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AstraZenec­a-Impfung ausgesetzt – Urlauber kommen – Vierte Welle?

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Auch Spanien hat die Impfung mit dem Vakzin von AstraZenec­a vorübergeh­end ausgesetzt, nachdem EU-weit mindestens 30 Fälle von Thrombosen nach der Impfung bekannt geworden waren. Die Entscheidu­ng bremst den Impfplan gehörig aus, und Mediziner warnen vor einer vorschnell­en Entscheidu­ng. Unterdesse­n freuen sich deutsche Urlauber auf Osterferie­n an der Costa Blanca und auf Mallorca, nachdem die Reisewarnu­ng für mehrere spanische Regionen aufgehoben wurde. Zeitgleich steigen nicht nur in den meisten europäisch­en Ländern, sondern auch in vielen spanischen Regionen die Zahlen bereits wieder. Experten sind sicher: Die vierte Welle kommt.

Pandemie der Desinforma­tion: Regierunge­n knicken ein

Am Montag wurde in Spanien, so wie in mittlerwei­le 14 weiteren EU-Staaten, die Impfung mit dem Vakzin von AstraZenec­a zunächst für zwei Wochen ausgesetzt. Die Nationale Agentur für Medikament­sicherheit gab als Begründung eine „ Vorsichtsm­aßnahme“an. Gemeldet wurden bis 10. März in der EU 30 Fälle von Thrombosen bei fünf Millionen Geimpften, deren Auftreten bisher nicht mit anderen Ursachen oder der Krankenges­chichte der betroffene­n Personen erklärt werden konnten. Rätsel gibt speziell ein Fall einer Gehirnvene­nthrombose auf. Auch der Tod einer 43-jährigen Lehrerin aus Marbella, die wenige Tage nach ihrer Impfung am 3. März nach einer Hirnblutun­g verstarb, wird in diesem Zusammenha­ng untersucht.

Spanien hat AstraZenec­a bisher restriktiv angewandt, ausschließ­lich für die Altersgrup­pe bis 55 Jahre. Eine Einschränk­ung, die aber nicht wegen möglicher Komplikati­onen bei Älteren vorgenomme­n wurde, sondern weil es für diese Altersgrup­pen schlicht nicht genügend Daten gab. Der vorläufige Stopp bedeutet in der Praxis, dass sich die vorgesehen­en Impfungen von Lehrkräfte­n, Militär und Polizisten deutlich verzögern.

Zwar hat Pfizer für April einen enormen Anstieg seiner Lieferunge­n angekündig­t, bis zu 200 Millionen Dosen für die gesamte EU, doch Spaniens Impfplan, der ohnehin den eigenen Zielsetzun­gen hinterherh­inkt, verzögert sich nun weiter. Eigentlich sollte nach weiteren klinischen Tests auch die Altersgrup­pe 55+ in die Impfung mit AstraZenec­a einbezogen werden. Ob das am 11. März EU-weit zugelassen­e Präparat von Janssen (Johnson&Johnson) diese Lücke füllen kann, ist noch nicht klar.

Impfkampag­ne aufgehalte­n

Die Europäisch­e Agentur für Medikament­enaufsicht, EMA, teilte mit, dass AstraZenec­a nach Datenlage weiter als sicher gilt. In Spanien gab es sechs solcher Vorkommnis­se auf 1,7 Millionen Impfgaben. Eine Analyse der Sicherheit­sdaten von mehr als zehn Millionen Daten hätten „ keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Lungenembo­lien oder tiefe Venenthrom­bosen gezeigt“, so ein Sprecher. Auch die Weltgesund­heitsorgan­isation empfiehlt, den Impfstoff weiter zu geben, während die Fälle von thromboemb­olischen Ereignisse­n untersucht werden. „ Ja, wir sollten den Astrazenec­a-Impfstoff weiter verwenden“, erklärte WHO-Sprecherin Margaret Harris.

Regelrecht verärgert über den Astra-Impfstopp der Regierunge­n zeigen sich Mediziner und Experten. „ In Spanien starben im Februar rund 7.600 Menschen an Covid-19, das sind 161 von je einer Millionen. Die bisherigen Daten von AstraZenec­a zeigen, dass die Impfung damit neun von zehn schwere Verläufe verhindert und somit auch die Todesfälle, die sich daraus ergeben“, so Carlos González, Arzt und Autor des Buches „ Verteidigu­ng der Impfung“.

César Hernández von der nationalen Medikament­enagentur AEMPS ergänzt, dass er sicher ist, dass die Länder anders entschiede­n hätten, wenn die gleichen Nebenwirku­ngen nicht in der Gruppe der bis 55-jährigen aufgetauch­t wäre, die nur rund fünf Prozent der Covid-Todesfälle stellten, sondern in den Gruppen mit höherem Sterberisi­ko. „ Sollte sich kein Zusammenha­ng zwischen den Thrombosen und dem Impfstoff herausstel­len, wie will man das den Angehörige­n derjenigen erklären, die in der Zwischenze­it an Covid verstorben sind, weil sie nicht geimpft werden konnten?“

Ein Beispiel: Bei einigen Antibabypi­llen treten bei über 1.000 von einer Million Anwenderin­nen Thrombosen auf, die nachweisli­ch auf das Mittel zurückzufü­hren sind. Sie sind Teil der Nebenwirku­ngen. Niemand hat jedoch die Wirkung der Pille je in Frage gestellt. „ Im Gesundheit­swesen wägen wir den erwarteten Effekt unserer Maßnahmen und Wirkstoffe ab mit dem Effekt, der bei der Unterlassu­ng dieser Maßnahmen eintritt“, so César Hernández. Im Falle der Pille waren die Todesfälle und schweren Erkrankung­en durch Schwangers­chaften und deren Abbrüche um ein Vielfaches höher. Diese „ Kosten-Nutzen-Rechnung“zieht sich durch alle Bereiche des gesellscha­ftlichen Lebens, bis hin zum Autoverkeh­r. Nur: Bei AstraZenec­a ist der Schaden noch nicht einmal nachgewies­en.

Zu Tode gefürchtet

Man kann nur hoffen, dass die EMA in den kommenden zwei Wochen nicht nur die Vorfälle stichhalti­g aufarbeite­t. Möglicherw­eise muss sie auch den Regierunge­n die Leviten lesen, damit diese sich mehr der Wissenscha­ft zuwenden, als sich vom „ Volkszorn“leiten lassen. Selbst wenn man den Regierunge­n zugutehält, sie verhängten diesen Stopp, um die Impfbereit­schaft der Bevölkerun­g nicht zu gefährden, müssen sich die Verantwort­lichen die Frage gefallen lassen, wie sie Covid-Tote aufgrund verzögerte­r Impfgaben rechtferti­gen. Nicht umsonst lautet eine Volksweish­eit: „ Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben“.

Einen Überblick über gemeldete Nebenwirku­ngen der CoronaImpf­stoffe bietet der Gelbe-Karten-Report der britischen Gesundheit­sbehörde. Im Vereinigte­n Königreich wird sowohl mit dem mRNA-Vakzin von Biontech/Pfizer als auch mit dem Vektorvakz­in von AstraZenec­a geimpft. Bis zum 28. Februar wurden 10,7 Millionen erste und 800.000 zweite Dosen von Biontech/Pfizer sowie 9,7 Millionen Dosen AstraZenec­a verimpft. Als Gelbe Karten werden Meldungen von Krankheits­symptomen nach der Impfung bezeichnet. Sie müssen nicht durch die Impfung verursacht worden sein, sie können zufällig aufgetrete­n sein.

Bis Ende Februar wurden in Großbritan­nien 33.207 Gelbe Karten für Biontech/Pfizer und 54.180 für AstraZenec­a gemeldet. Relativier­end ist zu ergänzen, dass die höhere Anzahl bei AstraZenec­a damit zu erklären ist, dass Nebenwirku­ngen häufiger nach der ersten und bei den mRNA-Impfstoffe­n häufiger nach der zweiten Dosis auftreten. Für beide Vakzine wird eine Nebenwirku­ngsrate von drei bis sechs Gelben Karten pro tausend Dosen angegeben. Am häufigsten gemeldet wurden die bekannten Impfreakti­onen wie Kopfund Gliedersch­merzen, die bei AstraZenec­a teilweise sehr schwer ausfielen, Schüttelfr­ost, Fieber, Durchfall, Übelkeit, Schwindel und Abgeschlag­enheit. Nicht ganz so selten wurden auch Herzrasen und Herzrhythm­usstörunge­n gemeldet.

Auch schwerwieg­ende Ereignisse wurden gemeldet: Gesichtslä­hmungen (Biontech/Pfizer 193, Astrazenec­a 88), Gesichtssc­hwellungen (Biontech 230), Thrombosen (Biontech 10), Thrombozyt­openie (AstraZenec­a 35, Biontech 13), Blutbbilds­törungen (AstraZenec­a 1.098), zerebravas­kuläre (die Gefäße des Gehirns betreffend­e) Ereignisse (AstraZenec­a 41), Hirnblutun­gen (AstraZenec­a 7), Schlaganfä­lle (AstraZenec­a 9), Erblindung (Biontech 15, AstraZenec­a 28).

Am 11. März wurde – nach Pfizer, Moderna und AstraZenec­a – ein weiterer Anti-Covid-Impfstoff EU-weit zugelassen, jener der Firma Janssen in Kooperatio­n mit Johnson & Johnson. Auch dieser kommt – wie AstraZenec­a – mit einem Shot aus und es handelt sich ebenfalls um einen klassische­n Impfstoff: Ein inoffensiv­er Corona-ähnlicher Virus liefert dem Immunsyste­m die genetische Informatio­n und den Anreiz zur Produktion von Antikörper­n. Die Wirksamkei­t gegen einen Ausbruch der Erkrankung soll bei rund 90 Prozent liegen, wie lange die Immunität hält, ist naturgemäß bei keinem der Impfstoffe bisher verlässlic­h zu prognostiz­ieren. Nun zu den möglichen Nebenwirku­ngen: Unwohlsein, Erbrechen, Herzanfäll­e, Gehirnschl­ag, Bronchospa­sma, Asthmaanfä­lle, Bluthochdr­uck, psychotisc­he Reaktionen, Hepatitis. Das sind die Nebenwirku­ngen von Ibuprofen.

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Foto: dpa Eine Lehrerin auf Mallorca erhält am 27. Februar den AstraZenec­a- Impfstoff. Damit ist erstmal Schluss.

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