Gut gewandet und gekrönt
Von der alten Jungfer zum Quasi-Popstar: Wer an Ostern die Prozessionsfiguren ankleidet
„ Se va a quedar para vestir Santos“(Sie wird wohl Heilige einkleiden), sagt man in Spanien über eine Frau, die nicht unter die Haube kommt. Diese Redensart bezieht sich auf die Beatas, ältere unverheiratete Frauen, die sich sehr in der Kirchengemeinde engagieren, den Priester unterstützen oder gute Werke tun. Fragen Sie aber besser keine Spanierin, ob sie eine Beata ist. Denn dieser Begriff – zu Deutsch die Selige oder Betschwester – ist spöttisch gemeint.
Und doch. Jemand muss natürlich wirklich die Heiligenfiguren einkleiden. Das Internet spuckt dazu Fachfirmen aus wie die Firma Larraz, die in Zaragoza schon
1883 gegründet wurde und damit die älteste in Spanien ist, oder Artículos religiosos Brabander in Lugo, ein Unternehmen, das Kleidung und Accessoires für Heiligenfiguren in aller Welt – auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz – verkauft.
„ Natürlich habe ich die Redensart gehört“, sagt ihr Geschäftsführer Felix Díaz schmunzelnd. „ Aber um einen Heiligen gut einzukleiden, reicht meiner Erfahrung nach eine Frau allein kaum aus. Da braucht man ein ganzes Team von Fachleuten.“Zunächst müsse man die Maße nehmen, ein Modell designen und einen Schnitt herstellen. „ Und dann müssen die Kleidungsstücke noch genäht und verziert werden.“Seine Kunden seien an Ostern vor allem Bruderschaften, aber auch Kirchengemeinden und einzelne Gläubige, die ihrer Kirche ein oder mehrere Kleidungsstücke spenden möchten.
Wieviel kostet denn so ein kompletter Anzug? „ So etwa zwischen 500 und 5.000 Euro“, verrät der Geschäftsführer. „ Es kommt auf das Material an. Brokat ist günstiger und Samt ist teurer. Und dann ist da noch die Stickerei. Es gibt vorgefertigte Applikationen, Maschinenstickerei und Handstickerei. Wenn man will, kann man ein Vermögen ausgeben. Und manche bekannte Bruderschaften tun das auch.“
Wie sieht denn so ein Kleidungsstück aus? „ Das kann man nicht generell sagen“, meint Felix Díaz. „ Natürlich gibt es allgemeine Symbologie wie die Farben Rot, Lila und Schwarz, die für Blut, Buße und Trauer stehen.“Doch die Bruderschaften hätten eine bis zu 500-jährige Geschichte. „ Da haben sich unzählige, ganz einzigartige Traditionen entwickelt. Ganz zu schweigen von den Unterschieden zwischen den einzelnen Regionen Spaniens.“
Vor allem über die Kleidung und die Accessoires der Jungfrau könnte man Bücher schreiben. Maria ist neben Jesus eine der Hauptpersonen dieser Tage und wird entsprechend herausgeputzt. Einige werden strikt traditionell gekleidet, andere innovativer. Alle aber beeindrucken mit ihrer Pracht, ihren mit feinem Goldfaden bestickten Umhängen, ihren handgeflochtenen Blumengewinden, den Kronen und dem Schmuck.
Eine Gottesmutter oder einen Christus an Ostern anzukleiden, ist eine Kunst. Man braucht ein gewisses Talent, um das Beste aus den Skulpturen zu machen, die oft – auch historisch – sehr wertvoll sind und sehr geliebt werden.
In den Bruderschaften wird oft einem verdienten Mitglied diese Aufgabe übertragen. In Andalusien gibt es aber auch spezielle, bezahlte vestidores de vírgenes, die wie Popstars begehrt und gefeiert werden – zum Beispiel Antonio Bejarano. Nur unterstützt von einigen Frauen – den Camareras auxiliares de la Virgen – kleidet und schmückt er bekannte Marienfiguren hinter fest verschlossenen Türen. Vor denen warten schon zahlreiche Gläubige, um als erste einen Blick auf die strahlend Schöne zu erhaschen.
Antonio Bejarano berichtet, dass früher ein vestidor de virgenes von vielen als weibisch betrachtet wurde. Der gut aussehende Marketing-Fachmann passt aber gar nicht in dieses Bild und macht sogar ein Programm über Fußball im Radio. Auch die Camareras de la Virgen seien früher wirklich oft Beatas gewesen, erzählt er. Heute dagegen wähle man für dieses Amt Fachkräfte wie Friseurinnen.
Weit von dieser Professionalität entfernt wird die Osterwoche in Regionen gefeiert, in denen die Karwoche keine so große Tradition hat. Im valencianischen Jávea – einem Städtchen am Meer – kleiden traditionsgemäß alte und einstmals reiche Familien die Figuren an Ostern ein.
Für Maria sind dabei die Nachfahren der Familie Bover zuständig und für Christus am Kreuzweg die Nachfahren der Familie Bolufer. Empar Bolufer kleidet seit vielen Jahren den Nazareno
– Jesus auf dem Kreuzweg – an.
„ Dabei war ich sehr lange verheiratet und habe vier Kinder“, sagt sie schmunzelnd. Vor der Prozession, die den Christus von der Kreuzwegskapelle in die Stadtkirche bringt, hüllt die 71-Jährige ihn in sein Festgewand, das sie von ihrer Großmutter bekommen hat.
„ Ich weiß nicht, wie lange es schon in unserer Familie ist und wer es hergestellt hat“, sagt sie nachdenklich.
Die aktive Seniorin ist zwar katholisch, aber kein bisschen konservativ. Sie saß für die Sozialisten in Jáveas Stadtrat und ist sehr feministisch eingestellt.
„ Ich mache das aus Tradition“, sagt sie. „ Und ich hoffe, dass meine Töchter einmal diese Tradition fortführen. Obwohl sie das natürlich einmal selbst entscheiden müssen.“