Costa Blanca Nachrichten

In Schieflage

Leser schreiben für Leser: Gedanken eines langjährig­en männlichen Hausputtel­s zum 8. März

- Sylvester Anmut San Juan de los Terreros

Unter Gleichbere­chtigung versteht man inzwischen weit mehr als die zwischen Mann und Frau. Zum Beispiel: People of color, Diverse, Queere und so weiter. Und doch entsprang das Wort einst dem Bestreben der Frauen, eine gleiche Wertung in der Gesellscha­ft und im Leben einzunehme­n, wie sie der männliche Teil der Menschheit erfährt.

Schon bei den letzten Worten sträubt sich ein wenig die Schreibfed­er. Wollen Frauen und Mädchen das wirklich? Wollen sie all das, was den Männern und Jungen in Jahrtausen­den an Rolle in der Gesellscha­ft angewachse­n ist, mit ihnen teilen? Aus meiner Sicht vertane Mühe, wenn es nicht gelingt, statt sich in die Männerwelt einzureihe­n, eine speziell dem weiblichen Geschlecht entspringe­nde Qualität von Denken, Handeln, Entscheide­n und Leben in den Lauf der Welt einfließen zu lassen. Ich ahne, welchen Aufschrei dieser Satz bei den Anhängern der in letzter Zeit entdeckten geschlecht­lichen Nichtzuord­nungen provoziert, aber sei’s drum.

Ich möchte mich einem viel bescheiden­eren Thema widmen, zu dem das Wort Gleichbere­chtigung passgenau ausdrückt, was es einst meinte. Ich denke, es gibt eine bedeutende diskrimini­erende Spaltung innerhalb des weiblichen Geschlecht­s und soweit sie Männer einbezieht auch innerhalb dieser. Die Spaltung, die ich meine, ist am besten mit dem Wort Hausputtel umschriebe­n. Sofern sich eine Frau, und mitunter auch ein Mann dazu entschließ­t, die Tatkraft, den Ideenreich­tum und die Arbeit auf Familie, Heim, Kind oder gar sich selbst zu konzentrie­ren, wird denjenigen mehr als weniger ein egoistisch­es, der Gesellscha­ft kaum nützliches Dasein zugeschrie­ben.

Das Hausputtel macht die niederen Arbeiten und lebt vom Geld des Mannes (manchmal der Frau, so, wie ich es zehn Jahre gehalten habe). Es ist kaum in der besoldeten Gemeinscha­ft der arbeitende­n Frauen anerkannt, eher wird es bemitleide­t und in Richtung arabischer Verhältnis­se verortet. Das

Es wäscht und putzt und kocht und nachmittag­s liegt es auf dem Sofa.

bisschen Verantwort­ung, das es trägt – im Gegensatz zu den Edelfrauen, die die Kinder morgens mit dem Auftrag: „ Mach was draus!“der Gesellscha­ft übergeben – ist kaum der Rede wert. Was macht es, das Hausputtel, sonst noch den ganzen Tag? Es wäscht und putzt und kocht und nachmittag­s liegt es auf dem Sofa, um ausgeruht zu sein, wenn der Mann von seinen Heldentate­n nach Hause kehrt.

Einen Haushalt zu führen, die Kinder zu erziehen, sich im privaten Kreis zu engagieren oder für seine eigene Bildung in eigenveran­twortliche­r Sphäre zu sorgen: All das wird von ihren Mann stehenden Frauen ein wenig von oben herab betrachtet.

Es befreit sich erst von dem „ es“und gewinnt an gleicher Anerkennun­g, wenn das Hausputtel gleichzeit­ig versucht, in der Männerwelt ihren Mann zu stehen, und wie seine biologisch­en Artgenossi­nnen einen angemessen­en Lohn, der eine deutliche Wertschätz­ung der Gesellscha­ft darstellt, in die Familienka­sse einbringt. Früher gab es neben dem Begriff Hausherr noch den Begriff der Hausdame. Ich bin davon überzeugt, dass mit der Wandlung des Begriffes Hausdame zur Hausfrau und dann zum Hausputtel die Schieflage der Gleichbere­chtigung innerhalb der Frauen entstanden ist, der lediglich dadurch begegnet wird, indem das Hausputtel endlich in die Gemeinscha­ft der Wertschöpf­enden einzieht.

Vielleicht sind diese Überlegung­en bedeutungs­los und vielleicht ist mit Gleichbere­chtigung gemeint, dass die Frauen, wie ihre männlichen Artgenosse­n ihre Haut auf den Arbeitsmar­kt tragen, bis sie sich von ihnen nicht mehr unterschei­den. Er, der Arbeitsmar­kt wird früher oder später eine Gleichheit der Geschlecht­er schaffen, wie sie uns einige Avantgardi­stInnen vorleben. Ein künftiger Arbeitsmar­kt der Leihmütter, die das Kinderkrie­gen übernehmen, oder die künstliche Befruchtun­g, da wir uns kaum noch sicher sind, ob wir Männlein, Weiblein oder beides oder gar nichts sind, könnten eine Richtung andeuten.

Für unsere Nachkommen sollten wir auf jeden Fall in Madame Tussaud’s Wachsfigur­enkabinett einen Mann, eine Frau, einen Hausmann und eine Hausfrau abbilden lassen. Damit wir uns an sie erinnern, sofern sie einmal ausgestorb­en sind.

Die Frage, die Christa Wolf in ihrem Roman „ Kassandra“stellte, wie eine Welt aussähe, die Jahrtausen­de von Frauen dominiert wäre, kann keiner beantworte­n. Aber sie regt an, darüber nachzudenk­en, ob es wirklich das ist, was wir meinen.

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Foto: Bild von freepic.diller auf Freepik Schönheit mit Kürbis: Viele kleine Mädchen verkleiden sich gerne als Aschenputt­el.

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