250 Jahre Beethoven:
250 Jahre Beethoven: In Madrid großes Musiker-Rätsel gelöst – Wie die Oma den Komponisten prägte
In Madrid großes Musiker-Rätsel gelöst – Wie die Oma den Komponisten prägte
Spanisch an Beethoven kam der Welt seit langem einiges vor. Nehmen wir seine Tempoangaben. Als einer der ersten nutzte der Komponist ein Metronom, frisch von Johann Mälzel erfunden. Präzise maß es die Geschwindigkeit. Die alten Angaben wie „ allegro“oder „ andante“schienen passé. Die neuartigen Angaben in Beethovens Partituren waren aber gar nicht so klar, wie es das Gerät versprach. In ein unspielbar schnelles Tempo kleidete das Genie einige seiner Stücke. Lange ignorierten Musiker den Umstand, spielten einfach so, wie sie konnten. Nun aber soll das Rätsel gelöst worden sein. Wo? In Spanien.
Zum großen Jubiläum – 250 Jahre Ludwig van Beethoven – veröffentlichten zwei junge Musikwissenschaftler aus Madrid das Ergebnis ihrer spannenden Studie. Dazu gleich mehr. Überlegen wir aber noch, ob es nicht logisch ist, dass gerade Spanien die Welt über das Tempo des Komponisten aufklärt. Denn Beethoven war Spanier, zumindest zu einem Viertel.
Liebesdreieck ohne Happy End
Ja, von Beethoven weiß man gar nicht so viel, wie es scheint. Nicht einmal, wann er in Bonn geboren wurde. Der 17. Dezember 1770 ist das Datum seiner Taufe. Sicherer ist die Herkunft seiner Oma, María Josefa Poll, die wohl im Erbfolgekrieg aus Spanien nach Deutschland floh. Dieser Akzent in Beethovens Leben lag lange im Dunkeln. Zur Vorfahrin gaben Biographien meist einfach keine Herkunft an. Amerikanische Forscher waren die ersten, die die Spanierin als solche bezeichneten. 2018 tat dies auch der Spanier Andrés Ruiz Tarazona im Buch „ España en los grandes músicos“.
Darin akzentuierte der Musikforscher, dass Beethoven sein Leben lang ein Faible für Spanien zeigte. Seine einzige Oper „ Fidelio“spielt in Sevilla. Auch mit „ Egmont“widmete er ein Werk einem Helden des spanisch-französischen Kriegs. Immer habe er sich für Nachrichten aus Spanien interessiert. So habe Beethoven seinen Neffen Karl auf eine spanische Schule geschickt. Errichtet hatte sie in Wien der Aristokrat Cayetano Anastasio del Río. Mit diesem war Beethoven befreundet und dadurch in ein tragisches Liebesdreieck verwickelt. Denn del Ríos Tochter Nanny gefiel dem Komponisten außerordentlich gut, er ihr allerdings nicht so. Stattdessen stellte ihre Schwester Fanny ihm nach – was er wiederum nicht wollte.
Ein Happy End war dem deutsch-spanisch-Wiener Dreieck zwar nicht vergönnt. Jedoch habe Familie del Río dem Komponisten immer herzlichst beigestanden – ob bei Wutzuständen, Krankheiten oder Melancholien – wie sonst kaum jemand, erzählt Ruiz in „ El País“. Die del Ríos schienen sich an Beethovens aufbrausendem Temperament weniger zu stören – vielleicht, weil sie Spanier waren?
Fest steht, dass Beethoven in Spanien im 19. Jahrhundert absolut in war. Mit seiner Musik gründete sich etwa 1863 die Sociedad de Cuartetos in Madrid. Groß feierte Spanien die Premiere aller seiner Werke, vor allem „ Fidelio“im Teatro Real. Über den Mythos Beethoven debattierte im 20. Jahrhundert Spaniens großer Essayist José Ortega y Gasset. 1927, hundert Jahre nach Beethovens Tod, verglich Spanien ihn mit Goya, der nur ein Jahr nach ihm starb.
Sagenhaft spielte das RTVEOrchester 1965 im Teatro de la Zarzuela Beethovens fünfte Sinfonie. Und, und, und. Auch im Jubeljahr 2020 war Spanien mit Beethoven-Hommages von Anfang an vorn dabei. Zum Glück. So gab es noch vor Corona die Musik des Deutschen, der eine Prise Spanien in sich trug, live zu hören.
Das Gerät war nicht defekt
Nun zu des Tempo-Rätsels Lösung. 170 Stunden Musik analysierten die Musikforscher Almudena Martín und Iñaki Úcar, kauften Metronome, nahmen sie auseinander, rechneten, maßen, spielten nach. Erst nach einem Jahr fiel der Groschen: Beethovens Gerät war nicht defekt, wie viele dachten. Aber er las es falsch..
Am kleinen Gewicht an der Nadel nahm er die Zahlen unten, statt oben. Das führte zur Differenz von zwölf Schlägen, die Musiker zweier Jahrhunderte zur Verzweiflung trieb. Offenbar hatte das temperamentvolle Genie die Gebrauchsanweisung nicht gelesen. Wie es Millionen passiert, etwa wenn sie ein neues Spielzeug zu Weihnachten bekommen. Millionen Spaniern, Millionen Menschen.
Kein Zufall also, dass Beethoven ein auffälliges Faible für Spanien zeigte.