klassen keine Sicherheitsabstände einhalten müssen und sich frei bewegen dürfen „ wie Familienmitglieder oder Bewohner einer Hausgemeinschaft“, erklärte Celáa. Allerdings würden die Klassen auf 15 bis 20 Kinder gekürzt. Coronavirus-freie „ Module“oder „ Blasen“(„burbujas“) entstünden auf diese Weise unter den Schülern bis zum Alter von zehn Jahren. Im Rest der Schule, unter Lehrern etwa, würden die in der Covid-19-Krise bewährten Sicherheitsabstände von „ mindestens 1,5 Metern“gelten.
Doch keine Virusschleudern
In den Coronavirus-freien „ Modulen“würden Masken und Abstände flexibel gehandhabt. Alles sei „ gut geplant“und von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen belegt, versicherte Celáa. Aktuelle Studien kämen zum Schluss, dass Kinder eben nicht die Sars-Cov-2Virenschleudern seien, als die man sie zu Beginn der Pandemie verdächtigt hatte. Die damalige Hypothese, so Celáa, sei für die Regierung nicht mehr aktuell. Die Ministerin habe schon die Autonomen Regionen Spaniens beauftragt, für den Schulstart im September die Räume zu „ optimieren“.
Das bedeutet: In den Grundschulen in Spanien sollen etwa Bibliotheken, Kantinen oder Mehrzweckräume für den Unterricht zur Verfügung gestellt werden, und auch der Hof. Celáa: „ Nutzen wir das gute Wetter“. Außerhalb der sicheren Module müssten Kinder ab sechs Jahren Masken tragen – ganz gemäß der Vorgaben Spaniens für die „ neue Normalität“, die ab 21. Juni gelten soll.
Für Eltern sind die Ankündigungen aus Madrid immens wichtig. Bisher hatte es unter Müttern und Vätern in Spanien oft geheißen: „ Ich glaube nicht, dass es im September wieder losgeht – was machen wir bloß dann?“
Aber nun haben sie es amtlich: Im September geht die Schule für spanische Kinder in den Klassen weiter. Ein großes Aufatmen müsste also durchs ganze Land gehen. Doch das tut es nicht. Denn bis zum Neustart im September sind es noch fast drei Monate, die mit Zeit und Aktivitäten für die Kinder gestaltet werden müssen. Tausende Eltern in Spanien fühlen sich erneut alleingelassen. Denn wie sollen sie die Ferien verbringen? In Alicante etwa endet das Schuljahr wegen des Feiertags zu den Hogueras de San Juan schon am 18. Juni. Ferienangebote wie sonst etwa die Sommerschulen fehlen wegen des Covid-19-Risikos oder sind stark eingeschränkt.
Es gibt zwar Alternativen zu den Sommerschulen. Sie sind jedoch teuer. Ein Beispiel aus Alicante. Hier bietet Enlody Sport, das normalerweise in öffentlichen Schulen Aktivitäten im Sommer organisiert, diesmal das Programm „ Monitor a domicilio“an. Rund fünf Kinder gleichzeitig werden von einem Betreuer in einem Haushalt betreut, es gibt Geschichten, Basteln, Förderunterricht. Aber dafür bezahlen die Eltern pro Woche knapp 300 Euro – für ein Kind. Für viele Alicantiner ist der Preis ein Monatsgehalt. Etwa für Ana María Martínez aus Alicante, die für eine Bank arbeitet.
Politische Spiele mit Schule
Ihr Arbeitgeber, so die Mutter zweier Grundschulkinder, gebe ihr nicht kurzfristig frei. Wenn sie darauf bestünde, drohe ihr sogar eine Versetzung. Bis jetzt wechselte sie sich bei der Kinderbetreuung mit ihrem Mann ab, da dieser – ein Beamter im Rathaus einer anderen Gemeinde – im Alarmzustand abends arbeiten durfte. Doch mit dem Ende des Alarmzustands am 21. Juni muss er wieder morgens ran. Keine Chance also, zu zweit die Kinder zu versorgen.
Lange drei Monate seit Beginn der Pandemie ohne Schule hatte die Familie ausgeharrt, in ihrer Wohnung in einer Hochhaussiedlung. „ Doch nun halten es meine Kinder zu Hause kaum noch aus, ärgern sich nur noch gegenseitig“, berichtet Martínez, die wir auf einem Spielplatz in Alicante treffen. Seit Montag – dem Eintritt in Phase 3 – sind hier Spielplätze wieder zugänglich, müssen aber desinfiziert werden. Und die Hitze macht sich gerade an der Costa Blanca früh am Tag bemerkbar.
In Madrid sähe es für die Familie eventuell besser aus. Hier kündigte das Rathaus gerade an, am 1. Juli Kindergärten und Grundschulen mit Sommer-Angeboten zu öffnen und auch ab 15. Juli Freizeiten zu veranstalten. Dazu hat das Rathaus seit dem Moment, wenn Spanien den Alarmzustand verlässt, das Recht. Viele Gemeinden im Land haben bereits nachgezogen. Und: Auch in Alicante hört man täglich von Angeboten, die eigentlich ausfallen sollten, und dann doch stattfinden würden.
Auf einmal scheint es kein Problem zu sein, dass Kinder aus unterschiedlichen Haushalten sich mischen – und das keineswegs in der immer gleichen Klasse, sondern in Sommerschulen, in denen sich die Gruppe wöchentlich, oder sogar täglich ändert.. In Rekordzeit
Celáa will auch Unterricht auf dem Hof: „Nutzen wir das gute Wetter.“