Ab nach Hause
Reisewarnung für Spanien – Zäsur für verkorksten Start in neue Normalität
Nun hat auch Deutschland eine Reisewarnung für Spanien ausgesprochen. Die Corona-Krise nimmt für das Land, die hiesige Wirtschaft und für viele sich in Spanien aufhaltende Ausländer eine neue Dimension an. Dabei liegen die Corona-Fallzahlen nicht in allen Regionen jenseits des Grenzwerts der Bundesregierung, wenn sie auch tendenziell überall und sogar an der Küste nach oben gehen. Dementsprechend bitter nahm Spanien die Hiobsbotschaft auf.
Die Urlaubssaison ist inzwischen zwar längst abgeschrieben, die Folgen aber reichen viel weiter. Die nächste große Hürde muss das krisengebeutelte Land im September nehmen, wenn Arbeit und Schule beginnen.
Sevilla/Murcia/Valencia – sk.
Nun hat auch Deutschland Spanien mit einer Reisewarnung stigmatisiert. Damit nimmt die Coronaviruskrise in der sogenannten neuen Normalität für das Land, die hiesige Wirtschaft und auch für viele sich in Spanien aufhaltende Ausländer eine neue Dimension an. Die Corona-Fallzahlen liegen nicht überall jenseits des Grenzwerts der Bundesregierung, gehen aber tendenziell spanienweit nach oben. Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn liegt schon richtig mit der Feststellung, dass die Infektionszahlen in Spanien „ stark, zu stark“steigen – vor allem mit Blick auf September, den Schulanfang und die Rückkehr der Spanier zur Arbeit und das mögliche Einsetzen von Grippewellen.
Die Folgen der Reisewarnungen bekamen die Balearen schon ab Samstag zu spüren. Die großen deutschen Reiseveranstalter wie TUI haben am Wochenende rund 40.000 Deutsche aus Mallorca zurückgeflogen, aber praktisch keine neuen Urlauber auf den Balearen abgeliefert. Mit Ausnahme der Kanaren bieten diese Reiseveranstalter keine Pauschalreisen mehr nach Spanien an. Tourismusverbänden zufolge müssen die Balearen in den kommenden Tagen die Schließung von bis zu 400 Hotels verdauen. Der Sommer ist gelaufen.
Auch in anderen Regionen haben die Tourismusverbände nicht nur die Urlaubsaison, sondern das ganze Jahr abgeschrieben, Airlines wie Ryanair haben ihr Flugangebot drastisch heruntergefahren. Kein Wunder, mit der Reisewarnung bezwecken die Länder, ihre Bürger vor Reisen nach Spanien abzuhalten. Sie verpflichtet zudem Heimkehrer zu einem PCR-Test (mehr dazu siehe Service).
Die Entscheidung aus Berlin dürfte für die spanische Wirtschaft nur eine weitere Hiobsbotschaft in dieser neuen Normalität sein, die abermals die Balearen sowie die Mittelmeerküste von Katalonien bis nach Andalusien besonders hart trifft. Schließlich rät ja nicht nur Deutschland von Reisen nach Spanien ab, sondern auch andere wichtige Märkte, darunter Großbritannien oder der Nachbar Frankreich. Der Wirtschaftsmotor Spaniens – der Tourismus fuhr normalerweise zwölf Prozent für das Bruttosozialprodukt ein – stottert ja schon seit Jahresbeginn.
Das Ausmaß der Katastrophe lässt sich für das erste Halbjahr mit Einbrüchen bei den Urlauberzahlen und deren Ausgaben von um die 70 Prozent gut beziffern. 90 Milliarden Euro spülte der ausländische Tourismus 2019 ins Land. Sollten tatsächlich 60 Milliarden wegen des
Coronavirus wegbrechen, werden sich vor allem die Menschen an der Mittelmeerküste in diesen vom Tourismus viel zu abhängigen Gebieten im Herbst und Winter sehr warm anziehen müssen.
Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Spanien hat sich bei der Eindämmung des Virus Versäumnisse zuschulden kommen lassen, vor allem zu Beginn der neuen Normalität. Die Regionen hätten viel energischer gegen die ersten Infektionsherde vorgehen müssen, mit mehr Personal und einer konsequenteren Verfolgung der Infektionsketten das Malheur, wenn nicht verhindern, womöglich mindern können. Am Freitag nahm das Gesundheitsministerium schließlich wieder das Zepter in die Hand und stieß elf neue Verordnungen in den Regionen an, die aber allesamt nicht so effizient sein können wie eine konsequente Unterbrechung der Infektionsketten gewesen wäre.
Spanien hat das Nachtleben inzwischen ausgeknipst. Diskos, Nachtclubs und Pubs müssen dichtmachen. Lokale und Restaurants dürfen bis 24 Uhr Gäste einlassen und nach 1 Uhr keine Getränke mehr servieren. Trinkgelage im öffentlichen Raum sind seit jeher verboten. Des Weiteren gilt im öffentlichen Raum ein Rauchverbot. Sowohl auf der Straße als auch in den Außenbereichen der Gastronomie darf nur geraucht werden, wenn zwei Meter Mindestabstand gewährt sind. Bei privaten Treffen sollen höchstens zehn Menschen zusammenkommen. In Seniorenresidenzen dürfen die Bewohner nur noch den Besuch von einer Person und eine Stunde täglich empfangen, alle neuen Bewohner müssen sich einem PCR-Test unterziehen.
Das Gesundheitsministerium hat am Mittwoch 3.715 neue Coronavirus-Fälle gemeldet. Nach wie vor führt Madrid mit 1.535 die Liste mit den meisten Neuinfektionen an. Es folgen das Baskenland (472), und Aragón (466). Dann kommen schon Andalusien (261) und Katalonien (244). Valencia (64) und Murcia (14) liegen etwas weiter hinten, aber die Daten schwanken stark, es wird viel nachgemeldet und schwer durchschaubar gezählt.
An der Küste macht die Entwicklung in Dénia (Alicante) Sorgen, wo die Fallzahlen nach oben gehen, an der Costa Cálida spitzt sich die Situation in Cartagena, Murcia und Lorca zu und die Hotspots in Andalusien sind Almería, Roquetas, El Ejido, Málaga und Marbella.
Zentrales Kriterium für die Einstufung als Risikogebiet ist, in welchen Regionen es in den vergangenen sieben Tagen mehr als 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner gegeben hat. Sieben Regionen Spaniens einschließlich Mallorca lagen über dem Grenzwert, als die Reisewarnung verhängt wurde, inzwischen sind es neun. Spanien kommt auf 73,67 und absolut gezählt 34.645 Neuinfizierte binnen einer Woche. Man kann sagen, dass Spanien derzeit am Tag rund 3.000 Sars-CoV-2-Neuinfektionen zählt und Deutschland bei deutlich mehr Bevölkerung halb so viele.
Durch die Reisewarnung wird auch die Costa Blanca zum Risikogebiet, obwohl die ganze Region Valencia auf einen Wert von 35,11 bei absoluten 1.757 positiv Getesteten bei einer Bevölkerung von fast fünf Millionen kommt. Die Costa Cálida verzeichnet absolut nur 580 Infizierte und erreichte einen Wert von 38,92 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen. Auch Andalusien liegt am Mittwoch mit einem Grenzwert von 36,91 und 3.106 Neuinfizierten in einer Woche weit darunter.
Risikogebiet Mittelmeerküste
Sicher, die Mobilität zwischen den Regionen ist hoch, das Risiko schwer abschätzbar und der Trend geht nach oben. Dennoch bleibt der Eindruck, dass der Schutz der Bevölkerung vor möglichen Infektionen sehr ernst genommen wird. Erfahrungen zufolge bleibt es leider oft bei der Hoffnung, dass man dann auch Menschen mit ebenso großer Weitsicht in Schutz nimmt, wenn das soziale Elend um sich greift.
Sperrstunde in der Gastronomie und Rauchverbot gegen Corona