Nicht zu bremsen
Coronavirus breitet sich unkontrolliert aus – Neue Variante entdeckt
Die Sperrstunde reichte wohl nicht, das Abriegeln der Regionen brachte auch noch nicht die gewünschten Ergebnisse, und nun rufen die ersten Regionen im zermürbenden Kampf gegen das Coronavirus schon wieder nach Hausarrest und Quarantäne. Doch auch die Skepsis und der Widerstand gegen die Coronapolitik nehmen zu – obwohl das Virus sich weiter ausbreitet, Krankenhäuser überlastet und Seniorenresidenzen angreift. Bisher hat keine Maßnahme sich als Wunderwaffe erwiesen. Nun haben Forscher auch noch eine neue Variante des Virus entdeckt, was nur unterstreicht, wie schnell es sich ausbreitet und wie schwer Sars-CoV-2 oder 20A.EU1 zu stoppen sind.
Erst kam die Sperrstunde, dann riegelten sich die Regionen ab und nun steuert das Land mit dem Zwischenstopp Endstation Gastgewerbe“scheinbar geradewegs auf den Hausarrest zu. Einige Regionen wie Kastilien und León und Asturien arbeiten darauf hin und fordern die Regierung auf, Verantwortung“zu übernehmen und eine Ausgangssperre zu verhängen, wie sie bereits in Großbritannien oder Frankreich gilt. Dafür müsste aber die Notstandsregelung überarbeitet und dem Parlament vorgelegt werden ein Schritt, vor dem die Regierung Pedro Sánchez sich scheut. Nichtsdestotrotz steht das Thema zur Debatte.
Dabei liegen Maßnahmen wie die Abriegelungen der Regionen und die Sperrstunde ab 23 beziehungsweise 24 Uhr gerademal eine Woche zurück. Richtig Wirkung können sie noch nicht entfaltet haben. Valencias Ministerpräsident Ximo Puig warnte davor, sich mit Coronavirus-Maßnahmen zu überschlagen“und zwanghaft“welche zu erlassen. Das entspricht nicht der Seriosität und Ernsthaftigkeit, mit der wir Bürgern jetzt begegnen müssen“, sagte er. Trotzdem kündigt er an, am Freitag weitere Gemeinden mit hohen Infektionszahlen abzuriegeln und weitere Auflagen für soziale Treffen zu erlassen.
Auch Gesundheitsminister Salvador Illa verlangt Aufschub. Manche Regionalregierungen scheinen sich von stark steigenden Fallzahlen mitreißen zu lassen. Murcia macht ab Samstag das Gastgewerbe komplett zu, auch Asturien und Kastilien León schließen alle Bars und Restaurants, Navarra, Melilla und Katalonien haben es bereits getan. Nun bleibt wenig, was noch zu verschärfen oder verbieten ist, um das Virus einzudämmen.
Nicht nur Neuinfektionen, Inzidenzen, Krankenhausauslastungen und Covid-19-Tote gehören zu den Faktoren, die es bei der Pandemie zu berücksichtigen gilt. Während am Wochenende in Krankenhäusern Hunderte Covid-19-Patienten litten und starben, flogen in mehreren Städten auf den Straßen Steine und Eier und es brannten Container. Dieses Phänomen gehört jetzt auch zu dieser Gesundheitskrise, denn die Vorbehalte gegen die Einschränkungen von Bürgerrechten werden sich vielleicht auf verschiedene Arten äußern, abreißen werden sie in Spanien nicht mehr. Das medizinische Personal protestierte bereits, das Gastgewerbe auch und im Tourismussektor brodelt es längst. Die Regierung muss wieder gleichzeitig das Gesundheitswesen schützen und dabei verhindern, die Wirtschaft ganz zu ruinieren und das Volk noch weiter in Armut und Arbeitslosigkeit zu treiben. Zufriedene Gesichter wird man bei der Aufgabe nicht sehen und zwar in keinem Sektor.
Derweil breitet sich das Coronavirus weiter in Spanien unkontrolliert aus. Es befällt wieder Seniorenresidenzen und bringt Kliniken an den Rand ihrer Kapazitäten. Das valencianische Gesundheitswesen steht im Vergleich zu den anderen Regionen Spaniens gut da, mit einer Auslastung von 13,02 Prozent von Covid-19 Patienten in stationärer Behandlung und 21,91 Prozent auf den Intensivstationen.
Diese Zahlen spiegeln jedoch nicht die großen regionalen Unterschiede wider. Das Hospital General in Valencia dient den Abendnachrichten als Paradebeispiel der Kliniken, die auf Überlastung zusteuern. Auch in Elda und Orihuela haben die Hospitäler zu kämpfen. Und das obwohl keine Region auf dem spanischen Festland eine 14-Tage-Inzidenz von 262,52 wie Valencia vorweisen kann (die sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 104,56) Da liegt Murcia mit 604,59 viel näher am schlechten Spanienschnitt von 528,75.
Die Entwicklung nimmt besorgniserregende Ausmaße in Andalusien an, wo am Mittwoch 563 Neuinfektionen registriert wurden. Die Gesamtzahl der Fälle in Andalusien steigt auf 152.590 und die 14-Tage-Inzidenz von Neuinfizierten liegt bei 547,46 oder nach der in Deutschland üblichen SiebenTage-Inzidenz bei 243,77 Neuinfektionen unter 100.000 Einwohnern. Derweil liegt die Auslastung der andalusischen Krankenhäuser mit 3.222 Covid-19-Patienten bei 19,11 Prozent, 433 müssen auf Intensivstationen (UCI) behandelt werden. Auch in Murcia steuert die Auslastung der UCIs auf 21 Prozent zu, die Auslastung der Krankenhäuser mit Covid-19-Patienten liegt bei 14,04 Prozent.
Die Wissenschaft trübt ebenfalls die Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Epidemie. Wie Forscher der Universität Basel festgestellt haben, entstand im Sommer unter den Landarbeitern Kataloniens oder Aragóns eine Mutation des Coronavirus. Mit der Öffnung der Grenzen verbreitete sich die
Variante 20A.EU1 in anderen Ländern Europas, vor allem in Großbritannien.
Noch nicht bekannt ist, ob und wie sich die Wandlungsfähigkeit von Sars-CoV-2 auf die Entwicklung eines Impfstoffs auswirkt. In den Coronavirus-Krisengebieten in Zentralspanien und im Nordosten käme diese Variante in 80 Prozent der Virussequenzen vor. 20A.EU1 gilt auch nicht als einzige Variante, die in Europa ihr Unwesen treibt. Womit die Wissenschaft zum Schluss kommt, dass die Maßnahmen im Sommer nicht ausreichten, um die Verbreitung des Virus und neuer Varianten zu stoppen.
Das Hospital General in Valencia als Beispiel für überlastete Krankenhäuser