Furcht vor Pleitewelle
Dramatische Finanzlage vieler Unternehmen zwingt Regierung zum Handeln
„Die Solvenz der Unternehmen geht rapide nach unten“
Weitere harte Monate stehen den Unternehmen bevor. Viele, so ist zu befürchten, werden das nicht überstehen. Experten warnen vor einer Pleitewelle im Frühjahr. Der Druck auf die Regierung wächst, bei den Hilfen für besonders von der Coronavirus-Pandemie betroffenen Firmen noch einen draufzusatteln. Wirtschaftsministerin Nadia Calviño und Finanzministerin María Jesús Montero warnen davor, die Verschuldung weiter in die Höhe zu treiben. Beide Ministerinnen halten die bisherigen Hilfen, die Unternehmen erhalten können, für ausreichend.
Aus deren Sicht sprechen einige Argumente für die restriktive Haltung: So habe der Aufschwung im dritten Quartal des vergangenen Jahres gezeigt, dass die bisherigen Maßnahmen funktionierten und die Wirtschaft sich schnell erholen kann. Außerdem seien die jetzigen Einschränkungen weniger streng als im Frühjahr 2020. Und schließlich hätten sich Unternehmen und Mitarbeiter darauf eingestellt, mit geringer Mobilität klarzukommen.
Beide Ministerinnen verweisen auch auf das erfolgreiche Instrument der Kurzarbeit. Infolgedessen habe es keine gravierenden Einkommens verluste gegeben. Inder zweiten Jahreshälfte rechnen beide damit, dass der private Konsum deutlich anzieht. Auch stünden die ersten Milliarden aus dem CoronaWiederaufbau programm der EU zur Verfügung, die der Wirtschaft einen zusätzlichen Impuls geben würden.
So weit, so gut. Wäre da nicht die prekäre finanzielle Lage vieler Unternehmen. Vor allen in den Sektoren, die unter der Pandemie am stärksten leiden. Zwar sind die Darlehen des Staatlichen Kreditinstituts (ICO) eine wirksame Form von Hilfe gewesen. Doch die Firmen scheuen sich davor, weitere Schulden zu machen. Die logische Konsequenz: Insolvenz anmelden. Zwar gilt noch bis zum 14. März ein Moratorium für Schuldner und Gläubiger. Was besagt, dass insolvente Betriebe bis dahin keinen
Antrag stellen müssen und Gläubiger keinen stellen dürfen. Doch nach dem 14. März könnte eine Pleitewelle losrollen.
Genau das befürchtet die Spanische Vereinigung der kleinen und mittleren Betriebe (Cepyme). „ Die Solvenz der Unternehmen geht rapide nach unten“, schlägt die Vereinigung Alarm. Auch der Generalrat der Ökonomen prophezeit, dass der Insolvenz-Index in Spanien infolge der Pandemie auf 40 Prozent steigen könnte. Die Banco de España warnt ebenfalls vor einer Pleitewelle: Hält die Pandemie noch länger an, sei jedes fünfte Unternehmen von Insolvenz bedroht, meint die Zentralbank.
Die Befürchtungen kommen nicht von ungefähr. Nicht zuletzt wegen des Moratoriums hat es 2020 mit 3.428 Fällen etwas weniger Firmen-Insolvenzen gegeben als 2019. Doch im vierten Quartal häuften sich die Anträge trotz Moratorium. Allein ein Drittel aller Insolvenzen im vergangenen Jahr entfiel auf das letzte Quartal.
Nach Daten von Cepyme hatten Ende 2020 genau 591.500 Unternehmen beim Staatlichen Kreditinstitut (ICO) ein oder mehrere
Darlehen in Anspruch genommen. Davon wiederum hätten viele inzwischen eine Schuldumwandlung beantragt. Das Problem: Ein Unternehmen, das eine Schuldumwandlung beantragt, fällt automatisch unter die Kategorie „ zweifelhaft“. „ Wir starten 2021 mit überschuldeten Unternehmen, mit der Belegschaft in Kurzarbeit, den Aktivitäten Corona-bedingt eingeschränkt und schrumpfenden finanziellen Reserven“, so Cepyme.
So wundert es wenig, dass die Forderung nach direkten Hilfen lauter wird. In der Regierung macht sich die Ministerin für Industrie, Handel und Tourismus, Reyes Maroto, dafür stark. Aber auch die Banco de España plädiert für mehr direkte Hilfen an die Unternehmen. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern habe sich Spanien hier bislang wenig engagiert, heißt es. Angesichts der düsteren Prognosen scheint auch Wirtschaftsministerin Calviño inzwischen nicht mehr abgeneigt, über direkte Hilfen nachzudenken: „ Wir müssen in den kommenden Wochen weiter Maßnahmen anwenden, um zu vermeiden, dass Liquiditätsprobleme zu Solvenzproblemen für lebensfähige Unternehmen werden“, so die Ministerin.
Gesellschafterdarlehen als Hilfe
Derweil bereitet die Banco de España eine Studie über mögliche Hilfsmaßnahmen vor,di eder Regierungal sH andlungs leitfaden dienen soll. Dabei will man unterscheiden zwischen nicht-lebensfähigen Unternehmen, lebensfähigen Unternehmen mit Liquiditätsproblemen und lebensfähigen Unternehmen, die zwar keine Probleme haben, sich zu finanzieren, aber eine hohe Verschuldung aufweisen. Im Gespräch sind nachgeordnete Gesellschafter darlehen. Sie stellen ein geeignetes Mittel dar, die Solvenz eines Unternehmens zu erhöhen. Regional regierungen nutzen Gesellschafter darlehen bereits, allerdings in bescheidenem Rahmen.
Die Regierung will offenbar den rechtlichen Rahmen für Staatshilfen an Unternehmen unter Berücksichtigung der EU-Vorgaben erweitern. Als Hilfen im Gespräch sind neben Gesellschafter darlehen auch Subventionen, Schuldenerlass oder Übernahme von laufenden Kosten. Auch eine Summe kursiert: zehn Milliarden Euro.