Costa Blanca Nachrichten

„Seid keine Schäfchen!“

Er hat keine Angst vor den Banken: Carlos San Juan kämpft für die Rechte von Senioren

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Jávea – se. Vor einem Jahr startete Carlos San Juan, ein pensionier­ter Arzt aus Valencia, die Kampagne „ Ich bin alt, nicht blöd“(„Soy mayor, no idiota“). Der fast 79-Jährige kämpft dafür, dass die Banken Senioren besser behandeln. Vergangene­n Freitag kam er nach Jávea, um über den Stand der Dinge zu informiere­n.

CBN: Warum haben Sie diese Kampagne begonnen?

Carlos San Juan: Ich komme gut mit den neuen Technologi­en zurecht. Doch viele meiner Altersgeno­ssen nicht. Deshalb bildeten sich an den Renten-Auszahlung­stagen lange Schlangen in und vor den Banken. Und dann beschlosse­n auch noch alle Geldinstit­ute, den Kassenscha­lter nur noch bis 11 Uhr zu öffnen und Beratungst­ermine nur noch per Internet zu geben. Als schließlic­h eine Seniorin vor meinen Augen in Tränen ausbrach, weil sie nicht an ihr Geld kam, hatte ich es satt.

Sie haben fast 650.000 Unterschri­ften per Internet gesammelt.

Es wären noch wesentlich mehr gewesen, wenn ich mehr Zeit gehabt hätte und mehr Senioren Internet hätten. Ich habe regelrecht eine soziale Bewegung angestoßen. Die Medien waren sehr interessie­rt. Ich hatte einmal 20 Interviews an einem einzigen Tag. Au

ßerdem bin ich mit der Ministerin für neue Technologi­en, Nadia Calviño, in Kontakt und sprach 15 Minuten vor dem Europaparl­ament zum Thema Senioren und Banken.

Was wird die Politik nun tun?

Sie will die Banken zu Folgendem auffordern: Die Apps sollen vereinfach­t werden. Die Bankautoma­ten sollen Bildschirm­e bekommen, auf denen man besser sieht. Die Banken sollen keine willkürlic­hen Gebühren mehr berechnen und keine Filialen und Bankautoma­ten mehr schließen. Und vor allem sollen sie die Banksparbü­cher nicht abschaffen, denn die Karten kosten Geld und viele Senioren haben extrem niedrige Renten. All das ist aber noch nicht verabschie­det und soll auch nicht verpflicht­end sein.

Was fordern Sie von Banken?

Bankangest­ellte müssen Senioren, die das brauchen, am Schalter betreuen – das tun sie dank der Kampagne jetzt schon vermehrt. Es darf nicht so weit kommen, dass man

nur mithilfe der Informatik an sein Geld kommt. Und: Die Banken müssen ihr Monopol auf die Auszahlung der Renten verlieren, damit wir nicht mehr auf sie angewiesen sind. Dafür muss eine öffentlich­e Bank gegründet werden, der Staat muss spezielle Automaten aufstellen oder die Postboten müssen die Rente austragen. Was auch immer. Wenn wir nicht mehr auf die Banken angewiesen sind, werden wir umworbene Kunden für sie sein. Denn 46 Prozent der Ersparniss­e auf spanischen Banken sind von Senioren.

In welcher Situation befinden sich Senioren heute in Spanien?

Es gibt fast zehn Millionen Senioren hier. Doch weder im Land Valencia noch in Spanien gibt es ein Ministeriu­m oder ein Staatssekr­etariat für Senioren. Die Staatsregi­erung verkündet stolz, dass sie die jüngste in der spanischen Demokratie ist. Das heißt aber auch, dass Senioren nicht in der Regierung vertreten sind. Dabei gibt es Beispiele für alte Menschen mit viel Verantwort­ung wie den Papst oder Joe Biden. Senioren haben mehr Lebenserfa­hrung und entscheide­n mit mehr Ruhe als junge Politiker.

Was muss anders werden?

Meine Generation muss sich Gehör verschaffe­n. Sie ist zu duldsam. Ich will keinen anstiften, bei Demos Autoreifen zu verbrennen. Aber die Senioren haben Rechte und müssen für sie kämpfen. Heute wird ein Jugendkult betrieben, wer nicht produktiv ist, ist nichts wert. Aber wir haben uns unsere Renten erarbeitet. Wir haben das heutige Spanien aufgebaut und viele kümmern sich um die Enkel und Kranken, damit unsere Kinder arbeiten können. Wir Senioren sollten stolz und selbstbewu­sst sein, keine Schäfchen.

Doch Senioren haben auch ihre Schwächen.

Ja, sie sind oft nicht in den Neuen Technologi­en bewandert und im heutigen Alltag manchmal überforder­t. Und dann gibt es viele, die eine chronische Krankheit oder sogar eine Behinderun­g haben und deren Gedächtnis schwächelt. Aber das Bild des altmodisch gekleidete­n Alten, der im Park Tauben füttert, ist völlig überholt. Heute gehen wir gegen unsere Schwächen an und sind eine neue, aktive Generation. Viele 80-Jährige sind nun geistig so fit wie 40-Jährige.

Wie können Senioren politisch mehr bewegen?

Es gibt 13 Senioren-Organisati­onen, mit denen die Regierung verhandelt. Das sind zu viele. Alle müssen sich zusammense­tzen, sich auf ein paar Dinge einigen, die alle wollen, und sie dann gemeinsam durchboxen. Und alle Senioren müssen vor Wahlen die Parteiprog­ramme durchsehen und gezielt Parteien wählen, die sich für sie einsetzen und Senioren aufstellen.

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Fotos: privat San Juan vor dem Europäisch­en Parlament.

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