Liebe Leser,
diese Woche haben wir in der Redaktion wieder ein Déjà-vu erlebt. Es war wie in der
Deeskalationsphase mit ihrem wirren und absurden Regelwerk. Das Telefon klingelte, nach zackigen Begrüßungen kamen die Anrufer gleich zu dem sie drückenden Schuh:
„ Hören Sie mal, darf ich denn jetzt noch...?“
Viele haben vom Klang der Stimme her das
Alter meiner Eltern. Sie dürften in der Nachkriegszeit aufgewachsen sein, vielleicht in vom Krieg zerrütteteten Familien, haben den
Kalten Krieg überstanden und vielleicht Kinder und Enkel großgezogen und fragten dann uns, ob sie sich denn jetzt nicht mehr mit dem befreundeten Ehepaar zum Boccia-Spiel treffen dürfen.
Unserer Berichterstattung haben Sie entnommen, dass die Coronavirus-Pandemie sich in den letzten Wochen verschlimmert hat und die Lage in den Krankenhäusern kritisch einzuschätzen ist. Möglicherweise steuern wir auf den Scheitelpunkt der dritten Welle zu – also sind an dem Punkt, an dem die höchsten Ansteckungszahlen – derzeit fast 10.000 täglich allein in der Region Valencia – auftreten, die sich dann in den folgenden Tagen und Wochen auf die Krankenhausbelegung niederschlagen.
Wenn ein Arzt aus einem Hospital vor die Kamera tritt und appelliert, die sozialen Kontakte einzuschränken, dann sollten Sie das jetzt tun. Aus Solidarität mit und Achtung vor dem, was in den Kliniken geleistet wird. Aus Ihrer Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwohl. Diese Leute können die gesundheitliche Lage realistisch einschätzen, die Politiker können das nicht und die Journalisten tun es nicht. Wöchentlich arbeiten ein Dutzend Regionen an sich ständig ändernden Regelwerken und verbreiten es in der Hoffnung, das Gesundheitswesen zu entlasten und die Ansteckungsgefahr zu senken. Das kann nicht funktionieren. Ein Teil der Bevölkerung schaltet auf Durchzug. Wir alle haben aber unseren gesunden Menschenverstand. Die AHA-Regel – Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmaske tragen – kennen wir. Im Moment grassiert das Virus, also fahren wir unsere sozialen Kontakte herunter und schränken unsere Mobilität ein – so gut wir eben können. Wenn das gewährleistet ist, können Sie sich selbst fragen, ob Sie jetzt wirklich Boccia spielen wollen.