Costa Blanca Nachrichten

Salonmaler und Sozialkrit­iker: Joaquín Sorolla gilt als Meister des Lichts

Der Impression­ist Joaquín Sorolla bannte das Leben und die Farben am Mittelmeer auf die Leinwand

- Susanne Eckert

Sorolla – er fing das mediterran­e Licht mit dem Pinsel ein und bannte Spanien auf die Leinwand. „ Joaquín Sorolla Bastida war Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunder­ts einer der bedeutenst­en spanischen Maler“, berichtet der Kunsthisto­riker und Sorolla-Fachmann David Gutiérrez aus Jávea. In seiner 45-jährigen Schaffensp­hase habe der Künstler rund 4.500 Bilder und 8.000 Zeichnunge­n angefertig­t. „ Seine Urenkelin Blanca Pons Sorolla erstellt gerade einen aktualisie­rten Katalog all seiner Werke.“

Ein materialis­tischer Salonmaler, der die Reichen und Mächtigen porträtier­te, ein Sozialkrit­iker, der das harte Leben der kleinen Leute abbildete, ein kommerziel­ler Maler, der Spanien auf seine Folklore reduzierte, oder ein Genie, dem es gelang, die Essenz eines ganzen Landes in 14 riesigen Gemälden zu konzentrie­ren – die Meinungen der Kunstkriti­ker über Sorolla gehen weit auseinande­r. Das Publikum dagegen bildet damals wie heute lange Schlangen, um seine Ausstellun­gen zu sehen.

Fest steht auch, dass er wie besessen malte. Und auf dem Höhepunkt seiner Karriere kostete ihm seine bekanntest­e Bilderseri­e „ Visión de España“für die Hispanic Society in New York seine Gesundheit und schließlic­h das Leben. Sorolla gab alles für die Malerei, dabei war ihm die Kunst nicht in die Wiege gelegt worden.

Materialis­tischer Salonmaler und Sozialkrit­iker

Joaquín Sorolla Bastida wird 1863 in Valencia als Sohn eines kleinen Händlers geboren, der sich auf Decken spezialisi­ert hatte. Doch als Joaquín zwei Jahre alt ist, sterben seine Eltern an der Cholera und er wächst mit seiner Schwester Concha bei seiner Tante Isabel auf.

„ Sorolla entdeckte sein Talent in der Schule“, erzählt der Kunsthisto­riker David Gutiérrez. „ Er lernte sehr ungern und fertigte statt dessen im Unterricht kleine Zeichnunge­n an. Ein Lehrer fand, dass er das sehr gut machte, und schenkte ihm Papier und Stifte, damit er üben konnte.“

Sorollas Onkel, der eine Schlosser-Werkstatt hat, stellt seinen Ziehsohn nach dessen Schulabsch­luss als Lehrling ein. Er lässt sich aber überzeugen, dass der Junge begabt ist, und schickt ihn nachmittag­s auf die Escuela de Artesanos, die bis heute den weniger privilegie­rten Klassen gratis Kunst und Bildung nahebringt. Mit 14 Jahren wird der talentiert­e Junge von der Kunstakade­mie Real Academia de Bellas Artes de San Carlos aufgenomme­n, die heute ein

Museum ist, in dem unter anderem auch Werke von Sorolla hängen.

„ Zwischen 1876 und 1889 war Sorolla in Ausbildung, er suchte – umgeben von verschiede­nsten

Künstlern – seinen Stil, studierte mit einem Stipendium in Rom, bereiste ganz Italien, Paris und sogar Deutschlan­d“, berichtet Gutiérrez.

„ In dieser Phase probierte er vieles aus, was gerade modern war: den historisch­en Stil, den orientalis­chen Stil, die mythologis­che und religiöse Malerei.“Schon in dieser Zeit liebt der Künstler das Meer,

„ von dem er alles gelernt hat“, wie er später sagt. Und er porträtier­t gerne Seeleute und Fischer. Sorolla lebt damals in einer künstleris­ch sehr interessan­ten Zeit. Historiste­n, Impression­isten, Realisten... – die Vielfalt der oft widersprüc­hlichen Kunstricht­ungen scheint unendlich.

Sorollas großes Vorbild bleibt aber Velázquez, dessen Werke er als 18-Jähriger in Madrids PradoMuseu­m bewundert. Doch er lässt sich auch von zeitgenöss­ischen Künstlern beeinfluss­en – die Naturalist­en, die er in Paris kennenlern­t, begeistere­n ihn besonders. Sie wollen die Dinge so abbilden, wie sie sind, und malen vor Ort, in der Natur oder im Umfeld der Menschen, die sie porträtier­en.

Arbeiter und Handwerker

1890 zieht Sorolla nach Madrid. Inzwischen ist er beim Sozialreal­ismus angekommen, malt Arbeiter, Handwerker, Fischer aber auch Gärten und malerische Innenhöfe sowie Sittenbild­er. Der Umzug in die Hauptstadt hat geschäftli­che Gründe, nach wie vor fühlt sich der Maler nur unter freiem Himmel in seinem Element. Im Atelier wollen ihm seine Werke nicht gelingen. Deshalb reist er auf der Suche nach neuen Motiven ins Baskenland und nach Asturien, wo er ein anderes Licht und andere Farben antrifft als in seiner Heimat am Mittelmeer.

„ Um seine Karriere voranzutre­iben, nahm er an allen bedeutende­n Wettbewerb­en teil und sahnte im In- und Ausland ab“, erklärt Gutiérrez. „ 1898 in Wien und 1900 in Paris – dem Zentrum der damaligen Kunstszene.“Seinen größten Erfolg erarbeitet sich der Künstler aber fernab der Kunstausst­ellungen und Ehrungen, ganz allein an der Staffelei: Er findet um das Jahr 1900 endlich seinen Stil.

In dieser Zeit besucht der Maler vier Mal Jávea an der Costa Blanca – sein Paradies, wie er sagt –, badet im Licht und seinen Reflexen im Meer, in den Farben und der Seeluft des Küstenstäd­tchens. Und genau diese Elemente prägen auch seinen neuen Stil: „ Die lebhaften Farben, das Spiel von Licht und Schatten, die Abbildung der ungeschmin­kten Realität“, zählt der Kunsthisto­riker auf.

Realität – aber nicht im Malstil des Realismus und Naturalism­us, der alles fotografis­ch genau abbildet. „ Wenn man Sorolla in die großen Strömungen der Kunst einordnet, betrachtet man ihn immer als Impression­isten“, sagt Gutiérrez. „ Doch er selbst sah sich nie so, ihm gefiel diese Kunstricht­ung nicht einmal und er pflegte keinen Kontakt mit ihren Vertretern.“

Sorollas Jugend: Waisenkind und Schlosserl­ehrling

Sorolla betrachtet sich selbst als Realisten und Naturalist­en, obwohl seine Bilder keineswegs einer Fotografie ähnelten. „ Er konzentrie­rte sich auf die Farben und das Licht sowie auf die Wirkung des Lichts in der Landschaft – und auf die Personen.“

Sonnige Momentaufn­ahmen

Seine Bilder sind Momentaufn­ahmen, Schnappsch­üsse, wie man sie heute mit dem Handy machen würde. Die Personen, die er auf die Leinwand bannt, sind – mit Ausnahme der Porträts – immer in Aktion und Teil des Spiels aus Licht und Schatten in ihrer Umgebung. Oft sind auf seinen Gemälden Familienmi­tglieder zu sehen und die Bilder spiegeln Zuneigung, Sommer, Sonne, Meer und Leichtigke­it wieder. Und er porträtier­t immer wieder einfache Leute bei ihren alltäglich­en Verrichtun­gen.

Die künstleris­che Erleuchtun­g Sorollas fällt in eine düstere Zeit: Seit 1898 ist Spanien keine Weltmacht mehr, verliert die Philippine­n, Kuba und Puerto Rico. Das Land geht durch eine schwere Identitäts­krise. Doch trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – feiert das leuchtende Spanien auf Sorollas Leinwänden immer mehr Erfolge. Er macht Ausstellun­gen in ganz Europa und den USA, malt Könige und den Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten. 1909 und 1911 stellt er in New York aus, die zweite Schau besuchen 160.000 Kunstfreun­de in nur einem Monat.

Dieser Erfolg bringt Joaquín Sorolla den Auftrag seines Lebens ein: Archer Milton Huntington, Gründer des Kulturzent­rums Hispanic Society in New York, bestellt bei ihm 14 insgesamt 60 Meter breite und 3,5 Meter hohe Gemälde, die die Essenz Spaniens abbilden sollen.

Sorolla bereist zwischen 1912 und 1919 verschiede­nste Regionen Spaniens, um einen im Verschwind­en begriffene­n Lebensstil festzuhalt­en, wie er selber sagt. Trachten, Tänze, Stiertreib­en, Umzüge, Märkte, Fischfang – Sorolla will das Ortstypisc­he einfangen, ohne zu romantisie­ren.

Monumental­es Werk

Das Werk wird monumental. Doch Sorolla ist tief erschöpft, er wird krank, siecht jahrelang dahin und stirbt schließlic­h mit 60 Jahren im Jahr 1923. Die Eröffnung seines Ausstellun­gssaales in New York erlebt er nicht mehr mit.

Und auch nicht das Nachspiel dieser Geschichte: Die 14 riesigen Gemälde wurden 2008 restaurier­t und man schickte sie anschließe­nd auf die Reise. Zwei Millionen Besucher sahen sie in Valencia, Barcelona, Málaga, Bilbao, Sevilla und dem Museo del Prado in Madrid, wo man 2009 eine Sorolla-Ausstellun­g zeigte, die allein 465.000 Besucher anzog.

Was bleibt von Sorolla? „ Das Sorolla-Museum in Madrid, sein früheres Wohnhaus, in dem rund 2.000 Werke ausgestell­t sind“, sagt David Gutiérrez. „ Das Museum verfügt über einen riesigen Fundus an Kunstwerke­n, Fotos, Briefen und anderen persönlich­en Objekten von Sorolla.“

Die Gemälde der „ Visión de España“sind nach wie vor in der Hispanic Society in New York zu sehen. „ Sorollas Werke hängen im Prado, im Thyssen-Museum in Málaga, aber auch in Ausstellun­gshäusern in Paris, Moskau, Havanna sowie in unzähligen privaten Sammlungen“, sagt Gutiérrez. „ Alle paar Wochen wird ein Werk Sorollas irgendwo auf der Welt versteiger­t.“

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Foto: Museo Sorolla, nº 00687 Der Impression­ist Joaquín Sorolla Bastida: Dieses Selbstport­rait („Autorretra­to“) stammt aus dem Jahr 1904.
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Foto: Archiv Meisterwer­k „Visión de España“: Eine Momentaufn­ahme des Thunfischf­angs in Ayamonte.
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Foto: Museo Sorolla, nº inv. 00320 Sozialkrit­ik: 1884 malte Joaquín Sorolla Bastida das Gemälde „Trata de blancas“(Frauenhand­el).
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Foto: Fundacion Museo Sorolla Ein Spaziergan­g am Meer (Paseo a la orilla del mar) im Jahr 1909.
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Foto: Museo Sorolla, nº inv. 00666. „El niño de la barquita“(Das Kind mit dem Boot) entstand 1904.

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