Rumgeeier zu Ostern
Viele Spanier fühlen sich im Chaos um den Osterurlaub wie Europäer zweiter Klasse – Ausgerechnet Großbritannien als Vorbild
Madrid – mar. „ Die Art und Weise wie Reisen über Ostern geregelt werden, stiftet nur Chaos. Während Spanier ihre eigenen Verwandten nicht besuchen dürfen, machen sich Franzosen und Italiener breit, um in Madrid die Freiheit zu genießen, Deutsche mit einer mehr als doppelt so hohen Inzidenz dürfen nach Mallorca, während gleichzeitig Paris und Berlin geschlossen werden. An den Flughäfen, das sehe ich jeden Tag, wird nicht ausreichend kontrolliert. Es ist eine Politik von: Heute Brot, morgen Hunger“. Derartig die Leviten las Aitor Esteban von den Baskischen Nationalisten (PNV) Regierungschef Pedro Sánchez (PSOE) am Mittwoch im Parlament.
Das verrufene Babylon war ein wohl sortiertes, beschauliches Dorf gegen das chaotische Bild, das Europa dieser Tage hinsichtlich seiner Corona-Maßnahmen und Reise-Regeln abgibt. Spanier, die sich – nicht zu Unrecht – wegen des Massentourismus als „ Kellner Europas“missbraucht fühlten, finden heutzutage deutlich derbere Ausdrücke für ihren Rolle und den Unmut über die Tatsache, dass sie brav zu Hause hocken sollen, während Ausländer in Madrid und Deutsche auf Mallorca „ la vida loca“, das wilde Leben feiern. Da wundert es auch wenig, dass die täglich auffliegenden illegalen Partys der Spanier nur noch im Dutzend gezählt werden.
Kleinlaut versuchte Pedro Sánchez im Parlament das Chaos zu relativieren: „ Wir wollen unseren Bürgern übermitteln, dass sie Zuhause bleiben sollen. Spanien macht eine schlüssige Politik hinsichtlich Covid, im Einklang mit Europa. Die EU-Kommission besteht darauf, die Grenzen offen zu halten und daran hält sich Spanien. Wir verlangen aber von den Deutschen und Franzosen, die zu uns kommen,
PCR-Tests und sie müssen sich an die gleichen Regeln halten wie alle anderen Bewohner Spaniens.“
Der Landesregierung der Balearen sind die Deutschen peinlich, nur ihr Geld ist auf Mallorca natürlich willkommen. Der Wirtschaftsminister der Inselgruppe, Iago Negueruela stotterte herum, dass „ wir“es ja gar nicht darauf angelegt hätten, dass Ostern schon Touristen kommen könnten. „ Für uns hat Ostern keine Priorität. Wichtig ist, die Sommersaison zu sichern“.
Das sagte er vor den Kameras auf Mallorca, während man im Hintergrund die Deutschen mit ihren Rollkoffern in die Transferbusse steigen sah. Negueruela lügt, denn noch vor zwei Wochen hat die Landesministerpräsidentin der Balearen, Francina Armengol, die Deutschen ausdrücklich eingeladen, auf ihre „ sicheren Inseln“zu kommen. Doch seit die Inzidenz binnen einer Woche um 50 Prozent, wenn auch noch auf niedrigem Niveau, gestiegen ist, sorgt auch sie sich um den alles entscheidenden Sommer.
Allein am vergangenen Wochenende brachten die „ MalleBomber“über 8.000 Touristen nach Mallorca, fast alle aus Deutschland. Bei 121 gab es Probleme mit dem obligatorischen PCR-Test, doch zurückgeschickt wurde niemand. Die Tests wurden per Schnelltest vor Ort wiederholt, alle seien negativ ausgefallen, meldet der Airport in Palma. Am Palmsonntags-Wochenende rollt dann die große Osterwelle über Spanien herein, auch an die Costa Blanca, für die Ryanair und andere Airlines extra Flüge bereit stellten. Immerhin: Eine britische Urlauberschwemme bleibt Spanien vorerst erspart. London hat ein drastisches Reiseverbot über die Briten verhängt, auch solche, die einen amtlichen Zweitwohnsitz in Spanien vorweisen können. Das ist eine Maßnahme, die so nur möglich wurde, weil das Land nicht mehr den EUFreizügigkeiten „ unterworfen“ist.
„ Es ist zu früh für Auslandsreisen“, stellte Premierminister Boris Johnson knapp fest, der gleiche, der anfänglich Corona für einen Scherz hielt, bis er selbst intubiert vom Ernst der Lage unterrichtet wurde.
Reiseverbot für Briten
5.000 britische Pfund Geldbuße muss zahlen, wer ohne den Nachweis von genehmigten Ausnahmegründen Großbritannien verlässt. Die Regel gelte zunächst bis Mai, dann sehe man weiter. Und dabei sind in Großbritannien bereits viermal mehr Menschen geimpft als im EUSchnitt. Deutschland unternimmt nur wenig dagegen, dass Deutsche nach Spanien reisen. Den extra-harten Lockdown zu Ostern hat Kanzlerin Angela Merkel in Mea-Culpa-Geste am Mittwoch als „ undurchführbar“und „ keine gute Idee“gekippt. Hinsichtlich Reisen bleiben aus Berlin nur Aufrufe zur „ Vernunft“und die
„ Bitte“an Airlines, Reiselust nicht noch mit zusätzlichen Angeboten zu befeuern. Ein Reiseverbot werde geprüft, hieß es am Mittwoch aus dem Kanzleramt. Als zusätzliche Stolperfalle hat Deutschland den Rückkehrern einen Pflichttest verordnet, obwohl die Inzidenz auf Mallorca nur ein Viertel jener von Deutschland erreicht. In Österreich eiert man seit Beginn der Pandemie von einem „ Schaunmermoi“zum nächsten.
Frankreich debattiert noch, ob es Reisebeschränkungen verhängt, die Bilder von ausgelassen in Madrids Kneipen feiernden Landsleuten kamen nicht bei allen Franzosen gut an. Dass Madrid spanienweit die höchsten Fallzahlen (223) hat, hängt auch damit zusammen, dass Touristen aus Frankreich, die meist über Land einreisen, kaum Tests unterzogen werden. In Frankreich ist die Inzidenz zurzeit 580. „ Jeder einzelne Tourist muss kontrolliert werden und einen negativen PCR-Test vorweisen“, forderten auch im Parlament am Mittwoch mehrere Abgeordnete im Auftrag ihrer Regionen und der zunehmend verärgerten Bürger, die bereits auf das zweite Ostern verzichten müssen, damit sich wenigstens im Sommer Europa wieder an Spaniens Stränden austoben kann.
„Deutsche und Franzosen müssen sich an gleiche Regeln halten wie Spanier“