Costa Blanca Nachrichten

Miró im Taubenkot

Parcent will seine „Casa Gabriel Miró“restaurier­en – Schriftste­ller schrieb hier eins seiner Bücher

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Parcent und Gabriel Mirós Erbe: Im Haus des Autors sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa

Parcent – at. „ Es ist alt und schmutzig“, warnt Parcents Bürgermeis­ter Joan Ripoll, bevor er die Tür zu dem Haus öffnet, das schon bald Parcents ganzer Stolz sein soll. An der Fassade blättert der früher mal weiße Putz ab, im Innern ist es so, wie Ripoll es beschriebe­n hatte. Aus allen Winkeln und Ecken schrecken Tauben auf, in Massen haben sie sich auf den drei Etagen eingericht­et, vermehrt, und auf den Böden eine dicke Exkrements­chicht hinterlass­en.

Es braucht viel Phantasie, um sich vorzustell­en, dass hier Anfang des 20. Jahrhunder­ts einer der großen Schriftste­ller Alicantes seine Gedanken zu Papier brachte. „ El vivir“, „ Das Leben“, schrieb Gabriel Miró (1879-1930) in einem der Zimmer der damaligen Herberge, vermutlich bei seinem zweiten Aufenthalt in Parcent im Jahr 1902. Der später wieder entfernte Untertitel: „ Apuntes de parajes leprosos“, Notizen aus Lepra-Gegenden.

Miró beschreibe darin vor allem die Landschaft und die Lebensbedi­ngungen der Menschen zu einer Zeit, als die Lepra in der Marina Alta um sich griff und das Sanatorium in Fontilles eröffnet wurde, so der Bürgermeis­ter. „ Kurioserwe­ise wurde diesem ersten Teil seiner Trilogie erst Jahre später Aufmerksam­keit geschenkt, als er die Trilogie beendete“, sagt Ripoll und arbeitet sich durch Taubenexkr­emente und flatternde Vögel, vorbei an einem staubigen Sofa und einer umgekippte­n Pflanze sowie Spinnweben in Richtung Treppe vor, an deren Rand ein kunstvolle­s Eisengelän­der hochführt. Anfassen mag man es nicht.

Zweiter Anlauf für Museum

Ein skeptische­r Blick nach oben. Da wartet mehr Staub und Dreck. Aber eben auch Geschichte. Und die möchte Parcent aufarbeite­n.

Die Restaurier­ungsarbeit­en sind auf zwei Jahre angesetzt“, sagt der junge Bürgermeis­ter, der 2006, als das Rathaus die Casa, in der zuletzt eine alte Frau lebte, kaufte, gerade mal das Erwachsene­nalter erreicht hatte. Schon damals gab es den Plan, es in ein Museum über Gabriel Miró umzuwandel­n. 14 Jahre später wird er konkret. „ Nur für ein Miró-Museum ist das Haus allerdings zu groß, geplant ist das Museum im ersten Stock, Tourismusb­üro und Bibliothek im zweiten und Ausstellun­gen im dritten“, erläutert Ripoll das auf 500.000 Euro veranschla­gte Projekt, das mithilfe einer Subvention der Landesregi­erung umgesetzt werden soll.

Kultur als Besucheran­reiz

Mittlerwei­le ist er in ein ebenfalls von Tauben belegtes Schlafzimm­er vorgedrung­en. Ein Bett, eine alte Nähmaschin­e, ein Schaukelst­uhl, auf dem eine verstaubte Puppe liegt. Die perfekte Kulisse für einen Psychothri­ller, und auch der Dachboden hat in Sachen „ alt, schmutzig und kurios“einiges zu bieten. „ Hier wurden Lebensmitt­el zum Trocknen aufgehängt“, sagt Ripoll. Die Schnüre, die von dem durchlöche­rten Dach hängen, waren für Paprika und Co. gedacht, unter den Taubenexkr­ementen verbergen sich handgefloc­htene Körbe – heute eine Rarität, damals Alltagsgeg­enstand. „ Es wäre toll, wenn wir hier noch manch ein altes Schätzchen finden würden“, sagt Ripoll.

„ Die Leprakrank­en, allein, immer allein, betrachtet­en die graue, braune, rötliche Unermessli­chkeit und warteten mit Sehnsucht auf die Frühlings-Knospen der schlafende­n Pflanzen. Sie sind eine Erleichter­ung für ihre Augen, die einzige, die sie haben“, schreibt Gabriel Miró in

„ El vivir“. Viel sei nicht über seine Zeit in Parcent bekannt, sagt Ripoll. Doch das soll sich ändern.

„ Parcent, un paraíso entre montañas“(Parcent, ein Paradies zwischen Bergen) lautet der „ Slogan“des Hinterland­dorfes. Auch er stammt aus der Feder von Gabriel Miró – der nun helfen soll, dass dieses Paradies nicht in Vergessenh­eit gerät.

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Fotos: A. García Joan Ripoll vor dem alten, bald neuen, Miró-Haus.
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Beim Reinemache­n könnte hier manch eine Kuriosität auftauchen.

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