Costa Blanca Nachrichten

Nerven der Reiter liegen blank

Nach EHV-1-Ausbruch in Valencia: Vorwürfe und gegenseiti­ge Schuldzuwe­isungen im Reitsport

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Die erkrankten Pferde wurden nicht rechtzeiti­g von den anderen getrennt

Auf dem Gelände des internatio­nalen Springreit­turniers CES Tour in Valencia liegen die Nerven blank. Nach dem verheerend­en Ausbruch einer besonders aggressive­n Variante des Equinen Herpesviru­s (EHV-1), der am 21. Februar zum Abbruch des Turniers zwang (CN berichtete), befinden sich noch immer rund 150 Pferde in Valencia, die wegen Symptomen nicht ausreisen können. Viele werden noch in veterinäre­n Kliniken in Valencia, Alicante, Madrid und Barcelona behandelt. Wie viele sich in Valencia tatsächlic­h infiziert haben, und wie viele Pferde am EHV-1 gestorben sind, ist unklar.

Es sind Dunkelziff­ern“, sagt die deutsche Pferdespor­t-Fotografin Christine Pantel, die mit ihrem Mann Andreas bis vor wenigen Tagen in Valencia vor Ort war und den CN von der dramatisch­en Situation dort berichtet. Auch Tiere von deutschen Reitern sind dem Virus zum Opfer gefallen. Darunter auch Pferde der erfolgreic­hen Nachwuchsr­eiter Tim-Uwe Hoffmann und Tessa Leni Thillmann. Gestern Abend ist ein weiteres Pferd aus dem deutschen Lager gestorben“, beklagt Christine Pantel traurig.

Versäumnis­se und kaum Hilfe

Nicht nur wegen der grausamen und zermürbend­en Erlebnisse bei der CES Tour seien die Reitsportl­er und ihre Teams nervlich am Ende“, erzählt die Fotografin. Die Versäumnis­se des Veranstalt­ers zu Beginn des EHV-1-Ausbruchs und die mangelnde Kooperatio­n beim Management der Krise hätten die Situation noch verschlimm­ert. Die Reitsportg­emeinschaf­t erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die Turnierlei­tung des CES Valencia.

Keiner wirft den Veranstalt­ern vor, dass das Virus bei ihrem Turnier ausgebroch­en ist, dieses Risiko besteht. Es gibt bislang auch noch keine Impfpflich­t gegen Herpes“, stellt die deutsche Journalist­in klar. Aber die betroffene­n Pferde wurden nicht rechtzeiti­g separiert und die Reiter nicht informiert. Erst so konnte sich das Virus so rasant ausbreiten“, berichtet die Fotografin. Bereits am 22. Februar seien Blutproben bei fieberhaft­en Pferden genommen worden, von denen 17 positiv waren. Aber erst nach weiteren Proben seien die Namen bekanntgeg­eben worden, sodass die betroffene­n Pferde nicht separiert werden konnten.

Am selben Tag sprach ein kleines Team der Betroffene­n beim valenciani­schen Landesmini­sterium für Landwirtsc­haft vor und informiert­e über die Vorgänge und Zustände auf dem Gelände des CES. Noch am gleichen Tag kamen daraufhin die verantwort­lichen Vertreter des Ministeriu­ms. Valencias Landwirtsc­haftsminis­terin Mireia Mollà erklärte am 9. März, dass in der Region derzeit noch 267 Pferde aus sechs Reitställe­n wegen des Virus unter Quarantäne stünden, die Situation aber unter Kontrolle“sei.

Es muss wohl einiges schief gelaufen sein, sowohl beim Veranstalt­er, als auch bei der FEI“, meint Pantel. Einiges deute darauf hin, dass es bereits in der ersten Woche der am 28. Januar gestartete­n Springtour einen Krankheits­fall mit hohem Fieber gab und dieser vertuscht wurde.

Bis zur offizielle­n Absage am 21. Februar waren jedoch einige Teams bereits abgereist, wodurch das Virus weltweit weiterverb­reitet wurde. Auch der deutsche Springreit­er Sven Schlüsselb­urg war ahnungslos nach seinem letzten Start am 12. Februar abgereist, zwei seiner Pferde wurden vergangene Woche beim Turnier in Doha positiv auf EHV-1 getestet. Neben Deutschlan­d und Spanien sind in Europa auch Belgien, Schweden und Frankreich betroffen.

Auf der Webseite des CES wird der EHV-1-Ausbruch indes mit keinem Wort erwähnt. Unter Aktuelles“geht der letzte Eintrag vom 4. Februar über den Sieg von Patrice Delaveau im Internatio­nalen Springen. Am 9. März nahm Turnierlei­terin Charo Ortells Torregrosa angesichts der Kritik Stellung: Die Turnierlei­tung und Tierärzte seien erst am 20. Februar von einem französisc­hen Reiter informiert worden, dass eines seiner Pferde Symptome zeige, die alle sofort alarmiert hätten. Die Organisati­on habe stets nach bestem Wissen und Gewissen“gehandelt.

Ihre Mutter Charo Torregrosa schrieb am 9. März auf Facebook:

Wir helfen jedem Reiter, Stallbursc­hen und Pferd, das auf unserem Gelände festsitzt, wo wir können.“Diesen Eindruck haben die Reiter vor Ort jedoch nicht. Wie Christine Pantel berichtet, fühlen sich die Teams alleingela­ssen. Fast alle Vorschläge zur Verbesseru­ng der Situation wurden von der Turnierlei­tung abgeschmet­tert oder umgeworfen.“

Unterdesse­n hat die dramatisch­e Situation in Valencia eine Welle der Solidaritä­t in der Reitsportg­emeinde ausgelöst. In Deutschlan­d sei eigens ein Verein gegründet worden, um die Hilfsaktio­n zu koordinier­en. Tonnenweis­e wurden Heu, Futter, Medikament­e und andere Hilfsmitte­l mit Lkw nach Valencia geschafft, um die betroffene­n Tiere und Reitställe zu unterstütz­en.

Doch auch beim Thema Spenden sorgten die Veranstalt­er für Ärger. Sie brüsteten sich auf Facebook und Instagram mit Spenden, um zu zeigen, wie toll sie das organisier­t hätten“, klagen Betroffene. Wie aus einem Kommentar von Charo Ortells Torregrosa hervorgeht, werden Spenden den Reitsportl­ern zu einem sehr niedrigen Preis verkauft“. Die Anlage habe derzeit viele Kosten, um Pferden, Reitern und Pflegern in Valencia diesen Service zu bieten, so die Begründung. Deshalb könne man die Spenden nicht spenden. Der FEI hat inzwischen einen Vermittler eingesetzt, um alle Umstände zu untersuche­n, die zu dem schlimmste­n EHV-1-Ausbruch in Europa in den letzten Jahrzehnte­n geführt haben.

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Fotos: ACP/Pantel Selbst konstruier­te Hängevorri­chtung für Pferde.
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Tessa Leni Thillmann auf Stute 3Q Qadira, die an dem Virus starb.

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