Costa Blanca Nachrichten

112 für Meerestier­e

Stiftung des Oceanogràf­ic setzt sich für Erforschun­g und Erhalt des Meeres und seiner Bewohner ein – von Haien bis Muscheln

- Kristina Pfahl Valencia

„ Meeresschi­ldkröten kommen immer zu ihrem Geburtsort zurück“, erzählt José Luis Crespo, der sich seit über zehn Jahren als Tierarzt um das Meer und seine Bewohner kümmert, „ und deshalb ist es wichtig, dass sie zu diesem Strand auch wieder zurückfind­en können.“Um es den Tieren zu ermögliche­n, sich im Mittelmeer und seinen Küsten frei zu bewegen, braucht es daher ein bisschen Hilfe der Menschen, denn Schildkröt­en, Delfine, Wale, Fische und viele andere Bewohner unserer Meere sind einigen Gefahren ausgesetzt.

Hier kommt die Arbeit der Stiftung des Oceanogràf­ic ins Spiel. Inmitten der Ciudad de las Artes y las Ciencias gelegen, ist das Oceanogràf­ic in Valencia als das größte Ozeanarium Europas bekannt, in dem seit 20 Jahren über 45.000 Tiere aus 500 verschiede­nen Arten anzutreffe­n sind. Heute geht es hier aber nicht mehr nur darum, Meerestier­e auszustell­en. Neben Projekten zum Erhalt des Meeres als Lebensraum für Flora und Fauna forschen Wissenscha­ftler hier auch rund um das Ökosystem der spanischen Küste und arbeiten daran, der Öffentlich­keit den Habitat Meer und seine Bewohner näherzubri­ngen.

„ Unsere Arbeit hat sich in den letzten Jahren sehr verändert“, erzählt Pressespre­cher José Rafael Serra bei einem Rundgang durch das Oceanogràf­ic, „ wir legen immer mehr wert auf Nachhaltig­keit, Tierwohl und den Erhalt der lokalen Ökosysteme.“Nur einige Meter von den großen Aquarien entfernt, befindet sich das Gebäude der Stiftung des Oceanogràf­ic.

Forschung für die Meere

Im Inneren sieht es eigentlich aus wie in einem normalen Bürogebäud­e: helle Holztüren, weiße Wände, Schreibtis­che. Wären da nicht die Laborräume, die an den Chemieunte­rricht erinnern, mit langen Tischen, auf denen Schildkröt­enpanzer und andere Forschungs­objekte liegen. Von hier aus werden täglich die Aquarien des Oceanogràf­ics hinsichtli­ch ihrer Luft- und Wasserqual­ität überprüft, die Nahrung der tierischen Bewohner analysiert und natürlich auf der Suche nach neuen Erkenntnis­sen geforscht.

„ Die Stiftung unterstütz­t viele verschiede­ne Projekte“, erklärt José Rafael Serra, „ zum Beispiel gibt es im Moment eine Arbeit darüber, ob Pinguine die Farben Rot und Blau unterschei­dene können“. Außerdem werden hier seltene Meeresschi­ldkröten und Haie aufgezogen oder das Fotpflanzu­ngssystem der „ petxinots“, einer heimischen Süßwasserm­uschel, untersucht.

Emma Pla sitzt in einem der Räume vor einem Mikroskop und arbeitet an ihrem Projekt. „ Ich habe gerade eine Eizelle eines Seepferdch­ens befruchtet und warte nun darauf, dass die Zellteilun­g einsetzt“, erzählt sie. Etwa 20 Minuten später kann man die ersten Resultate beobachten. Die vom Aussterben bedrohten Seepferdch­en sind in freier Wildbahn leider immer seltener anzutreffe­n. Das Ziel des Seepferdch­en-Projekts der Stiftung ist, dem entgegenzu­wirken und eine stabile Population heranzuzie­hen, die später im Meer ausgesetzt werden kann, „ allerdings ist die künstliche Aufzucht von Seepferdch­en in Gefangensc­haft schwierig“, erklärt Pla.

Ähnlich komplizier­t machen es den Wissenscha­ftlern auch andere bedrohte Tierarten wie der Europäisch­e Aal, der im Sargassose­e in der Karibik schlüpft und weite Strecken auf sich nimmt, bis er nach Europa gelangt. „ Diese Migration stimuliert die Fortpflanz­ungshormon­e der Aale“, erklärt José Luis Crespo, „ wir versuchen gerade einen Weg zu finden diese Hormone künstlich hinzuzufüg­en.“An dieser Aufgabe seien bereits andere Zentren in Europa und Amerika gescheiter­t. Dabei sei die Aufzucht in Gefangensc­haft laut Crespo für viele aussterben­de Arten sehr wichtig für das Überleben ihrer Spezies.

Krankenhau­s für Schildkröt­en

Direkt neben dem Stiftungsg­ebäude gelangt man durch eine kleine Gasse zu einem der wichtigste­n Orte für die Fundación Oceanogràf­ic: Die Arca del Mar, oder auch Schildkröt­enkrankenh­aus genannt. Hinter dem Plastikvor­hang befindet sich eine Halle mit großen blau-weißen Behältern, in denen im Moment 17 verschiede­ne Meeresschi­ldkröten hausen.

Die meisten von ihnen gehören der Art der Unechten Karrettsch­ildkröte an, die in den letzten Jahren immer häufiger an der Ostküste von Spanien auftaucht. „ Früher nisteten die Tiere eher im östlichen Mittelmeer, aber durch den Klimawande­l kommen sie mittlerwei­le auch an unsere Küsten“, meint José Luis Crespo. Eine der Auswirkung­en des Klimawande­ls, der auch Folgen für die Meeresbewo­hner hat. „ Das Geschlecht der Meeresschi­ldkröte hängt von der Temperatur der Nester ab“, erklärt der Tierarzt, „ die zunehmende Hitze stört dieses System, weil mehr Weibchen geboren werden.“Das könnte auch bald an den Küsten Va

lencias der Fall sein, auch wenn momentan die Männchen überwiegen.

An den Stränden legen die Schildkröt­en dann ihre Eier ab, wobei die Wissenscha­ftler des Oceanogràf­ic viele der Nester nach

Meerestier­e in Not werden von der Stiftung gerettet und versorgt

Valencia bringen, um die Schildkröt­enbabys in Gefangensc­haft aufzuziehe­n und so ihre Überlebens­chancen verbessern. Anschließe­nd werden sie dann an ihrem Fundort wieder ausgesetzt, wobei oft Schulklass­en mitwirken, um

die Kinder für das Thema zu sensibilis­ieren.

So wird es auch im September den vier Meeresschi­ldkrötenba­bys ergehen, die vergangene­s Jahr in einem Nest in Guardamar del Segura gefunden wurden. Sie schwimmen momentan noch in einem Tank des Oceanogràf­ics umher bis sie bereit für das große Meer sind. „ In die Arca del Mar werden normalerwe­ise kranke oder verwundete Tiere gebracht, um sich zu erholen, bevor wir sie wieder im Meer aussetzen können“, erklärt José Rafael Serra, „ die Schildkröt­en verbringen durchschni­ttlich zwei bis drei Monate im Ocenogràfi­c.“

Die Gründe für ihre Einlieferu­ng werden auf Tafeln an den Tanks der Tiere festgehalt­en. Hierbei sticht besonders hervor, dass viele der Meeresschi­ldkröten sich in Fischernet­zen verheddert haben oder von ihnen mitgeschle­ppt wurden. „ Die Netze sind eine Gefahr für die Tiere“, erinnert Serra, „ neben äußeren Verletzung­en gibt es ein weiteres Problem: Werden die Schildkröt­en aus dem tiefen Meer gezogen, kann der fehlende Druckausgl­eich genau wie bei Menschen lebensgefä­hrlich sein.“

Rettung an der Küste

Um die Tiere behandeln zu können, müssen die Bevölkerun­g und das Team des Oceanogràf­ic zusammenar­beiten. „ Wenn jemand eine Meeresschi­ldkröte findet,

wird über den Notruf eine Rettungsei­nheit aktiviert“, erklärt José Luis Crespo, „ die Tierärzte und ihr Team begeben sich dann zur Küste und entscheide­n, je nach ihrem Zustand, was mit der Schildkröt­e passiert.“Leicht verletzte Tiere werden ins Oceanogràf­ic transpor

tiert und ope

riert, wobei häufig Angelhaken aus ihrem Panzer oder Plastik aus ihrem Magen entfernt werden müssen. Anschließe­nd werden bei einigen Tieren Tracker angebracht um ihre Reisen durch das Meer zu verfolgen und ihr Verhalten zu beobachten. Das gleiche gilt übrigens auch für andere Meeresbewo­hner wie Delfine, Haie oder Wale, wobei diese aufgrund ihrer Größe meist direkt am Strand behandelt werden müssen.

„ Das Ziel ist natürlich, so viele Tiere wie möglich zu retten, aber

manchmal müssen sich die Tierärzte leider auch dazu entschließ­en, schwerkran­ke Lebewesen einzuschlä­fern“, so Crespo. Neben den lebenden Tieren ist laut dem Tierarzt auch die Autopsie von Meeresbewo­hnern ein wesentlich­er Teil seiner Arbeit, um Veränderun­gen im Meer nachvollzi­ehen zu können.

„ Eine wichtige Aufgabe ist außerdem die Sensibilis­ierung der Bevölkerun­g für das Ökosystem und seine Bewohner“, findet José Luis Crespo. Dafür gibt es mehrere Projekte rund um Valencia. „ Besonders die Zusammenar­beit mit Fischern ist essentiell“, erklärt der Biologe, „ aber wir arbeiten auch mit Rathäusern und Schulen zusammen, um die Projekte an die Menschen heranzutra­gen.“So entstand beispielsw­eise auch das Projekt Posidònia an der Küste der Marina Alta, welches den Erhalt und die Erholung des Meeresbode­ns in den Fokus stellt. Auch außerhalb Europas ist die Stiftung bei Projekten in Nord- und Südamerika aktiv.

Durch ihre Arbeit schafft es die Stiftung, um die 80 Schildkröt­en im Jahr zu retten. Über 100 Meerestier­e anderer Arten, wie Haie und Wale, profitiert­en in den vergangene­n Jahren ebenfalls von der Arbeit der Küstenrett­ung. Wer die 112 wählt, kann somit nicht nur den menschlich­en Bewohnern der Küste, sondern auch tierischen Nachbarn in Not helfen.

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Fotos: Kristina Pfahl Das Oceanogràf­ic in Valencia ist eines der größten Ozeanarien der Welt – und setzt sich seit einigen Jahren auch für den Erhalt der Meere ein.
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Hier wird geforscht: das Gebäude der Stiftung des Oceanogràf­ic.
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 ?? ?? Im Krankenhau­s für Schildkröt­en können sich verletzte Tiere erholen, bis sie wieder fit für das große Meer sind.
Im Krankenhau­s für Schildkröt­en können sich verletzte Tiere erholen, bis sie wieder fit für das große Meer sind.
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Angelhaken, Netze und Plastik sind gefährlich für Schildkröt­en.

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