In Schieflage
Leser schreiben für Leser: Gedanken eines langjährigen männlichen Hausputtels zum 8. März
Unter Gleichberechtigung versteht man inzwischen weit mehr als die zwischen Mann und Frau. Zum Beispiel: People of color, Diverse, Queere und so weiter. Und doch entsprang das Wort einst dem Bestreben der Frauen, eine gleiche Wertung in der Gesellschaft und im Leben einzunehmen, wie sie der männliche Teil der Menschheit erfährt.
Schon bei den letzten Worten sträubt sich ein wenig die Schreibfeder. Wollen Frauen und Mädchen das wirklich? Wollen sie all das, was den Männern und Jungen in Jahrtausenden an Rolle in der Gesellschaft angewachsen ist, mit ihnen teilen? Aus meiner Sicht vertane Mühe, wenn es nicht gelingt, statt sich in die Männerwelt einzureihen, eine speziell dem weiblichen Geschlecht entspringende Qualität von Denken, Handeln, Entscheiden und Leben in den Lauf der Welt einfließen zu lassen. Ich ahne, welchen Aufschrei dieser Satz bei den Anhängern der in letzter Zeit entdeckten geschlechtlichen Nichtzuordnungen provoziert, aber sei’s drum.
Ich möchte mich einem viel bescheideneren Thema widmen, zu dem das Wort Gleichberechtigung passgenau ausdrückt, was es einst meinte. Ich denke, es gibt eine bedeutende diskriminierende Spaltung innerhalb des weiblichen Geschlechts und soweit sie Männer einbezieht auch innerhalb dieser. Die Spaltung, die ich meine, ist am besten mit dem Wort Hausputtel umschrieben. Sofern sich eine Frau, und mitunter auch ein Mann dazu entschließt, die Tatkraft, den Ideenreichtum und die Arbeit auf Familie, Heim, Kind oder gar sich selbst zu konzentrieren, wird denjenigen mehr als weniger ein egoistisches, der Gesellschaft kaum nützliches Dasein zugeschrieben.
Das Hausputtel macht die niederen Arbeiten und lebt vom Geld des Mannes (manchmal der Frau, so, wie ich es zehn Jahre gehalten habe). Es ist kaum in der besoldeten Gemeinschaft der arbeitenden Frauen anerkannt, eher wird es bemitleidet und in Richtung arabischer Verhältnisse verortet. Das
Es wäscht und putzt und kocht und nachmittags liegt es auf dem Sofa.
bisschen Verantwortung, das es trägt – im Gegensatz zu den Edelfrauen, die die Kinder morgens mit dem Auftrag: „ Mach was draus!“der Gesellschaft übergeben – ist kaum der Rede wert. Was macht es, das Hausputtel, sonst noch den ganzen Tag? Es wäscht und putzt und kocht und nachmittags liegt es auf dem Sofa, um ausgeruht zu sein, wenn der Mann von seinen Heldentaten nach Hause kehrt.
Einen Haushalt zu führen, die Kinder zu erziehen, sich im privaten Kreis zu engagieren oder für seine eigene Bildung in eigenverantwortlicher Sphäre zu sorgen: All das wird von ihren Mann stehenden Frauen ein wenig von oben herab betrachtet.
Es befreit sich erst von dem „ es“und gewinnt an gleicher Anerkennung, wenn das Hausputtel gleichzeitig versucht, in der Männerwelt ihren Mann zu stehen, und wie seine biologischen Artgenossinnen einen angemessenen Lohn, der eine deutliche Wertschätzung der Gesellschaft darstellt, in die Familienkasse einbringt. Früher gab es neben dem Begriff Hausherr noch den Begriff der Hausdame. Ich bin davon überzeugt, dass mit der Wandlung des Begriffes Hausdame zur Hausfrau und dann zum Hausputtel die Schieflage der Gleichberechtigung innerhalb der Frauen entstanden ist, der lediglich dadurch begegnet wird, indem das Hausputtel endlich in die Gemeinschaft der Wertschöpfenden einzieht.
Vielleicht sind diese Überlegungen bedeutungslos und vielleicht ist mit Gleichberechtigung gemeint, dass die Frauen, wie ihre männlichen Artgenossen ihre Haut auf den Arbeitsmarkt tragen, bis sie sich von ihnen nicht mehr unterscheiden. Er, der Arbeitsmarkt wird früher oder später eine Gleichheit der Geschlechter schaffen, wie sie uns einige AvantgardistInnen vorleben. Ein künftiger Arbeitsmarkt der Leihmütter, die das Kinderkriegen übernehmen, oder die künstliche Befruchtung, da wir uns kaum noch sicher sind, ob wir Männlein, Weiblein oder beides oder gar nichts sind, könnten eine Richtung andeuten.
Für unsere Nachkommen sollten wir auf jeden Fall in Madame Tussaud’s Wachsfigurenkabinett einen Mann, eine Frau, einen Hausmann und eine Hausfrau abbilden lassen. Damit wir uns an sie erinnern, sofern sie einmal ausgestorben sind.
Die Frage, die Christa Wolf in ihrem Roman „ Kassandra“stellte, wie eine Welt aussähe, die Jahrtausende von Frauen dominiert wäre, kann keiner beantworten. Aber sie regt an, darüber nachzudenken, ob es wirklich das ist, was wir meinen.