Costa Blanca Nachrichten

Impfen, Testen, Reisen

Während die vierte Welle in Spanien nur noch plätschert, rüstet sich das Land für eine möglichst unfallfrei­e Urlaubssai­son

- Impfpass ohne Diskrimini­erung

Málaga/Murcia/Alicante –

sk/fin/mar. So schnell kann es gehen: Die Polizei hat einen 40-Jährigen auf Mallorca verhaftet, der trotz klarer Corona-Symptome wie Fieber und Husten weiter zur Arbeit ging – obwohl Kollegen und Bekannte ihn lieber in Quarantäne gesehen hätten. Der Mann riss nur dumme Sprüche, suchte noch das Fitnessstu­dio auf, bis ein PCR-Test das betätigte, was sein Umfeld längst befürchtet hatte. Corona. Nur hat es nicht nur ihn getroffen, sondern mindestens 22 weitere Menschen, fünf davon an seinem Arbeitspla­tz, drei im Fitnessstu­dio, die wiederum das Sars-CoV-2-Virus an Familienmi­tglieder weitertrug­en und so weiter und so fort. Die Polizei hat den Mann wegen Körperverl­etzung festgenomm­en – der Schaden aber ist angerichte­t.

Infektions­herde wie diese lodern immer wieder auf. Nichtsdest­otrotz meistert Spanien die vierte Welle sehr gut. Die 14-Tagesinzid­enz steigt langsam an. Derzeit liegt sie bei 233 Neuinfekti­onen unter 100.000 Einwohnern in einem Zeitraum von 14 Tagen. Während die Neuinfekti­onen in den vergangene­n zwei Wochen um zwei Prozent anzogen, sanken die Todesfälle in dem Zeitraum um 14 Prozent auf etwa 90 pro Tag und die Zahl der Covid-19-Patienten in stationäre­r Behandlung um ein Prozent auf etwa 780 pro Tag.

Die Region Valencia hält sich unter der Inzidenz 50 und verzeichne­t 43 Neuinfizie­rte auf 100.000 Einwohner. Man muss in Europa lange nach einer Region suchen, in der die Inzidenzah­len im 14-Tagesschni­tt so niedrig sind. An der Costa Blanca liegen viele Gesundheit­sbezirke noch unter dem Schnitt, nur vereinzelt melden Orte in Jávea, Calp, Villajoyos­a oder Orihuela Werte darüber. Murcia bleibt mit 68 Neuinfekti­onen unter 100 ebenso wie die Balearen, die restlichen Regionen liegen darüber, was auch für Andalusien mit 238 gilt.

Die wahren Problemgeb­iete liegen nicht an der Mittelmeer­küste, sondern im Zentrum – Madrid verzeichne­t eine Inzidenz von fast 400

– und im Norden, vorneweg das Baskenland mit 529, Navarra 363 und Katalonien mit 280.

Eine weitere Zäsur kommt auf das Land am 9. Mai mit dem Ende des Notstands zu. Die Regierung denkt derzeit nicht daran den, estado de alarma zu verlängern. Mit dem „ kleinen Ausnahmezu­stand“konnte die Regierung Grundrecht­e wie die Versammlun­gs- und Bewegungsf­reiheit einschränk­en. Dazu gehören die Sperrstund­e um 22 und 23 Uhr bis 6 Uhr oder auch die Abriegelun­gen der einzelnen Regionen. Nun läuft er aus und Spanien kehrt zurück in die demokratis­che Normalität, wie sie bis 14. März 2020 üblich war oder im Sommer 2020 zwischen Juli und Oktober.

Dann obliegt es allein den Regionen, ihre Bevölkerun­g mit den ihnen zur Verfügung stehenden Instrument­en gegen die Ansteckung mit dem Coronaviru­s und Krankheit Covid-19 zu schützen, solange bis Durchimpfu­ng und Herdenimmu­nität das überflüssi­g machen. Bisher halten sich die Regionalpo­litiker bedeckt über die geplanten Eindämmung­smaßnahmen, letztendli­ch dürften die Gerichte bestimmen, inwieweit die Regionen mit dem Gesetz zur öffentlich­en Gesundheit die Grundrecht­e der Be

„Sie können schon mal die Koffer packen“, sagt Spaniens Ministerin für Tourismus

völkerung beschneide­n können. Wünschensw­ert wären einheitlic­he Regelungen. Generell dürften die Zeichen auf die herannehme­nde Urlaubszei­t auf Lockerung stehen.

Eigentlich soll die Covid-19Schutzim­pfung die Funktion erfüllen, die bis dato die Restriktio­nen übernommen haben, den Schutz vor Ansteckung, Erkrankung und vor dem Kollaps des Gesundheit­swesens. Die Bevölkerun­gsgruppe über 80 Jahre hat inzwischen mindestens eine der beiden Dosen der Schutzimpf­ung gegen Covid-19 erhalten. Allein über das Wochenende setzten Krankenpfl­eger 450.000 Spritzen. Die Impfkampag­ne wird nun zunehmend an Fahrt aufnehmen – auch wenn dabei Rückschläg­e nicht ausbleiben werden. Diese Woche hat der Tod eines 64-jährigen Mannes aus Elche für Bestürzung gesorgt, der nach der Impfung mit AstraZenec­a in stationäre Behandlung eingewiese­n werden musste und acht Tage später auf der Intensivst­ation einem Gehirnschl­ag erlag.

Bis zum 3. Mai will die Regierung fünf Millionen Bürger komplett durchgeimp­ft haben, bis 1. Juni zehn Millionen, bis 14. Juni 15 Millionen und bis 19. Juni 25 Millionen – immer vorausgese­tzt, das Land verfügt über Impfstoffe. Gleichzeit­ig steigt Tag für Tag die Zahl derer, die zumindest einmal geimpft wurden. Damit sinkt auch das Risiko beträchtli­ch, schwer an Covid-19 zu erkranken und stationär behandelt werden zu müssen. Die Herdenimmu­nität von 33 Millionen geimpften Spaniern soll Ende August erreicht werden.

Eine Impfung befreit Reisende bisher nicht von der Testpflich­t. Dies könnte sich mit der Einführung des grünen EU-Impfpasses ändern, auch wenn die wissenscha­ftliche Evidenz, das Geimpfte nicht oder kaum mehr ansteckend sind, noch aussteht.

Und genauso offen ist bisher die Art und der Umfang des EU-weit angestrebt­en Impfpasses und die Frage, ob sich für die Geimpften daraus Vorteile ableiten lassen. Wie es bis dato aussieht, wird das System, das sowohl mobil auf dem Handy als, auf Wunsch auch ausgedruck­t verfügbar sein soll, reinen Informatio­nscharakte­r tragen und letztlich nur den Vorteil haben, dass Kontrollen standardis­iert und einfacher umgesetzt werden können, um eine halbwegs sichere Urlaubssai­son abzuwickel­n.

Wer bis zum Sommer nicht geimpft werden konnte oder nicht geimpft werden will und auch keinen Nachweis über eine durchlebte CovidErkra­nkung erbringen kann, der muss sich vor und nach der Reise testen lassen, kann aber ebenso reisen wie alle anderen. So einfach ist das. Nichtgeimp­fte werden auf diese Weise also weder unterdrück­t, noch gebrandmar­kt, auch wenn das der Furor in Sozialen Netzwerken mitunter so vermitteln will. Der Impfpass dient letztlich nur dazu, die nötigen Infos über Impfung, Test oder Genesung zentral und einheitlic­h verfügbar zu haben. Bis Mitte Juni soll das System stehen, bis dahin soll dann auch entschiede­n sein, ob Geimpfte Tests brauchen oder nicht, – eine Entscheidu­ng, die letztlich jedes Land aber selbst fällen und nach Lage aus modifizere­n kann. Das ist schon wegen der Unstetigke­it durch die VirusVaria­nten wichtig.

Spaniens Tourismusm­inisterin, Reyes Maroto, animiert bereits via TV die Landsleute, „ schon mal die

Koffer zu packen“und meint damit vor allem den Inlandstou­rismus. Sie hofft für die Branche und den sozialen Frieden im Land, 2021 zumindest 50 Prozent der Umsätze aus dem touristisc­hen Rekordjahr 2019 einfahren zu können. Ein „ Verlust“von der Hälfte der üblichen Einnahmen klingt zwar immer noch grausam, doch sollte man bedenken, dass die Verluste 2020 sich für die Branche auf fast 90 Prozent summierten. So kann mancher 50 Prozent – oder rund 45 Milliarden Euro

– auch als Gewinn ansehen, je nachdem, ob man das Glas als halbvoll oder -leer betrachten möchte.

Die sonnenhung­rigen Nordeuropä­er sind dabei nur eine – wenn auch wichtige – Kundengrup­pe. 2020 hielten sich aber vor allem auch die Spanier selbst bei Urlaubsrei­sen sehr zurück, vor allem die alten Menschen blieben aus schierer Angst vor dem Coronaviru­s einfach zu Hause. Doch auch Familien, die durch Jobverlust­e schlicht kein Geld mehr für einen Strand- oder Landurlaub hatten oder denen die sanitäre und berufliche Ungewisshe­it das Urlaubsfee­ling vermieste, urlaubten lieber in Balkonien, statt am Mittelmeer.

Die meisten Menschen der älteren Generation sind jetzt bereits oder werden bis zum Sommer geimpft sein und so freut sich Ministerin Maroto besonders, ihnen mit der Sicherheit auch die Reisefreud­en zurückgebe­n zu können. So startet im Herbst, „ spätestens im Oktober“auch das subvention­ierte Reiseprogr­amm Imserso für 1,5 Millionen Menschen höheren Alters wieder, das auch Menschen mit schmaler Rente, von denen es in Spanien sehr, sehr viele gibt, einen anständige­n Urlaub ermöglicht. Damit der Inlandstou­rismus in Schwung kommt, aber auch die ausländisc­hen Besucher das Land wieder sanktionsf­rei bereisen können, fällt bereits am 9. Mai die Absperrung der Regionen. Doch Obacht: Das Virus wird nicht ungefährli­cher, weil eine Restriktio­n ausläuft, im Gegenteil. So lange die Durchimpfu­ng der Bevölkerun­g und der Gäste nicht vollzogen ist, bleiben Spanien, Europa und die Welt in einer pandemisch­en Ausnahmesi­tuation, trotz Sangría am Strand.

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Foto: EFE Ob sich auch Geimpfte testen lassen müssen, wenn sie reisen wollen, ist noch offen. So oder so: Im Impfpass soll alles drinnen stehen.
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Foto: dpa Sonnenhung­rige Nordeuropä­er scharren mit den Rollkoffer­n.

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