Wendepunkt der Geschichte
La Zubia am Eingang zur Sierra Nevada lockt mit einer faszinierenden Geschichte
Lena Kuder
La Zubia (Granada)
In Reiseführern taucht Granada samt Alhambra und deren Geschichte oft in epischer Breite auf. Von La Zubia dagegen mögen nur wenige gehört haben. Fünf Minuten von Granada entfernt liegt die rund 20.000-Einwohner zählende Stadt am Eingang zum Naturpark Sierra Nevada. 1491 nahm hier die Geschichte eine bedeutende Wende. Doch mehr dazu später.
„ In La Zubia ließen sich die ersten Menschen vor etwa 6.000 Jahren nieder“, sagt Javier Peregrína, der als Lehrer seinen Schülern die Geschichte des Orts teilweise per Comics näherbringt. Auch durch schauspielerische Inszenierungen animiert er seine Schüler dazu, in die Geschichte der Stadt einzutauchen. Reste von drei römischen Siedlungen mit Mosaiken, Öfen und Ölmühlen deuten darauf hin, dass zwischen dem 1. und 3. Jahrhundert auch die Römer hier lebten. Eine bedeutende Rolle spielten in dem Ort die Mauren in der Epoche des Al-Andalús (711 bis 1492). La Zubia stammt vom arabischen Wort Al Zawiya ab, das einen spirituellen Ort des Rückzugs beschreibt, eine Kapelle, in der die Muslime ihren muslimischen Heiligen anbeten.
Auf einem umzäunten Terrain in der Calle Emilio Prados steht ein gemauertes, marodes Gebäude mit welligem Dach: die arabischen Bäder aus dem 12. Jahrhundert. Für die Christen galten die arabischen Bäder als Sündenpfuhl, weshalb sie diese später in Wohnhäuser umwandelten. „ Granada war die letzte Bastion der Mauren in Europa“, erklärt Peregrína. Zehn Jahre lang belagerten die Truppen des Königs Ferdinand von Aragón, bekannt als Ferdinand der Katholische, vom 17 Kilometer entfernten Ort Santa Fé aus die Stadt, bis ihnen 1492 die Eroberung gelang. 1491 kam Isabella die Katholische zu Besuch nach La Zubia, denn von einem Hügel sieht man von hier aus Granada besonders gut“, erklärt Peregrína.
„ Die kastilische Königin wollte lediglich den Ort besuchen, da sie mit ihrem kleinen Sohn gekommen war. Eine Schlacht sollte es nicht geben. König Boabdil erfuhr von ihrem Besuch und dachte, dass es eine Attacke geben würde. Es kam schließlich doch zu einer Schlacht, die die Truppen des Katholischen Königs knapp gewannen.“Der romantische Reiseschriftsteller Washington Irving berichtet, dass vor dem Besuch der Königin der Heerführer Perez del Pulgar zehn seiner besten Männer und einen zum Christentum konvertierter Muslim damit beauftragt hatte, sich nach Granada zu schleichen, um dort die Moschee anzuzünden.
Ave Maria in Holz gestanzt
In Granada verloren die Soldaten jedoch die Lunte und konnten ihren Plan deshalb nicht umsetzen. Stattdessen stanzten sie das Wort „ Ave Maria“in ein Holzschild und hängten dieses an die Moscheentür. Erzürnt über diesen Affront nahm der Nasriden-Soldat Tarfe das Schild und band es an den Schweif seines Pferdes. Daraufhin kam es zum Zweikampf zwischen Tarfe und dem Truppenführer Garcilaso de la Vega. Letzterem gelang es Tarfe zu töten. Die Nasriden eröffneten in Granada das Feuer und der Herzog von Cádiz rief in Santa Fe seine 1.500-köpfige Truppe zusammen, um den Gegenangriff gegen Boabdils Truppen zu starten.
Es kam zu einer harschen Auseinandersetzung am Fluss Monachil. Nach einigen Monaten zeigte sich Boabdil geschlagen und gab Granada auf. Noch heute kann der Besucher im Garten des Klosters San Luis del Real den Aussichtspunkt besichtigen, auf dem Isabella die Katholische stand und auf Granada blickte. Der Legende nach versteckte sie sich mit ihrem Sohn unter einem Lorbeerstrauch, als die Schlacht begann. Der Strauch ist dort heute noch zu sehen.
Das heutige Franziskanerkloster diente dem Erzbischof von Granada als Sommerresidenz. Später hielten sich dort auch die Dichter Federico García Llorca und Antonio Gala auf. Während des Spanischen Bürgerkriegs komponierte Manuel de Falla einige seiner Stücke in dem Kloster. Heute wird im Klostergarten jedes Jahr im August der internationale Gedichtswettbewerb „ Poesía en el Laurel“organisiert. Von La Zubia aus führt eine Straße zu den Cumbres Verdes, dem Eingangstor zur Sierra Nevada. Von hier aus blickt der Besucher auf die Dächer dieser kleinen Stadt, die mindestens ein Kapitel in jedem Reiseführer über Andalusien verdient.