Wundersame Euphorie für Türme
Ältester PGOU Spaniens macht eigenartige Stadtentwicklung möglich – Auch „El País“wundert sich
Bereits 2019 versprach die Stadtverwaltung Torrevieja den Flächennutzungsplan (PGOU) zu überarbeiten und auf den neuesten Stand zu bringen, eine entscheidende Voraussetzung für eine geordnete Stadtentwicklung wie auch den Schutz der Natur, aber auch die Legalisierung bereits umgesetzter Bauprojekte. Torreviejas PGOU (plan general de ordenación urbana) ist der älteste Spaniens einer Stadt über 75.000 Einwohnern und stammt von 1986.
Mittlerweile gab es darin über 100 Modifikationen, die allerdings solange nur vorläufigen Charakter haben, bis die Landesregierung Valencia nach Abschluss eines entsprechenden Erstellungsverfahrens die wirklichen Genehmigungen erteilt. Seit 2019 gibt es im Rathaus zwar eine entsprechende Kommission, die mit der Ausschreibung eines Auftrags zur Erstellung eines neuen PGOU beauftragt wurde, doch in den zwei Jahren ihrer Arbeit kam nichts Verwertbares zu Stande. Im Gegenteil, in der letzten Sitzung am 16. April befand die mit am Tisch sitzende und von der Stadt offiziell unabhängig agierende Innenrevision, dass die Ausschreibung nicht korrekt formuliert sei und daher neu erarbeitet werden müsse. Die eingereichten Bewerbungen sind damit wieder hinfällig, es geht um ein Volumen von über 400.000 Euro.
Doch selbst wenn irgendwann ein qualifiziertes Unternehmen zur Ausarbeitung gefunden wird, hat dieses nach Rechtslage bis zu 40 Monate, also dreieinhalb Jahre Zeit, den neuen Flächennutzungsplan zu erarbeiten, wozu dann noch die notwendigen Fristen kommen für die öffentliche Einsicht und die Genehmigung durch lokale und regionale Behörden, das Küstenamt sowie das Umweltministerium in Madrid.
Die Opposition vermutet hinter dem quälend langsamen Prozedere eine bewusste Verzögerungstaktik, mit der Leichen im Keller“, also geplante Projekte, die womöglich nicht genehmigt werden könnten oder solche, die unter falschen Voraussetzungen genehmigt wurden, nicht auffliegen sollen. Die linke Opposition sieht eine Welle von Skandalen, Gerichtsprozessen und womöglich - wieder einmal - Zigmillionen Euro an Strafen und Entschädigungszahlungen auf die Steuerzahler Torreviejas zukommen.
Übrigens zählen auch die 18 geplanten Hochhaus-Türme in Strandnähe, die in Torrevieja eine aufgeregte Debatte über die Zukunft und das Wohl und Wehe der Stadt entfacht haben, zu den Modifikationen“, die vor rund zehn Jahren in den PGOU eingetragen wurden. Sie kamen wegen der Finanzierungskrise im Zuge der Immobilienblase nicht zum Zuge, werden nun aber der Reihe nach und mit dem Wohlwollen des Bürgermeisters in Windeseile durch das Genehmigungsverfahren geschleust es kann also durchaus auch in Torrevieja schnell gehen, wenn die Motivation stimmt.
Radikaler Wandel
Auch der landesweit führenden Tageszeitung El País“sind die Projekte der für Torrevieja bisher unüblichen Wolkenkratzer“á la Benidorm aufgefallen, die das Stadtbild und Tourismuskonzept der Salzstadt radikal verändern werden. In einem Artikel wundert sich El País“über die Euphorie der Baubranche“für etliche Hotels und tausende weitere Ferienwohnungen in bis zu 29 Stockwerken hohen Bauten nahe am Strand“und erwähnt auch die Eigentümlichkeiten des historischen“Flächennutzungsplanes, der all das so umstandslos möglich mache, obwohl die Landesregierung von Valencia eigentlich darum bemüht sei, die weitere Bebauung der übersättigten küstennahen Gebiete stark zu beschränken.
Im gerade vor dem Parlament liegenden neuen Gesetz über den Klimawandel, reklamiert der Zentralstaat zwar Veto-Rechte für Bauprojekte, die dem Umweltund Klimaschutz zuwiderlaufen. Doch bis der Entwurf gelebtes Recht wird, dürften bereits mehr als 18 Hochhaus-Türme Torrevieja zustellen.