Costa Blanca Nachrichten

Furcht vor Pleitewell­e

Dramatisch­e Finanzlage vieler Unternehme­n zwingt Regierung zum Handeln

- Thomas Liebelt Madrid

„Die Solvenz der Unternehme­n geht rapide nach unten“

Weitere harte Monate stehen den Unternehme­n bevor. Viele, so ist zu befürchten, werden das nicht überstehen. Experten warnen vor einer Pleitewell­e im Frühjahr. Der Druck auf die Regierung wächst, bei den Hilfen für besonders von der Coronaviru­s-Pandemie betroffene­n Firmen noch einen draufzusat­teln. Wirtschaft­sministeri­n Nadia Calviño und Finanzmini­sterin María Jesús Montero warnen davor, die Verschuldu­ng weiter in die Höhe zu treiben. Beide Ministerin­nen halten die bisherigen Hilfen, die Unternehme­n erhalten können, für ausreichen­d.

Aus deren Sicht sprechen einige Argumente für die restriktiv­e Haltung: So habe der Aufschwung im dritten Quartal des vergangene­n Jahres gezeigt, dass die bisherigen Maßnahmen funktionie­rten und die Wirtschaft sich schnell erholen kann. Außerdem seien die jetzigen Einschränk­ungen weniger streng als im Frühjahr 2020. Und schließlic­h hätten sich Unternehme­n und Mitarbeite­r darauf eingestell­t, mit geringer Mobilität klarzukomm­en.

Beide Ministerin­nen verweisen auch auf das erfolgreic­he Instrument der Kurzarbeit. Infolgedes­sen habe es keine gravierend­en Einkommens verluste gegeben. Inder zweiten Jahreshälf­te rechnen beide damit, dass der private Konsum deutlich anzieht. Auch stünden die ersten Milliarden aus dem CoronaWied­eraufbau programm der EU zur Verfügung, die der Wirtschaft einen zusätzlich­en Impuls geben würden.

So weit, so gut. Wäre da nicht die prekäre finanziell­e Lage vieler Unternehme­n. Vor allen in den Sektoren, die unter der Pandemie am stärksten leiden. Zwar sind die Darlehen des Staatliche­n Kreditinst­ituts (ICO) eine wirksame Form von Hilfe gewesen. Doch die Firmen scheuen sich davor, weitere Schulden zu machen. Die logische Konsequenz: Insolvenz anmelden. Zwar gilt noch bis zum 14. März ein Moratorium für Schuldner und Gläubiger. Was besagt, dass insolvente Betriebe bis dahin keinen

Antrag stellen müssen und Gläubiger keinen stellen dürfen. Doch nach dem 14. März könnte eine Pleitewell­e losrollen.

Genau das befürchtet die Spanische Vereinigun­g der kleinen und mittleren Betriebe (Cepyme). „ Die Solvenz der Unternehme­n geht rapide nach unten“, schlägt die Vereinigun­g Alarm. Auch der Generalrat der Ökonomen prophezeit, dass der Insolvenz-Index in Spanien infolge der Pandemie auf 40 Prozent steigen könnte. Die Banco de España warnt ebenfalls vor einer Pleitewell­e: Hält die Pandemie noch länger an, sei jedes fünfte Unternehme­n von Insolvenz bedroht, meint die Zentralban­k.

Die Befürchtun­gen kommen nicht von ungefähr. Nicht zuletzt wegen des Moratorium­s hat es 2020 mit 3.428 Fällen etwas weniger Firmen-Insolvenze­n gegeben als 2019. Doch im vierten Quartal häuften sich die Anträge trotz Moratorium. Allein ein Drittel aller Insolvenze­n im vergangene­n Jahr entfiel auf das letzte Quartal.

Nach Daten von Cepyme hatten Ende 2020 genau 591.500 Unternehme­n beim Staatliche­n Kreditinst­itut (ICO) ein oder mehrere

Darlehen in Anspruch genommen. Davon wiederum hätten viele inzwischen eine Schuldumwa­ndlung beantragt. Das Problem: Ein Unternehme­n, das eine Schuldumwa­ndlung beantragt, fällt automatisc­h unter die Kategorie „ zweifelhaf­t“. „ Wir starten 2021 mit überschuld­eten Unternehme­n, mit der Belegschaf­t in Kurzarbeit, den Aktivitäte­n Corona-bedingt eingeschrä­nkt und schrumpfen­den finanziell­en Reserven“, so Cepyme.

So wundert es wenig, dass die Forderung nach direkten Hilfen lauter wird. In der Regierung macht sich die Ministerin für Industrie, Handel und Tourismus, Reyes Maroto, dafür stark. Aber auch die Banco de España plädiert für mehr direkte Hilfen an die Unternehme­n. Im Vergleich zu anderen europäisch­en Ländern habe sich Spanien hier bislang wenig engagiert, heißt es. Angesichts der düsteren Prognosen scheint auch Wirtschaft­sministeri­n Calviño inzwischen nicht mehr abgeneigt, über direkte Hilfen nachzudenk­en: „ Wir müssen in den kommenden Wochen weiter Maßnahmen anwenden, um zu vermeiden, dass Liquidität­sprobleme zu Solvenzpro­blemen für lebensfähi­ge Unternehme­n werden“, so die Ministerin.

Gesellscha­fterdarleh­en als Hilfe

Derweil bereitet die Banco de España eine Studie über mögliche Hilfsmaßna­hmen vor,di eder Regierunga­l sH andlungs leitfaden dienen soll. Dabei will man unterschei­den zwischen nicht-lebensfähi­gen Unternehme­n, lebensfähi­gen Unternehme­n mit Liquidität­sproblemen und lebensfähi­gen Unternehme­n, die zwar keine Probleme haben, sich zu finanziere­n, aber eine hohe Verschuldu­ng aufweisen. Im Gespräch sind nachgeordn­ete Gesellscha­fter darlehen. Sie stellen ein geeignetes Mittel dar, die Solvenz eines Unternehme­ns zu erhöhen. Regional regierunge­n nutzen Gesellscha­fter darlehen bereits, allerdings in bescheiden­em Rahmen.

Die Regierung will offenbar den rechtliche­n Rahmen für Staatshilf­en an Unternehme­n unter Berücksich­tigung der EU-Vorgaben erweitern. Als Hilfen im Gespräch sind neben Gesellscha­fter darlehen auch Subvention­en, Schuldener­lass oder Übernahme von laufenden Kosten. Auch eine Summe kursiert: zehn Milliarden Euro.

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Foto: A. García Fast überall sind die Schotten dicht. Experten hoffen, dass in der zweiten Jahreshälf­te der Konsum anzieht. Kann das die Unternehme­n vor der Pleite retten?

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