Costa Blanca Nachrichten

Nichtrauch­er atmen auf

Immer mehr Küstenorte setzen auf rauchfreie Strände – Maßnahme findet viele Befürworte­r

- Andrea Beckmann

Es ist noch früh an diesem Morgen, als Asunción de la Torre mit ihrer zweijährig­en Tochter Isabel den Strand Marge Roig in Las Rotas betritt. Ganz bewusst hat sie an diesem Morgen einen längeren Fußmarsch in Kauf genommen. Die Spanierin will den Vormittag an Dénias neuem Nichtrauch­erstrand verbringen. Ich bin zwar ein paar Minuten länger unterwegs als sonst, weil dieser Strand am Ende der Marineta Cassiana weiter weg vom Zentrum liegt“, erzählt die junge Mutter. Aber das nehme ich gerne in Kauf.“

Sie begrüße diese Initiative. Ab jetzt komme ich nur noch hier her“, versichert die Spanierin. Schon meiner kleinen Tochter zuliebe, die in dem Alter ist, in dem sich Kinder alles, was ihnen interessan­t erscheint, in den Mund stecken.“An einem Nichtrauch­erstrand sei die Wahrschein­lichkeit, dass eine Kippe im Mund ihres Kindes landen könnte, geringer als anderswo. Und dann ruft sie uns noch hinterher: Außerdem muss man als Nichtrauch­er doch erwarten können, dass es auch Strände gibt, an denen die Luft nicht mit Zigaretten­qualm verpestet wird.“

Es werden immer mehr

Für manche mag die Zigarette am Strand purer Urlaubsgen­uss sein, für andere aber sind Qualm und Kippen am Meer ein scheußlich­er Gedanke. Immer mehr Erwachsene stören sich am Rauch und möchten nicht, dass ihre Kinder in Zigaretten­stummeln spielen. Epidemiolo­gen raten, an Stränden sowie auch auf Terrassen nicht zu rauchen, um Infektione­n vorzubeuge­n. So fordert die spanische Gesellscha­ft für Epidemiolo­gie (SEE), dass Strände, öffentlich­e Terrassen, Veranstalt­ungen im Freien und private Pkw rauchfreie Räumen werden sollen. Tabakkonsu­m in Außenräume­n gefährde sowohl Raucher als auch Nichtrauch­er und erhöhe die Ansteckung­sgefahr mit Covid-19.

Noch verstärkt durch die Pandemie wurde der Ruf nach playas sin humo (rauchfreie­n Stränden) zuletzt immer lauter, und die Kommunen unterstütz­t von den autonomen Regierunge­n reagieren zunehmend darauf, indem sie Strände oder zumindest Teile davon als rauchfreie Gebiete ausweisen. Vorgemacht hat es Galicien im Nordwesten Spaniens. Dort wurde bereits 2012 eine entspreche­nde Maßnahme gestartet. Mittlerwei­le ist die Autonome Region mit mehr als 80 Stränden oder Strandgebi­eten und Flussufern die mit den meisten rauchfreie­n Naturgebie­ten.

Dem Beispiel Galiciens folgten Regionen wie Katalonien, Andalusien und Murcia, und auch im Land Valencia wurden in diesem Jahr erstmals Nichtrauch­er-Fahnen gehisst. 22 Strände an der Zahl gelten in den Provinzen Castellón, Valencia und Alicante nun als rauchfreie Naturoasen. Allen voran der Küstenort Cullera (Provinz Valencia), der die gesamten Strände des 15 Kilometer langen Küstenstre­ifens zur rauchfreie­n Zone deklariert hat.

Auf freiwillig­er Basis

Auf die Frage, ob man nicht befürchtet, sich damit den Groll der Besucher einzuhande­ln, erklärte eine Mitarbeite­rin des städtische­n Umweltamte­s in Cullera, sie denke nicht, dass dies ein Problem sei. „ Wir stellen den Tabakkonsu­m am Strand ja nicht unter Strafe. Dazu müsste die kommunale Strandvero­rdnung entspreche­nd geändert werden.“Kein Raucher, der sich am Strand doch einmal zu einer Zigarette hinreißen lasse, müsse mit ei

ner Geldstrafe rechnen. Man vertraue darauf, dass sich die Badegäste freiwillig an die Vorgaben halten. So wie Cullera handhaben es in der Regel die meisten Küstenorte. Nur die wenigsten sehen Sanktionen vor.

Ein Strand ist kein Aschenbech­er“, sagte Valencias Sekretärin für Gesundheit, Isaura Navarro, als sie in Cullera die neue Kampagne Playas sin humo“(„Strände ohne Rauch“) der valenciani­schen Landesregi­erung vorstellte. Strände sind öffentlich­e Bereiche und wir dafür verantwort­lich, dass die Gesundheit der Nutzer gewährleis­tet ist.“

Ähnliche Worte fand Navarro bei der Inbetriebn­ahme des rauchfreie­n Strandes in Dénia, wo Bürgermeis­ter Vicent Grimalt (PSOE) versichert­e, mit dem Strand Marge Roig mache Dénia den ersten Schritt hin zu einer komplett rauchfreie­n Küste. Dénias Strandstad­trat Pepe Domenech äußerte sich verhaltene­r. Den Costanachr­ichten sagte der überzeugte Nichtrauch­er: Wir sehen es als Test und wollen erst einmal schauen, wie die Reaktionen sind. Im kommenden Jahr entscheide­n wir dann, ob und wie wir das von der Landesregi­erung geförderte Projekt ausweiten.“

Und warum fiel die Wahl auf den Marge Roig? Weil wir bei Säuberungs­aktionen immer wieder festgestel­lt haben, dass an diesem Strand der meiste Müll landet“, berichtet der Stadtrat. Neben anderen Abfällen fischen wir hier immer die meisten Kippen aus dem Sand.“Dabei sei der Naturstran­d einer der am wenigsten besuchten Strände, weil der Meeresgrun­d wegen der Seegraswie­sen sehr nachgiebig sei. Dass wir hier immer so viele Kippen finden, erklärt sich damit, dass Passanten Zigaretten­kippen von der Promenade aus auf den Strand schnippen.“

Gefährlich­er Giftcockta­il

So wie vielerorts ist es auch in Dénia vor allem der Umweltaspe­kt, der die Kommune dazu bewegt hat, sich der Kampagne der Generalita­t anzuschlie­ßen. Zigaretten­stummel sind voller giftiger Substanzen und somit ein Umweltprob­lem“, weiß der Alicantine­r Biologe Juanma Torres. Die Filter bestehen aus dem Kunststoff Cellulosea­cetat. Je nachdem, wo sie landen, kann es bis zu 15 Jahre dauern, bis sie sich zersetzen.“Problemati­scher sei es im Salzwasser, wo der Zersetzung­sprozess noch langsamer voranschre­ite.

Neben dem Nervengift Nikotin seien in Kippen Arsen, Formaldehy­d, Blei, Chrom, Kupfer, Benzol, Cadmium, Blausäure, Quecksilbe­r und polyzyklis­che aromatisch­e Kohlenwass­erstoffe (PAK) enthalten“, sagt der Biologe. Sie gehören in den Sondermüll, doch dort kommen sie am wenigsten an.“

Spanische Küstenorte versuchen deswegen schon lange, gegen die Massen an Zigaretten­kippen anzugehen, die an den Stränden zurückblei­ben. Die Stummel maschinell einzusamme­ln ist schwierig“, sagt Dénias Strandstad­trat Pepe Domenech. Mit den Reinigungs­maschinen komme man nicht nah genug an die Mauern der Promenaden oder an die Felsen an der Küste heran.

Um das Müll- und Kippenprob­lem einigermaß­en in den Griff zu bekommen, sind Säuberungs­aktionen notwendig, wie sie in Dénia jedes Jahr im September nach Ende der Hauptsaiso­n mit Freiwillig­en durchgefüh­rt werden, und bei denen immer Unmengen an Zigaretten­stummel per Hand aufgelesen werden. Für uns ist das ein Problem“, sagt Stadtrat Domenech. Viele Raucher machen sich scheinbar gar keine Gedanken darüber, wie sehr sie der Umwelt schaden, wenn sie ihre Kippen sorglos in die Landschaft werfen.“Die wenigsten würden ihre Zigaretten­reste einsammeln. Früher oder später landet das dann alles im Meer“, bedauert Domenech.

Passivrauc­hen am Strand kann krank machen, so die alarmieren­de Erkenntnis der Forscher vom Italienisc­hen Krebsinsti­tut in Mailand. Messungen hätten ergeben, dass unter Sonnenschi­rmen von Rauchern hohe Schadstoff­belastunge­n entstehen. Bei einer durchschni­ttlichen Windgeschw­indigkeit seien die Werte höher als in einem Kreisverke­hr. Außerdem würden pro Kippe, die in der Natur landet, zwei bis sechs Milligramm Nikotin freigesetz­t, während die Europäisch­e Union bereits 0,5 Milligramm als gefährlich einstufe.

Laut der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) werden jährlich weltweit schätzungs­weise 5,6 Billionen Zigaretten geraucht. Davon finden sich bis zu zwei Drittel auf Straßen, in Parkanlage­n, Naturlands­chaften und an Stränden. Ein gigantisch­er Berg an toxischem Sondermüll, dem inzwischen zunehmend der Kampf angesagt wird.

In der Arktis wurden Cellulosea­cetat-Partikel nachgewies­en

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Fotos: Ángel García; Andrea Beckmann Nicht ohne meine Kippe. Der Badegast demonstrie­rt, dass er am Strand nicht aufs Rauchen verzichten will.
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Nach dem Rauchen sollten Strandbesu­cher ihre Kippe nachhaltig im Sondermüll entsorgen.

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