Liebe Leser,
der Sommer ist vorbei. Der Kalender mag etwas anderes sagen, aber in der Coronavirus-Ära hat die Welt sich wie ein Teller auf dem Zeigefinger eines geschickten Kellners zu drehen. Geht raus und kurbelt die Wirtschaft an, gab uns ja Ministerpräsident Pedro
Sánchez mit auf den Weg in die neue Normalität. Nun, in der kruden Realität und im
Angesicht der zweiten Welle, wäscht der
Regierungschef uns den Kopf, weil wir –
Sie, ich und wohl alle tragen eine Mitverantwortung für die in die Höhe schießenden Neuinfektionen – weil wir Corona-Vorsichtsmaßnahmen über Bord geworfen haben. Sie werden doch nicht etwa an der Bar-Terrasse ihre E-Zigarette gepafft haben oder laue Sommerluft maskenfrei in ihre Lungen eingesogen haben – oder?
Der Sommer, oder was die Nachrichtenwelt darunter versteht, entpuppte sich entgegen aller Hoffnungen zu Beginn der neuen Normalität als eine Katastrophe – jedenfalls in wirtschaftlicher, medizinischer und jeglicher Hinsicht aus der Perspektive Regierender. Die Madrider Regierung bemüht sich, kein Öl ins Feuer zu gießen und schließt landesweite Quarantänen aus, derweil machen auf regionaler Ebene die Dörfer und Städte dicht. Geben Sie sich keinen Illusionen hin – das wird so weitergehen. Nur zieht sich die Regierung aus der Verantwortung und delegiert sie weiter, an die Regionen und an Sie, mich und alle. Langsam bekommt Madrid mit, dass der Bogen überspannt wird. Gesundheitsminister Salvador Illa orakelte bereits, das Land brauche keine weiteren Corona-Schutzmaßnahmen, es gelte, die bestehenden einzuhalten. Vielleicht paffen Sie aber lieber ihre E-Zigarette auf der Terrasse ihrer Lieblingsbar und warten darauf, dass sich Ihre Ahnung bestätigt und nach der Demo am Samstag die Infektionen nicht steigen, um flugs ins Lager der Berlin-Sympathisanten zu wechseln. Ich könnte Sie verstehen. Ich teile Ihren Frust über den immensen Schaden, die Maßnahmen anrichten, deren Sinn kaum jemand mehr nachvollziehen kann. Ich warne Sie trotzdem eindringlich, tun Sie es nicht. Meinen Sie doch über die Zahlen und die Verlässlichkeit der PCR-Tests, was Sie wollen.
Mir bleiben glücklicherweise nur wenige Zeilen. In denen möchte ich Sie auf etwas aufmerksam zu machen, das weder Sánchez-Fans noch CoronaLeugnern schmeckt, aber woran es nichts zu rütteln gibt. Das sind die Toten, die kalte statistische Zahl der Menschen, die in einem normalen Jahr nicht gestorben wären. 45.000 bis 50.000 Menschen sind es den Erhebungen zweier so renommierter Institute wie dem Nationalen Institut für Statistik und dem Instituto Carlos III zufolge, und nicht 30.000 wie die Regierung sagt. Führen Sie sich die Dimension vor Augen – Corona hat eine Stadt wie Dénia beerdigt, nicht die Grippe, Autounfälle oder Ehepartner – nur Corona. Allein in der ersten Augusthälfte liegt die Zahl bei 2.500. Setzen Sie bitte Ihre Maske auf, halten Sie Abstand und reinigen Sie Ihre Hände – und das mit der EZigarette klären Sie mit dem Wirt und Ihrem Gewissen ab.