Liebe Leser,
in Spanien läuten die Schulglocken. Mitten in der Corona-Pandemie kehren über acht
Millionen Schüler in die Klassenzimmer zurück, dank einer beeindruckenden Anstrengung von Lehrern, Familien und Politik konnten die meisten Kinder die Schule starten. Nur das zählt erst einmal. Dass Rückschläge nicht ausbleiben würden, war abzusehen. Im Baskenland musste bereits die erste Schule wegen Coronainfektionen schließen – das ist schade. In Madrid kündigen Lehrer für das Wochenende Demonstrationen an – wohl zu Recht. Acht von zehn Eltern trauen laut dem Portal Acierto dem Frieden nicht und halten die Vorsichtsmaßnahmen an den Schulen für unzureichend – normal, sind ja ihre Kinder, die sie den Schulen anvertrauen. Trotzdem: Spanien mag immer mehr einem alten Laster gleichen, der sich mit Beulen und platten Reifen durch die apokalyptische Szenerie dieser Pandemie quält. Sein Ziel kann er aber nur erreichen, wenn er trotz aller Pleiten, Pech und Pannen in Bewegung bleibt.
Das Ziel rückt in immer weitere Ferne. Der Pharmakonzern AstraZeneca hat die dritte Testphase für den Covid-19-Impfstoff unterbrochen, weil einer der Probanden erkrankt ist. Die Hoffnung bröckelt, schon im Dezember über einen Impfstoff zu verfügen. Bei erst einmal drei Millionen Einheiten für Spanien müsste man mit Risikogruppen beginnen, also vorneweg mit dem Personal in Krankenhäusern und mit Senioren. Das bremst die Ausbreitung des Virus nicht und nimmt nur bedingt den
Druck von den Krankenhäusern. Man darf sich keinen Illusionen hingeben: Ein baldiges Ende der Corona-Epidemie ist noch nicht in Sicht.
Die zweite Welle wird weiter an Schwung aufnehmen. Bei einer Belegung von 7,4 Prozent mit Covid-19-Patienten sind die Krankenhäuser von einem Kollaps noch weit entfernt. Neuinfektionen von 9.000 pro Tag und bei ansteigender Tendenz sind aber viel zu viel, selbst wenn der Anteil der Personen hoch ist, die keine Symptome entwickeln. Ein Krisenherd in einem Ballungsgebiet wie Madrid reicht, um die Kräfte des Gesundheitswesens zu binden. Gerade im Herbst und Winter treiben andere Volkskrankheiten auch ihr Unwesen und eine medizinische Behandlung benötigen auch Patienten, die nicht an Covid-19 leiden. Der Anteil eingewiesener Corona-Patienten in den öffentlichen Krankenhäusern Madrids lag am 20. August bei 9,4 Prozent, drei Wochen später erreicht er 19 Prozent. Man kann sich ausmalen wie hoch er im November sein wird. Man muss diese Tendenz endlich bremsen oder besser noch umkehren.
Was schlimm ist, Corona lenkt von strukturellen Problemen ab, die dem Land in vielen gesellschaftlichen Bereichen die Luft für seine zukünftige Entwicklung abschnüren. Das fängt bei der Bildung an und hört bei den Renten auf. Und es ist niemand da, der gegensteuert. Stattdessen gibt die Politik in Kongress und Senat ein Bild ab, dass eher einer Totalblockade gleicht. Es fehlt nicht mehr viel, und der Laster steckt im Dreck.