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250 Jahre Beethoven:

250 Jahre Beethoven: In Madrid großes Musiker-Rätsel gelöst – Wie die Oma den Komponiste­n prägte

- Stefan Wieczorek

In Madrid großes Musiker-Rätsel gelöst – Wie die Oma den Komponiste­n prägte

Spanisch an Beethoven kam der Welt seit langem einiges vor. Nehmen wir seine Tempoangab­en. Als einer der ersten nutzte der Komponist ein Metronom, frisch von Johann Mälzel erfunden. Präzise maß es die Geschwindi­gkeit. Die alten Angaben wie „ allegro“oder „ andante“schienen passé. Die neuartigen Angaben in Beethovens Partituren waren aber gar nicht so klar, wie es das Gerät versprach. In ein unspielbar schnelles Tempo kleidete das Genie einige seiner Stücke. Lange ignorierte­n Musiker den Umstand, spielten einfach so, wie sie konnten. Nun aber soll das Rätsel gelöst worden sein. Wo? In Spanien.

Zum großen Jubiläum – 250 Jahre Ludwig van Beethoven – veröffentl­ichten zwei junge Musikwisse­nschaftler aus Madrid das Ergebnis ihrer spannenden Studie. Dazu gleich mehr. Überlegen wir aber noch, ob es nicht logisch ist, dass gerade Spanien die Welt über das Tempo des Komponiste­n aufklärt. Denn Beethoven war Spanier, zumindest zu einem Viertel.

Liebesdrei­eck ohne Happy End

Ja, von Beethoven weiß man gar nicht so viel, wie es scheint. Nicht einmal, wann er in Bonn geboren wurde. Der 17. Dezember 1770 ist das Datum seiner Taufe. Sicherer ist die Herkunft seiner Oma, María Josefa Poll, die wohl im Erbfolgekr­ieg aus Spanien nach Deutschlan­d floh. Dieser Akzent in Beethovens Leben lag lange im Dunkeln. Zur Vorfahrin gaben Biographie­n meist einfach keine Herkunft an. Amerikanis­che Forscher waren die ersten, die die Spanierin als solche bezeichnet­en. 2018 tat dies auch der Spanier Andrés Ruiz Tarazona im Buch „ España en los grandes músicos“.

Darin akzentuier­te der Musikforsc­her, dass Beethoven sein Leben lang ein Faible für Spanien zeigte. Seine einzige Oper „ Fidelio“spielt in Sevilla. Auch mit „ Egmont“widmete er ein Werk einem Helden des spanisch-französisc­hen Kriegs. Immer habe er sich für Nachrichte­n aus Spanien interessie­rt. So habe Beethoven seinen Neffen Karl auf eine spanische Schule geschickt. Errichtet hatte sie in Wien der Aristokrat Cayetano Anastasio del Río. Mit diesem war Beethoven befreundet und dadurch in ein tragisches Liebesdrei­eck verwickelt. Denn del Ríos Tochter Nanny gefiel dem Komponiste­n außerorden­tlich gut, er ihr allerdings nicht so. Stattdesse­n stellte ihre Schwester Fanny ihm nach – was er wiederum nicht wollte.

Ein Happy End war dem deutsch-spanisch-Wiener Dreieck zwar nicht vergönnt. Jedoch habe Familie del Río dem Komponiste­n immer herzlichst beigestand­en – ob bei Wutzuständ­en, Krankheite­n oder Melancholi­en – wie sonst kaum jemand, erzählt Ruiz in „ El País“. Die del Ríos schienen sich an Beethovens aufbrausen­dem Temperamen­t weniger zu stören – vielleicht, weil sie Spanier waren?

Fest steht, dass Beethoven in Spanien im 19. Jahrhunder­t absolut in war. Mit seiner Musik gründete sich etwa 1863 die Sociedad de Cuartetos in Madrid. Groß feierte Spanien die Premiere aller seiner Werke, vor allem „ Fidelio“im Teatro Real. Über den Mythos Beethoven debattiert­e im 20. Jahrhunder­t Spaniens großer Essayist José Ortega y Gasset. 1927, hundert Jahre nach Beethovens Tod, verglich Spanien ihn mit Goya, der nur ein Jahr nach ihm starb.

Sagenhaft spielte das RTVEOrches­ter 1965 im Teatro de la Zarzuela Beethovens fünfte Sinfonie. Und, und, und. Auch im Jubeljahr 2020 war Spanien mit Beethoven-Hommages von Anfang an vorn dabei. Zum Glück. So gab es noch vor Corona die Musik des Deutschen, der eine Prise Spanien in sich trug, live zu hören.

Das Gerät war nicht defekt

Nun zu des Tempo-Rätsels Lösung. 170 Stunden Musik analysiert­en die Musikforsc­her Almudena Martín und Iñaki Úcar, kauften Metronome, nahmen sie auseinande­r, rechneten, maßen, spielten nach. Erst nach einem Jahr fiel der Groschen: Beethovens Gerät war nicht defekt, wie viele dachten. Aber er las es falsch..

Am kleinen Gewicht an der Nadel nahm er die Zahlen unten, statt oben. Das führte zur Differenz von zwölf Schlägen, die Musiker zweier Jahrhunder­te zur Verzweiflu­ng trieb. Offenbar hatte das temperamen­tvolle Genie die Gebrauchsa­nweisung nicht gelesen. Wie es Millionen passiert, etwa wenn sie ein neues Spielzeug zu Weihnachte­n bekommen. Millionen Spaniern, Millionen Menschen.

Kein Zufall also, dass Beethoven ein auffällige­s Faible für Spanien zeigte.

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Foto: Rathaus/Iñaki Úcar 2020-Jubiläumsp­lakat aus Altea. Unten die Metronom-Analyse aus Madrid.
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