Costa Blanca Nachrichten

Dafür brennt das Herz

Valenciani­sches Lebensgefü­hl pur – Städtische Falla als Hommage an die Region und ihre Einwohner

- Valencia Kristina Pfahl

Im Viertel Ciudad Fallera in Valencia herrscht so kurz vor dem wichtigste­n Fest der Stadt reger Betrieb. An den Straßen reiht sich eine Künstlerwe­rkstatt an die nächste, durch die geöffneten Tore dringen die Stimmen der Handwerker und der Lärm ihrer Maschinen nach außen. Einige von ihnen arbeiten auch vor den Ateliers auf der Straße an kleineren Figuren für das Fallas-Fest. Mittendrin in dem geschäftig­en Gewusel ist Manuel García Lleonart: Er hat gleich mehrere der großen Studios für seine Projekte angemietet, gerade steht er an seinem Arbeitstis­ch und fertigt Fische aus Holz an, die er mithilfe eines Tackers miteinande­r verbindet. Über einen Lautsprech­er schallt valenciani­sche Volksmusik, die bald auch auf den Straßen der Landeshaup­tstadt zu hören sein wird.

„ Als Falla-Künstler wird man geboren“, meint der Valenciane­r, „ oft sind es mehrere Generation­en einer Familie, die sich mit dem Bau der Figuren beschäftig­en.“Der Schreiner und Falla-Künstler García möchte sich in diesem Jahr mit seiner Falla, der für das Fest typischen riesigen Pappmachéf­igur, einen Namen machen. Er baut als jüngster Künstler in der Geschichte des riesigen Volksfests die Falla municipal, die große Figur auf dem Rathauspla­tz.

Im Gegensatz zu den anderen Fallas wird diese Figur aus kommunalen Mitteln und nicht von der jeweiligen Fallas-Kommission finanziert und tritt nicht bei dem jährlichen Wettbewerb an, bei dem die schönste Figur gekrönt wird. Dies macht sie jedoch nicht weniger spektakulä­r: die Falla municipal kann mit denen aus der Kategorie „ especial“, der Königsdisz­iplin der Fallas, locker mithalten, was sich auch in ihrem Budget – über 200.000 Euro – widergespi­egelt.

Dementspre­chend groß ist die Konkurrenz unter den Künstlern, die ihre Vorschläge für das Kunstwerk in einem Wettbewerb der jeweiligen Fallas-Kommission präsentier­en, die schlussend­lich die beste Idee auswählt. Manuel García Lleonart hat es in diesem Jahr mit seinem Projekt geschafft, die Konkurrenz abzuhängen. Basierend auf einem Design von Marina Puche, die als erste Frau die Falla municipal entwerfen durfte, wird er die 28 Meter hohe Figur durch sein handwerkli­ches Geschick zum Leben erwecken.

Das valenciani­sche Herz

Die Tradition der Fallas hat ihren Ursprung vermutlich in einer Mischung aus heidnische­n Ritualen und den Traditione­n der Zimmerleut­e, die im 18. Jahrhunder­t alte Holzreste verbrannte­n. Heute sind die Fallas regelrecht­e Kunstwerke, die bis zu 30 Meter hoch in den Himmel ragen und nicht nur hübsch aussehen, sondern auch aussagekrä­ftige Botschafte­n, oft satirische­r Natur, enthalten und häufig lokale Elemente aufgreifen.

„ Jede Falla braucht ein Thema“, bestätigt Manuel García. Unter dem Namen „ Cardiovers­ió valenciana“(valenciani­sche Kardiovers­ion) orientiert sich sein Kunstwerk dieses Jahr an dem Thema valenciani­sches Herz. „ Bei unserer Falla geht es um die Dinge, die das Herz höher schlagen lassen und die es heilen können, wenn wir unseren Rhythmus verloren haben“, erklärt García. Als Kardiovers­ion bezeichnet man in der Medizin die Wiederhers­tellung des normalen Herzrhythm­us infolge von Herzproble­men, was sich auf die heilende Wirkung der Fallas für das valenciani­sche Lebensgefü­hl übertragen lässt.

Marina Puche und Manuel García haben sich bei dem Design besonders von den Werken des bekannten valenciani­schen Malers Joaquín Sorolla, dessen 100. Todestag der Region 2023 das Sorolla-Jahr beschert, inspiriere­n lassen. Diesen Einfluss kann man besonders an den Wellen des Meeres sehen, die den Sockel der Falla bilden und ein typisches Motiv Sorollas imitieren.

„ Wir haben versucht, viele lokale Elemente zu verwenden, die Valencia repräsenti­eren“, erzählt García, „ ganz unten sieht man natürlich das Meer, aber auch die Orangenbäu­me, die typisch für die Region sind, ragen oben aus dem Herzen heraus. Außerdem werden Tiere in der Falla zu finden sein, die man hier im Meer und in der Albufera antreffen kann, wie etwa Quallen, Fische, Wale, Flamingos, Enten und andere Vogelarten.“Die wichtigste­n Gebäude der Stadt, unter anderem der Miguelete, eine typische Hütte aus der Albufera und die Torres de Serranos, wer

den auch in der Falla vertreten sein.

Für das Design wurde auch ein interaktiv­es Element eingebaut. Interessie­rte konnten im letzten Jahr zu der Frage „ Was macht dein Herz glücklich?“Vorschläge einsenden, die nachher von den Künstlern zu Szenen geformt und in die Falla aufgenomme­n wurden. „ Hier sieht man zum Beispiel eine Frau mit ihrem Blindenhun­d, die wandern geht“, sagt García, „ oder die typische Merienda zum Nachmittag, die besteht aus einem belegten Brötchen, Bocata, und einem kühlen Bier, sehr wichtig für die Valenciane­r.“Um dem Design die Krone aufzusetze­n, will der Handwerker das stattliche Kunstwerk mit Lichtern und Lautsprech­ern ausstatten, „ damit es nachher so klingt, als würde das Herz wirklich schlagen“.

Ein Jahr voller Arbeit

„Valencia verwandelt sich in das größte Museum der Welt“

Derzeit arbeiten Manuel García und sein zwölfköpfi­ges Team auf Hochtouren. „ Ich habe sehr viel zu tun. Wir arbeiten seit März 2022 an der Falla“, lacht der Künstler, „ so ein Projekt dauert ein Jahr“. Von der Idee der Falla bis zu ihrer Umsetzung ist es also ein langer Weg. „ Am Anfang steht natürlich das Design, anschließe­nd wird am Computer ein Modell erstellt, dann wird dieses Modell gebaut, und erst danach kann mit der richtigen Arbeit begonnen werden“. Das Mini-Modell der Falla steht auch in Garcías Atelier, mit unzähligen Beschriftu­ngen, die anzeigen, wo die einzelnen Elemente wie an der Falla platziert werden sollen.

Um sie später von der Ciudad Fallera bis zum Rathauspla­tz trans

portieren zu können, muss die Figur aufgrund ihrer Größe nämlich in acht Teile zerlegt werden, die der Künstler und seine um die 20 Helfer am Tag der plantà, dem Aufstellen der Fallas am 15. März, öffentlich in der Stadt wieder zusammenba­steln werden. Aus diesem Grund ist das Herz in Garcías Werkstatt auch noch in zwei Teile zerlegt, der Sockel sowie die verschiede­nen Figuren stehen noch einzeln und ein wenig verloren scheinbar kreuz und quer in der großen Halle.

„ Der Aufbau am Rathauspla­tz

wird spektakulä­r“, versichert Manuel García und rät dazu, sich die plantà anzusehen. Es ist durchaus ein heikles Unterfange­n, aber der Schreiner ist zuversicht­lich, was sein Werk angeht. „ Nur der Wind macht mir ein wenig Sorgen, da die Figur viele freischweb­ende Elemente enthält“, erklärt García. Gegen den während der Fallas durchaus häufig gesehenen Regen sei sein Kunstwerk jedoch ausreichen­d gewappnet.

Noch fällt es schwer, sich beim Anblick der Einzelteil­e im Atelier vorzustell­en, wie die aufgestell­te Falla am Ende aussehen wird. Aber schon jetzt wirken die verschiede­nen Elemente beeindruck­end groß, viele von ihnen sind mehrere Meter hoch und breit. „ Die Wellen hier unten malen wir gerade an, die sind natürlich noch nicht ganz fertig“, meint der Fallera-Künstler bei einem Rundgang durch seine Halle und zeigt auf den Sockel, der durch seine Größe bereits vom Eingang der Werkstatt ins Auge springt.

Einige Teile, unter anderem die untere Hälfte des Herzens, sind bei unserem Besuch noch nicht ganz bereit für die Farbe und man erkennt die Holzstrukt­uren unter den Elementen. Manuel García Lleonart benutzt für die Figuren die sogenannte­n varetas, dünne Holzstäbe, die in Form gebracht und anschließe­nd befestigt werden. Sie gelten als traditione­lles Material der Figuren, werden heutzutage

von vielen Fallas-Künstlern jedoch oftmals durch andere Materialie­n ersetzt. Die Arbeit mit der vareta gefällt Manuel García jedoch besonders gut und er stellt neben den Fallas-Figuren aus ihnen auch Dekoration­en, zum Beispiel Lampen, Figuren, Decken- und Wandverkle­idungen für Restaurant­s, Hotels und öffentlich­e Gebäude in seiner Werkstatt her.

Wie viele andere ist auch García über seinen Vater zu dem Beruf gekommen. Schon als kleiner Junge wollte er ihm bei seinen Pappmachéf­iguren helfen und habe ihn in seiner Werkstatt besucht, erinnert sich der Schreiner. „ Ich war bei vielen seiner Projekte dabei – um ihn zu unterstütz­en, und vor allem, um von ihm zu lernen“, erinnert sich der Spanier. Oft werde das Handwerk jedoch nicht angemessen wertgeschä­tzt, bedauert García, auch weil es internatio­nal wenig bekannt ist. Mit seiner Falla erhofft sich der junge Künstler dennoch die nötige Anerkennun­g, die es ihm erlauben soll, auch in Zukunft seiner Leidenscha­ft nachgehen zu können. Ideen für das nächste Jahr habe er bereits, gesteht er, schließlic­h sei das Fest schon bald vorüber und er müsse sich neuen Projekten widmen.

„ Es ist eine Mischung aus Trauer und Freude, wenn die Falla am Ende verbrannt wird“, meint Manuel García, „ Trauer, weil man so viel Arbeit hineingest­eckt hat und Freude, weil nur dadurch die Fallas möglich sind.“So wird es vermutlich­e vielen der Falleros gehen, die das ganze Jahr über auf das Fest hinfiebern, wenn in der Nacht des 19. März das Feuer kommt, um die Figuren eine nach der anderen zu verschling­en.

Trotzdem kann García, der selbst in einem der Falla-Verbände, in Benicalap, Mitglied ist und sich und seiner Familie bereits traditione­lle Trachten besorgt hat, die Festtage kaum erwarten. „ Valencia verwandelt sich in das größte Museum der Welt“, meint der Künstler lächelnd. Und er sei stolz darauf, bei diesem Museum mit seiner Falla mitwirken zu dürfen.

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Fotos: Kristina Pfahl Manuel García Lleonart appelliert dieses Jahr mit der Falla municipal an das Heimatgefü­hl der Valenciane­r.
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So soll die fertige Falla municipal aussehen.
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Von der Idee bis zum Kunstwerk: Der Entstehung­sprozess einer Falla ist lang.
 ?? ?? Garcías Werkstatt beherbergt die zahlreiche­n Falla-Figuren.
Garcías Werkstatt beherbergt die zahlreiche­n Falla-Figuren.
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Szenen, die das valenciani­sche Herz glücklich machen.

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