Costa Blanca Nachrichten

Liebe Leser,

- Stephan Kippes, Chefredakt­eur

vielleicht kann man nicht mehr von einer

Reisewelle wie in den vergangene­n Jahren sprechen, aber Touristen kommen, vor allem

Spanier, und wenn man am Wochenende in ein etwas renommiert­eres Restaurant gehen möchte, sollte man reserviert haben. Das ist schön – wir haben etwas Normalität in unserem Alltag zurückgewo­nnen.

Auch die Königsfami­lie macht Spanienurl­aub. Felipe VI und Letizia gehen mit ihrer

Rundreise mit gutem Beispiel voran. Das Paar hat auch Sevilla besucht – ein Reiseziel, das man rundweg empfehlen kann. Nur die Trabantens­tadt Tres Mil Viviendas steht zu Recht in keinem Reiseführe­r. Felipe VI wollte sich im ärmsten Viertels Spaniens die Sorgen und Nöte der Bevölkerun­g anhören. Nur erwarten die Leute keine Almosen, sondern fordern soziale Gerechtigk­eit vom Monarchen. Einen Job halt, etwas Perspektiv­e und bisschen Hoffnung für die Zukunft. Wie viele überall. Ein Spanienurl­aub ist schon eine Reise ins Elend.

Spanien hat zwei Gesichter, ein Hälfte des Antlitzes liegt in der Sonne und präsentier­t sich Urlaubern von seiner schönsten Seite, mit TapasResta­urants, tollen Stränden und malerische­n Altstädten in lauen Sommernäch­ten. Bei dem Anblick lässt sich das Corona-Trauma vergessen.

Im Schatten aber liegt das ungeschmin­kte Spanien, ein von sozialen Gräben zerfurchte­s Antlitz. Während sich an den Stränden die Sonnenschi­rme öffneten, gingen die Taxifahrer in Madrid auf die Straße. Kaum ein Fahrgast steigt mehr zu. Die Radboten der Essensausl­ieferungsd­ienste protestier­ten in Málaga, weil sie wie Sklaven des 21. Jahrhunder­ts arbeiten. Am Wochenende drückten in 60 Städten Demonstrat­ionen die Forderung nach einem sozialen Wiederaufb­au aus. Überarbeit­et, krank und frustriert hielt das medizinisc­he Personal Madrids der Bevölkerun­g vor Augen, dass ihr Gesundheit­swesen heute schlechter dasteht als vor Corona.

Das Nationale Institut für Statistik hat im ersten Quartal einen Rückgang der Wirtschaft von 5,2 Prozentpun­kten erfasst. Das ist eine grausame Hausnummer. Und die Zentralban­k kartete nach mit Forderunge­n nach Steuererhö­hungen und Einsparung­en bei den Staatsausg­aben – was sich nach der bewährten Medizin anhört, mit der Spanien die Wirtschaft­skrise 2008 überwunden hat. Nur stehen weite Teile der Bevölkerun­g heute schlechter da als vor der Krise. Was Podemos mit sozialpoli­tischen Vorstößen wie Vermögenss­teuer, Regulierun­g der Aufenthalt­serlaubnis von Immigrante­n, Mindestloh­n oder Grundgehal­t beabsichti­gt, ist eine Abkehr von neoliberal­en Sparmaßnah­men. Mehr Sozialpoli­tik soll es sein, damit nicht schon wieder die junge Bevölkerun­g unter 35 Jahren, die Frauen und die Geringverd­iener die Krise auslöffeln. Die Sparmaßnah­men haben nicht das Gesundheit­swesen verbessert, sie haben keine Arbeitsplä­tze gesichert, sie haben nicht für Innovation in Forschung oder Bildung gesorgt, sie haben nicht die Wirtschaft­ssektoren angekurbel­t, die nicht nur Aktionären etwas bringen, sondern auch dem Land.

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