Okupas – Alptraum für Hausbesitzer
Ukrainische Familie besetzt Haus in Urbanisation El Tosal in Calp
Calp – os. Viele Immobilienbesitzer haben vor Okupas Angst, jenen Hausbesetzern, die ihre Existenz einer Auslegung der Verfassung verdanken: Der Artikel 47 garantiert das Recht auf angemessenen Wohnraum. Konkret bedeutet das, dass obdachlose Menschen in bestimmten Situationen ein leerstehendes Haus besetzen können, ohne dass dies als Straftat angesehen wird. Aber was haben Okupas mit dem friedlichen Touristenort Calp zu tun? Mehr als man denkt.
In den frühen 70er Jahren erlebte die Stadt Calp ihren ersten kleinen Boom. Auch der erste Zustrom frierender Mitteleuropäer in die Stadt am Ifach war zu verzeichnen. Die ersten Siedlungen wurden unterhalb des Morro de Toix gebaut: Maryvilla und Tosal. Dabei im Trek der ersten Siedler war eine Schweizer Familie. 1973 kaufte sie ein kleines Schmuckkästchen, die Casa Pablo, mit einer wunderschönen Terrasse und einem unverbauten Blick auf die Strände der Stadt und dem gewaltigen Felsen. Seitdem hat diese Familie jedes Jahr Zeit in ihrem Haus in Calp verbracht. Erst Kinder und dann Enkelkinder wuchsen dort auf. Als das Familienoberhaupt 2008 verstarb, wurde ein Teil seiner Asche auf demselben Grundstück beigesetzt – schließlich war Casa Pablo sein zweites Zuhause.
Auch in diesem Jahr wollte die Familie Zeit an der Costa Blanca verbringen. Immerhin war es der 50. Jahrestag des Hauskaufs – ein kleines Jubiläum. Doch im Februar änderten sich die Pläne schlagartig. Ein Routineanruf des Poolpflegers sorgte für Aufregung. Er müsse einige Arbeiten erledigen und erkundigte sich, wann die Feriengäste wieder abreisen würden. Wie viele Hausbesitzer vermietete auch diese Familie manchmal an Touristen. Ein lukrativer Nebenverdienst. Aber es gab ein Problem: Niemand wusste von irgendwelchen Gästen.
Stattdessen hatte sich eine Familie aus der Ukraine in dem Haus der Schweizer niedergelassen. Das Haus stand leer, die Tür wurde aufgebrochen, das Gepäck hinein-, ein Vorhängeschloss angebracht – und schon war der Einzug geschafft. Die lange Reise aus der vom Krieg zerrissenen Ukraine hatte sich gelohnt. Nach 40 Fahrtstunden lag Calp mit seinen Stränden vor ihnen. Es fehlte nur noch eine Unterkunft – und im Februar hat man die Qual der Wahl: Viele Wohnungen warten auf die Rückkehr ihrer Besitzer, von denen viele nur im Sommer kommen. Die ukrainischen Hausbesetzer waren organisiert: Die Oma, die Eheleute und zwei Kinder besitzen NIENummern und befristete Aufenthaltsgenehmigungen bis 2024. Der 50-jährige Familienvater ist berufstätig, die Kinder gehen zur Schule, ein Pudel bewacht das Haus. Die ukrainische Flagge wurde gehisst und ein Briefkasten aufgestellt.
Ronald E., der älteste Sohn der Schweizer Familie, kennt das Haus seit seiner Jugend. Inzwischen ist der 64-Jährige im Ruhestand. Nun scheint das Familienanwesen ihm aus den Händen zu gleiten. Mit seiner 86-jährigen Mutter reiste Ronald E. nach Calp. Bald kam es zu einer ersten Konfrontation. Ronald E. blieb gelassen. Als ehemaliger Polizist war er auf Diplomatie bedacht, doch der Hausbesetzer zeigte in dem Gespräch, das per Übersetzungssoftware geführt wurde, keinerlei Reue. Später ließ der Besetzer sogar die Polizei ins Haus, nicht aber den Hausbesitzer aus dem Kanton Luzern. Die Polizei versicherte ihm lediglich, dass sich das Haus in einem guten Zustand befinde, sogar der Garten sei aufgeräumt. Die Hausbesetzer verhielten sich ruhig und störten keinen der Nachbarn. Ein schwacher Trost für Ronald E.
Bei der Guardia Civil wurde bereits Anzeige erstattet und ein Anwalt vertritt die Interessen der Schweizer Familie, die schlichtweg Pech gehabt hat. Das Casa Pablo ist weder größer noch eleganter als andere Häuser in der Urbanisation, viele der Häuser dort sind derzeit nicht bewohnt. Warum sich die ukrainische Familie ausgerechnet dieses Haus aussuchte – man weiß es nicht. Doch für die Schweizer Familie hat ein Alptraum begonnen, der mit vielen Kosten verbunden ist. Ein Gerichtsverfahren steht bevor. Die Einkünfte aus der Vermietung an Urlauber fallen aus. Bis die Gerichtsbarkeit sich dazu entschließt, eine Zwangsräumung gegen eine Familie aus einem Kriegsgebiet anzuordnen, kann Zeit vergehen.
So ein Schicksal ist in Spanien kein Einzelfall. Vergangenes Jahr wurden rund 60.000 Objekte in Spanien besetzt, in den allermeisten Fällen handelte es sich um Objekte, die nicht fertiggestellt wurden, die seit Jahren leer stehen oder im Bankbesitz sind. Manchmal aber trifft es auch ein bewohntes Haus wie das der Schweizer Familie – und was dann?
Außer dem Rechtsweg könnte die Schweizer Familie die Dienste spezieller Firmen wie „ Desokupa“in Anspruch nehmen, die Okupas zum Auszug bewegen. Doch auch das käme mit angeblich 2.500 Euro nicht ganz billig. Viele Hausbesetzer lassen sich angeblich auch den Auszug bezahlen, doch eine Erfolgsgarantie gibt es keine. Bleibt die Politik, so kurz vor der Wahl. Die Volkspartei macht Stimmung gegen Okupas, gegen die sie während ihrer Regierungszeit gar nichts unternahm, weder direkt noch indirekt wie mit dem Bau von Sozialwohnungen, sozialeren Gesetzgebung, der Erhöhung des Mindestlohns oder einem Wohnungsgesetz. All das muss die Familie aus der Schweiz wie ein schwacher Trost vorkommen.
Die ukrainische Flagge wurde gehisst und ein Briefkasten aufgestellt