„Tourismus-Phobie“in Calp?
Freude an der Rückkehr der Besucher trifft auf Angst vor einer neuen Coronavirus-Infektionswelle
Calp – ste. „ Turismofobia“, Tourismus-Phobie, auch gern in ihrer Spezialform als „ Madrileñofobia“, Madrilenen-Phobie, ist das Modewort schlechthin in der „ neuen Normalität“nach dem Coronavirus. Doch ist dieses Gefühl auch an der Costa Blanca zu finden, die vom Tourismus lebt?
„ Tourismus-Phobie denken sich doch nur die Medien aus, um neue Corona-Geschichten zu bekommen. Wir Calpinos sind sehr dankbar, dass die Urlauber endlich zurück sind“, meint Julio Martínez, der als Schneider vor allem Calps Fiestas mit bunten Kostümen ausstattet. Er fürchtet, dass Berichte über Küstenbewohner, die Auswärtige ablehnen, dafür sorgen, dass die Saison nicht ins Laufen kommt. „ Es ist doch ganz einfach: Urlauber bringen Geld in die Wirtschaft und sichern das Auskommen der gesamten Gegend“, findet Martínez. „ Wenn wir wieder ‚ Normalität‘ haben wollen, müssen auch Touristen wieder kommen. Ein Sommer in Calp ohne Besucher ist ja nicht normal.“
Nicht auf Urlauber verzichten
Ganz so positiv sind aber nicht alle Calpinos den Auswärtigen gegenüber eingestellt. „ Wir hier in Calp waren wochenlang zu Hause, haben es geschafft, weitestgehend ohne Infektionen auszukommen und jetzt können wieder alle unkontrolliert von überall herkommen“, beschwert sich Apothekerin Mirella Blum. Doch gleichzeitig fragt sie sich, was aus der touristisch geprägten Gemeinde würde, falls die nationalen und internationalen Gäste nicht kämen. „ Unsere Wirtschaft hängt am Tourismus. Vielleicht wäre es an der Zeit, dieses Modell zu überdenken anstatt, wie es gerade ältere Menschen hier häufig tun, die Besucher zu verteufeln“, überlegt sie. Diejenigen Touristen, mit denen sie Kontakt hatte, seien auch sehr vorsichtig gewesen.
„ Meiner Erfahrung nach sind die Touristen sogar verantwortungsvoller als Einheimische“, erzählt María Munzo, die als Kellnerin abwechselnd im Restaurant der Eltern in der Altstadt und in einem Touristen-Restaurant am ArenalesStrand arbeitet. „ Leuten aus Madrid oder England ist die Pandemie viel bewusster, weil sie weit mehr darunter gelitten haben als wir“, überlegt sie. „ Einige liegen sogar mit Maske am Strand, das wäre mir persönlich viel zu heiß“, lacht sie.
Doch auch darin unterscheiden sich die Wahrnehmungen. „ Die Leute wollen einfach nur noch raus an den Strand, koste es, was es wolle“, meint Nuria Ruíz, die einen kleinen Schreibwarenladen in der Altstadt betreibt.
„ Am Wochenende wollte ich mit meiner Familie in eine Bucht in Jávea und die Polizei musste sie schließen, weil die Leute einfach die Abstandsregeln missachtet haben. Das finde ich sehr ignorant“, beschwert sie sich. Auf die Urlauber verzichten möchte aber auch sie nicht: „ In der Semana Santa haben wir sehr viel Verlust gemacht, obwohl bei uns kaum Touristen einkaufen. Aber die Calpinos, die bei uns kaufen, arbeiten überwiegend im Tourismus und haben kein Auskommen, wenn die Ausländer, Madrilenen und Co. nicht da sind“, erklärt sie.
Trotzdem werde ihre Familie jetzt wohl seltener an den Strand oder in die Stadt gehen als in anderen Jahren. „ Sicher ist sicher, ich habe große Angst vor einem neuen Lockdown“, gesteht sie. „ Die Ausländer werden am Flughafen zumindest kontrolliert, aber ein kranker Spanier kann ohne Probleme von A nach B kommen. Das bereitet vielen von uns ein ungutes Gefühl“, so Ruíz. Von einer „ Phobie“könne aber trotzdem keine Rede sind. „ Jeder ist in Calp willkommen, solange er sich verantwortungsbewusst verhält.“
Der Sommer muss die geplatzte Semana Santa abfedern.