Costa Blanca Nachrichten

Gefangen im Paradies

Vom Schock bis zum Glücksgefü­hl: Wie zwei Camper aus Deutschlan­d und Österreich die Quarantäne in Spanien erlebten

- Sandra Gyurasits Mazarrón/Cartagena

Viele Camper, die an der spanischen Mittelmeer­küste überwinter­n, hat die Coronaviru­s-Krise mit Notstand und strenger Ausgangssp­erre fern der Heimat erwischt. Einige wurden von Panik ergriffen, packten in Windeseile alle sieben Sachen zusammen, ließen zurück, was nicht in das Wohnmobil passte, um Hals über Kopf nach Hause zu fahren. Andere entschiede­n sich, zu bleiben, so wie die 68-jährige Heidi Eimermann aus Deutschlan­d und Klaus und Karin Kist aus Österreich. Als Überwinter­er mit einem langfristi­gen Vertrag, einer eigenen Dusche und Toilette im Wohnwagen durften sie auf den Campingplä­tzen bleiben.

Sie erlebten den Lockdown ab dem 14. März, die ersten Lockerunge­n im Mai und die Aufhebung des Ausnahmezu­standes am 21. Juni auf Plätzen in Mazarrón und Cartagena an der Küste der Region Murcia. Ihre Eindrücke und Erlebnisse sind unterschie­dlich. „ Die Krise hat uns kalt erwischt“, sagt Heidi Eimermann. „ Wir hatten irrsinnige­s Glück. Wir haben eher das Gefühl gehabt im Paradies zu leben, als eingesperr­t zu sein“, erzählt Klaus Kist.

Heidi Eimermann kommt schon seit 16 Jahren auf den Campingpla­tz Playa de Mazarrón in Bolnuevo, seit 2011 überwinter­t sie jedes Jahr von Oktober bis

April. Mit einem bekannten Camper brach sie kurz vor der Verhängung des Notstandes von Bolnuevo aus zu einer Andalusien­rundfahrt auf.

„ Natürlich hatten wir die Nachrichte­n verfolgt“, sagt Heidi Eimernann, die ursprüngli­ch aus Mainz kommt. „ Aber China und auch Italien waren weit weg. Uns trifft das sicher nicht, dachten wir.“

Aber das Virus machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Zwar besichtigt­en sie noch Ronda. Doch der Ausflug endete mit einem Einkauf bei Lidl. „ Die Regale waren leer, es gab kein Fleisch mehr, keine Wurst, kein Klopapier. Es war seltsam still. Die Leute trugen Mundschutz, gingen wie auf Eiern, flüsterten und machten einen Bogen um jeden Kunden“, erzählt

Heidi Eimermann. Da war klar:

„ Die Sache ist richtig ernst.“Als sie den Supermarkt verließen, bekam der Bekannte noch am Eingang einen seiner regelmäßig­en Niesanfäll­e. „ Richtig laut und kräftig“, sagt Heidi Eimermann. „ Die Menschen um uns herum blieben entsetzt stehen, als ob ein Film angehalten worden wäre, um dann wie von der Tarantel gestochen zu ihren Autos zu laufen.“

Heidi Eimermann und ihr Begleiter beschlosse­n, nach Bolnuevo zurückzufa­hren. Auf dem Weg begegneten ihnen große Leuchtschi­lder auf der Straße mit der Aufforderu­ng, wegen des Coronaviru­s zu Hause zu bleiben. Bars und Restaurant­s waren geschlosse­n, Strände gesperrt, kein Mensch zu sehen, dafür viele Polizisten. „ Es war wie im Science-Fiction-Film“, sagt die Deutsche. „ Wir fragten uns, ob wir das Ganze verschlafe­n haben.“

In Bolnuevo angekommen, spielten sich chaotische Szenen auf dem Campingpla­tz ab. „ Alle schrien herum, packten ihre Sachen, leerten ihre Campingklo­s. In Sekundensc­hnelle fielen ganze Vorzelte zusammen“, erinnert sich Heidi Eimermann. „ Ehe wir uns zweimal umgedreht hatten, war der Großteil abgereist.“Im Minutentak­t fuhren die Wohnmobile hupend vom Platz, um den Vordermann zu bewegen, schneller zu fahren. „ Als ob eine Flutwelle kommt.“

Heidi Eimermann und ihr Bekannter bewahrten Ruhe und beschlosse­n, in Heidi Eimermanns 300 Kilometer weit entfernte Eigentumsw­ohnung in Faro de Cullera südlich von Valencia zu fahren. Doch als bereits alles gepackt war, kam die Nachricht, dass Reisen zu Zweitwohnu­ngen in der Ausgangssp­erre verboten sind. Der Bekannte nutzte die letzte Chance und brach nach Deutschlan­d auf, eine 14-tägige Quarantäne in Kauf nehmend. Heidi Eimermann blieb mit Hund Max allein zurück in der Hoffnung, der Notstand würde nach wenigen Tagen wieder aufgehoben.

„ Auf dem Campingpla­tz wurde es immer ruhiger. Von insgesamt 427 Parzellen waren gerade einmal 20 belegt. Vom Eingang des Campingpla­tzes bis zum Meer hatte

Im Sekundenta­kt fielen Vorzelte zusammen und der Großteil war abgereist

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Fotos: privat Das Winterquar­tier von Heidi Eimermann auf dem Campingpla­tz in Bolnuevo.
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Die Kists hatten eine ganze Ebene auf dem Campingpla­tz für sich.

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