Rascher Anstieg
Coronavirus-Infektionen nehmen in Spanien stark zu
Die Coronavirus-Infektionen steigen in ganz Spanien stark an. Derzeit leidet vor allem der Norden des Landes unter der Covid-19Pandemie. Ganz Navarra steht unter Quarantäne, Städte wie Salamanca oder Burgos werden abgeriegelt. Einige Regionen fordern die Einführung einer Sperrstunde, um die Infektionen im sozialen Bereich unter Bekannten und Freunden einzudämmen. Das Land steht abermals vor dem Ausnahmezustand. Derweil protestiert die
Gastronomie gegen Auflagen, die viele Unternehmer aus der Branche in die Existenznot treiben. Noch stehen Valencia, Murcia und Andalusien relativ gut da die Lage kann sich jedoch von heute auf morgen ändern.
Alicante/Murcia/Málaga – sk.
Die zweite Welle der Corona-Pandemie hat Spanien und weite Teile Europas in dieser Woche überrollt. Schlag auf Schlag haben Kommunen, Regionen und Zentralregierung auf die zunehmenden Infektionen reagiert. Die ganze Region Navarra steht unter Quarantäne, La Rioja zieht nach, Kastilien León hat die historische Universitätsstadt Salamanca und die Jakobsweg-Stationen Burgos und León dichtgemacht, auch in Zaragoza, Teruel, Huesca und Madrid kommt niemand ohne triftigen Grund rein oder raus. Der Aufruf von Bundeskanzlerin Angela Merkel „ Bleiben Sie bitte zu Hause“macht in Spanien nicht nur mit Absperrungen Schule.
Die Region Madrid hat der Zentralregierung vorgeschlagen, eine nächtliche Ausgangssperre wie in Paris oder Marseille spanienweit einzuführen – was eine Rückkehr zur Notstandsregelung nach sich ziehen könnte. Und der Vorschlag findet grundsätzlich Zustimmung. Das Land steht abermals vor dem Ausnahmezustand. Es gibt wenig zu beschönigen in Spanien. „ Wir stecken mitten in der zweiten Welle und in einigen Teilen unsreres Landes ist die Pandemie nicht mehr unter Kontrolle“, sagte Gesundheitsminister Salvador Illa. Am Mittwoch hat das Land die psychologische Grenze der eine Million-Coronavirus-Infizierten seit Ausbruch der Pandemie gerissen. Kein Land in der EU verzeichnet mehr Infizierte.
Die Inzidenz von 100.000 PCR-getesteten Einwohnern binnen sieben Tagen liegt mit 169,17 mehr als ein Dreifaches über dem Maß, das der Chef des Krisenstabs, Fernando Simón, für vertretbar hält. Navarra mit 543,25 rangiert jenseits von Gut und Böse.
Nichts deutet darauf hin, dass die Ausbreitung der Pandemie an
Schwung verliert. Minister Illa rechnet mit „ schweren Monaten“. Das Gesundheitsministerium appelliert an Senioren über 65 Jahren, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Der Sars-CoV-2 greift wieder verstärkt ältere Semester an, weil sich das soziale Leben wieder verstärkt in Innenräumen abspielt. Das Land verzeichnet einen Sterblichkeitsexzess in diesem Jahr von über 60.600 Menschen und damit greift das Institut Carlos III niedrig.
Das sind nicht nur Zahlen oder Statistiken. Kataloniens Krankenhäuser müssen wohl ab kommender Woche Operationen verschieben, um die Covid-19-Patienten versorgen zu können. Die Krankenhäuser in Spanien mussten vergangene Woche fast 4.000 Patienten mit Coronavirus stationär versorgen.
44.000 Bars und Restaurants müssen in Katalonien schließen. Am Wochenende warfen Betreiber und Angestellte des Sektors mit Eiern auf den Regierungssitz der Generalitat. Derweil stehen in einigen Vierteln Madrids die Menschen vor den Ausgabestellen der Hilfswerke Schlange, weil sie nicht genug zum Anziehen oder zu essen haben. Das Hilfswerk Save the Children warnt vor der Zunahme der Kinderarmut, die in Europa fast nirgendwo so krasse Ausmaße annimmt wie in Spanien.
Es gibt natürlich „ Inseln“, an der die zweite Welle vorbeizieht. Einige Wochen wies Valencia die besten Infektionszahlen des Festlands auf. Nun hat sich Asturien wieder nach vorne geschoben, wobei die am Dienstag vermeldeten Inzidenzen von 66,81 und 69,81 keine der beiden Regionen mehr als gut bezeichnen kann. Fakt ist vielmehr, dass mit den Ausnahmen der Kanaren alle Regionen auf Rot in dem Ampelwarnsystem der Weltgesundheitsorganisation stehen.
Zumal Valencia am Dienstag mit 1.318 Neuinfizierten dem Gesundheitsministerium einen Rekord melden musste, am Vortag waren es 286. Mittwoch rückte sich die wieder etwas ein mit 603 Neuinfizierten, aber die Ausbrüche nehmen zu drei Ausbrüchen in Elche, einen in Torrevieja, einen in Orihuela und einen in L’Alfàs del Pi scheint sich die Pandemie wieder an der Costa Blanca einzunisten.
Gleichzeitig beginnen sich die Krankenhäuser zu füllen. In der Provinz Alicante benötigen 254 Covid-19-Patienten eine stationäre Behandlung, 52 auf der Intensivstation. „ Die Situation könnte sich verschlechtern, wenn die Kälte einbricht“, meint die Gesundheitsministerin Ana Barceló. Wegen der Ansteckungsgefahr bei sozialen Treffen, Trinkgelagen, Feiern in Privatwohnungen und Halloween prüft die Landesregierung, ob sie sich für eine nächtliche Sperrstunde starkmachen soll.
Derweil zählt die Marina Alta von Dénia bis Calp bald zu den Gebieten mit den niedrigsten Inzidenzen in Europa. Mit gerademal 26,7 trennt den Kreis nur wenig von der 25-Marke – die niedrigste Stufe der EU zur Einstufung der Pandemie. Rings herum aber verschlechtert sich die Situation zusehends, und eine „ Insel“ist die Marina Alta eben doch nicht.
Die Landesregierung sah sich gezwungen, am Wochenende die Einschränkungen in vier Gebieten Valencias – darunter Orihuela und Elche–zu erhöhen, weil die Behörden der G es und heits bezirke die Neuinfektionen nicht mehr nachverfolgen konnten, sie können nicht mehr zuordnen, wer sich wo angesteckt hat. „ Das bedeutet, dass sich das Virus in den betroffenen Gemeinden allgemein ausbreitet“, begründete Landes g es und heits ministerin An aB arcelódieEnt scheidung. Die Ausbrüche scheinen in Elche außer Kontrolle geraten zu sein. Für die ganze Region hat Valencia neue Einschränkungen in der Gastronomie und dort speziell den Thekenbereich beschlossen. An der Bar muss ein Mindestabstand von eineinhalb Metern zu anderen Gästen gewährleistet und ausgewiesen sein. Gruppen von maximal vier Personen dürfen an der Theke sitzen. Alle anderen Auflagen wie Rauchverbot und Zapfenstreich wurden verlängert.
Wie im Frühjahr, hat die wissenschaftliche Fachzeitschrift„ T he Lancet“in einem Beitrag namens „ Covid-19 Spanien: Ein vorhersehbarer Sturm“abermals das Management der Krise in Grund und Boden analysiert. Wieder mangelt es an der Basis, bei Analyse, Nachverfolgung und Isolierung Infizierter. Derweil überschlägt sich das Land mit Quarantänen, Absperrungen sowie Einschränkungen der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit– Maßnahmen, die nur ihren Zweck erfüllen, wenn getestet, nachverfolgt und isoliert wird. Dafür braucht es aber Personal und Investitionen ins Gesundheitswesen. Versäumnisse bezahlen wieder die Bürger mit Ausgehsperren, Abriegelungen, Sperrstunden.
Menschen stehen wieder vor den Ausgabestellen Schlange für Essen