Das Geheimnis liegt im Fond
Gerichte mit völlig unterschiedlicher Herkunft sind, die in der Gastronomie irgendwann verschmolzen, beziehungsweise auseinander hervorgingen. Sie werden in der Paella-Pfanne serviert, die guten haben eine feine, karamellige Kruste am Pfannenboden gebildet, der Reis ist dunkelgolden, durchbrochen mit kleinen Stückchen Meeresgetier und Fisch.
Alicantes Bouillabaisse
Dabei müsste der arroz a banda eigentlich in zwei Behältnissen serviert werden – in ganz traditionellen Lokalen wird er das auch –, denn die Speise entstand als deftiger Eintopf auf den Fischerbooten. Auf einem Fischkutter war und ist das Handling einer Paella-Pfanne aus mehreren Gründen ungünstig, weshalb die Fischer vor allem ihren auf den Märkten schwer verkäuflichen Beifang, geschmackige Felsenfische, aber auch die früher im Überfluss fischbaren pulpos (Oktopusse) mit mitgebrachten Gemüsen, vor allem Zwiebel, der getrockneten Rundpaprika Ñora, Knoblauch, Lauch und sogar Kartoffeln in einem Topf über einem Kohlenfeuer kochten, dann die Brühe abgossen, um in ihr als Sattmacher den Reis zu garen. Die erfahrenen und stets hungrigen Fischer wussten dabei ganz genau, wie lange jede Fischart optimalerweise garen sollte, also in welcher Reihenfolge sie in den Topf kamen, um sowohl noch bissfest zu bleiben als dennoch genügend Geschmack an die Brühe abzugeben.
Das schnell hergestellte alloli, das im Originalrezept ausschließlich aus Knoblauch, Salz und Öl – und also ohne Ei, Zitrone, Safran oder Sonstiges – gestampft wird und als Urform der Mayonnaise gelten darf, kam als Tüpfelchen auf’s i. Besehen wir uns das Rezept genau, haben wir nichts weniger vor uns als eine Version der berühmten Bouillabaisse, mit dem Marseille hausieren geht und womit sich ein kulinarischer Kreis im Mittelmeer schließen lässt. Einige Fäden Safran gehören hier wie dort dazu und die
Franzosen mischen sie auch in
„ ihre“Knoblauchmayonnaise, die als „ mahonesa“eigentlich aus Mahón, der Hauptstadt der Insel Menorca stammt und, wie schon erwähnt, das alloli (wörtlich KnoblauchÖl) als Grundlage hatte. Alternativ wird als „ Dipp“in Alicante auch die salmoretta serviert, bei der eingeweichte Ñora als Basis dient, die mit Knoblauch, Öl und Tomate eingekocht und püriert wird.
Der arroz al senyoret hingegen entstand, weil die „ pijos“, die Schicki-Mickis, aus Madrid und dem Ausland bei ihren Urlauben an den Küsten Alicantes keine Gräten, Fischköpfe, Knöchelchen Muschelschalen oder Hautfetzen in ihrem Essen wollten und sich ausbedungen, dass in den burschikosen Reis „ a banda“nur feine mundgerechte Stückchen gelangen sollten. Da der Kunde König ist, machten die Köche ihm den Gefallen und mischten dann Reis und Einlagen wieder in eine Pfanne. Alsbald übernahmen die Familien
diese Machart, weil man so auch die Kinder unfallfreier füttern und leichter für Meeresgetier begeistern konnte.
Eine Variante des senyoret ist der arroz negro, bei dem die Tinte des Tintenfischs für eine spektakuläre Optik sorgt. Hier und da werden große Garnelen, cigalas (Kaisergranat), Krabben (cangrejos) oder sogar Hummer (bogavante) obenauf gelegt, für Kenner unnötiger Firlefanz, denn im Grunde geht es dem Gourmet nur um die Synthese aus feinem Fond und auf den Punkt gegarten, sämig bis knusprigen Reis. Eine weitere Version ist die fideuá, wobei die kleinen, gleichnamigen Hörnchennudeln den Reis ersetzen.
Gemeinsam haben a banda und senyoret ursprünglich lediglich und das ist, neben den Zutaten, auch ihr wichtigster handwerkli
cher Unterschied zur valencianischen Paella, dass man für die Zubereitung einen Fond, also eine konzentrierte Fischbrühe benutzt, während die geschmackliche Power der Paella valenciana allein aus dem Saft des Fleisches im Moment des Kochens gezogen wird. Der Grund dafür ist simpel: Garte man Fische und Meeresfrüchte so lange mit wie Kaninchen und Hühnchen, würde der Fisch zerfallen und die Meeresfrüchte zu unkenntlichem Gummi zerschmelzen.
Leider geschieht das in vielen Lokalen trotzdem und auch der Fischfond kommt nicht selten aus dem Tetra-Pack, was zwar nicht immer schlecht sein muss, doch so ganz bekommt kein industrieller Hersteller den gewissen InstantGeschmack weg.
Wer sich dennoch nicht die Mühe machen will, ein fumet, also Fischfond selbst herzustellen, der sollte auf den fumet mit dem Label der Lonja de Santa Pola zurück
Mit Arroz a banda und Bouillabaisse schließt sich mediterraner Kreis