Völlig entgleist
Morddrohungen, Eklats und Hassreden überschatten Countdown zur Landtagswahl am 4. Mai in Madrid
Völlig aus dem Ruder gelaufen ist der Wahlkampf in der Hauptstadtregion Madrid. Mit Eklats, Hassreden und sogar Morddrohungen, die eine Debatte über Parteiprogramme letztlich untergraben haben. In einem vergifteten politischen Klima sind die Bürger nun aufgerufen, am 4. Mai ihre Stimme abzugeben.
Der Wahlkampf für die Landtagswahl in Madrid am 4. Mai läuft in Ton und Form aus dem Ruder. Mit Morddrohungen sahen sich der Spitzenkandidat von Podemos, Pablo Iglesias, Innenminister Fernando GrandeMarlaska und die Generaldirektorin der Guardia Civil, María Gámez, konfrontiert. Alle drei erhielten anonyme Postsendungen mit Gewehrkugeln und Drohschreiben, ein weiterer Brief mit Projektilen, der an Isabel Díaz Ayuso gerichtet war, konnte in der Poststelle abgefangen werden.
Im Brief für Iglesias steckten vier Projektile des Kalibers 7,62. Munition für Sturmgewehre des Typs CETME. Das der Polizei vorliegende Schreiben verurteilt den ehemaligen Minister, seine Partnerin, die Ministerin für Gleichstellung, Irene Montero, und seine Eltern zum Tode“. Dem Innenminister Marlaska wird ein Ultimatum gestellt, binnen zehn Tagen seinen Rücktritt einzureichen.
Nahezu alle Parteien verurteilten die Morddrohungen, darunter auch die Volkspartei und ihre Spitzenkandidatin, Isabel Díaz Ayuso. Ohne den geringsten Zweifel verurteile ich jede Art von Drohung, so wie ich das immer getan habe.“
Weniger klar bezog die Spitzenkandidatin von Vox, Rocío Monasterio, Stellung, die Zweifel an den Drohbriefen in einer Debatte der Spitzenkandidaten im Sender Cadena SER anmeldete. Woraufhin Iglesias sie aufforderte, ihre Äußerungen richtigzustellen und
als das nicht geschah die Debatte abbrach. Gehen Sie doch, das ist ja, was wir und viele Spanier wollen“, sagte Monasterio nur und rief Pablo Iglesias auf, die Drohungen bei der Polizei anzuzeigen. Das tat er denn auch, nachdem die Spitzenkandidaten von Ciudadanos, PSOE und Más Madrid die Sendung abgebrochen hatten, die PP nahm gar nicht erst an der Diskussionsrunde teil.
Moderatorin Àngels Barceló versuchte vergeblich, den Eklat abzuwenden, die Sendung zu retten.
Das ist kein Spektakel, sondern eine Wahlkampf-Debatte unter Demokraten“, fuhr die Moderatorin die Spitzenkandidatin von Vox, Rocío Monasterio an, die daraufhin die Radiomoderatorin eine
politische Aktivistin“nannte.
Nach dem Vorfall verurteilte auch Vox Drohungen jeder Art und kündigte an, als Nebenkläger bei einem Verfahren gegen diese Drohbriefe aufzutreten, um herauszufinden, wer dahintersteckt womit die Rechtspopulisten nichts anderes tun, als abermals die Regierung anzuzweifeln.
Ohne Folgen blieben die Projektile und der Eklat bei der Debatte nicht. Die Tageszeitung El País“beklagte; Worte sind nicht folgenlos und Hassreden verbreiten sich auf subtile Weise: Bis sie eines Tages explodieren - der Angriff auf das Parlament in Washington ist ein aktuelles Beispiel -, und die Folgen sind verheerend. Das politische Klima in Spanien ist unerträglich geworden. Viele haben dazu beigetragen, aber niemand trägt mehr Verantwortung für diese Vergiftung als Vox.“
PSOE, Unidas Podemos und die ihr nahestehende Linkspartei Más Madrid nehmen künftig an keiner Wahlkampf-Veranstaltung mehr teil, zu der Vox geladen ist. Noch weniger als bisher wird sich der Wahlkampf bis zum 4. Mai um die Region Madrid, um die Coronavirus-Pandemie, Gesundheitspolitik oder Bildung drehen. Die Linksparteien rufen ihre Wähler auf, die Demokratie gegen die Bedrohung in Gestalt von Vox zu verteidigen. Es geht nicht nur um Madrid. Es geht um die Demokratie“, steht auf dem Plakat der PSOE.
Hinterließ der Wahlkampf bisher den Eindruck, alles drehe sich um Ayuso gegen alle, so konzentriert sich das Geschehen nun mehr auf Links gegen Vox. Eine Blockbildung, die der PP gar nicht gelegen kommt. Traditionell fürchten die Konservativen eine geeinte Linke. Wenn aber zwei sich streiten, könnte am Ende eine Dritte lachen, denn vorne liegt den Umfragen zufolge die PP mit Isabel Díaz Ayuso, die klagte, wo ihr Schuh als Regierungspräsidentin drückte.
Ich bin seit zwei Jahren Gefangene von Vox und Ciudadanos.“
PP will absolute Mehrheit
Umfragen zufolge kommt die PP auf 41 Prozent der Stimmen. Die Radikalisierung von Vox geht eng einher mit dem Verlust an Boden, den die Rechtspopulisten in Madrid wegen Ayuso erleiden. Noch wäre die PP auf Unterstützung von Vox angewiesen, die auf 9,2 Prozent kommen. Ciudadanos wollen wieder mit der PP regieren, müssen aber mit vier Prozent noch zulegen, um die Fünf-Prozent-Hürde nehmen zu können. Die Linken kommen auf 44,2 Prozent. PSOE (23 Prozent), Más Madrid (14,1) und Unidas Podemos (7,1) müssen im Endspurt alles daran setzen, ihre Wähler zu mobilisieren. Nun schlägt die Stunde des Pablo Iglesias, der Massen mobilisieren kann, aber das kann Isabel Ayuso auch.
„Das politische Klima in Spanien ist unerträglich geworden.“