112 für Meerestiere
Stiftung des Oceanogràfic setzt sich für Erforschung und Erhalt des Meeres und seiner Bewohner ein – von Haien bis Muscheln
„ Meeresschildkröten kommen immer zu ihrem Geburtsort zurück“, erzählt José Luis Crespo, der sich seit über zehn Jahren als Tierarzt um das Meer und seine Bewohner kümmert, „ und deshalb ist es wichtig, dass sie zu diesem Strand auch wieder zurückfinden können.“Um es den Tieren zu ermöglichen, sich im Mittelmeer und seinen Küsten frei zu bewegen, braucht es daher ein bisschen Hilfe der Menschen, denn Schildkröten, Delfine, Wale, Fische und viele andere Bewohner unserer Meere sind einigen Gefahren ausgesetzt.
Hier kommt die Arbeit der Stiftung des Oceanogràfic ins Spiel. Inmitten der Ciudad de las Artes y las Ciencias gelegen, ist das Oceanogràfic in Valencia als das größte Ozeanarium Europas bekannt, in dem seit 20 Jahren über 45.000 Tiere aus 500 verschiedenen Arten anzutreffen sind. Heute geht es hier aber nicht mehr nur darum, Meerestiere auszustellen. Neben Projekten zum Erhalt des Meeres als Lebensraum für Flora und Fauna forschen Wissenschaftler hier auch rund um das Ökosystem der spanischen Küste und arbeiten daran, der Öffentlichkeit den Habitat Meer und seine Bewohner näherzubringen.
„ Unsere Arbeit hat sich in den letzten Jahren sehr verändert“, erzählt Pressesprecher José Rafael Serra bei einem Rundgang durch das Oceanogràfic, „ wir legen immer mehr wert auf Nachhaltigkeit, Tierwohl und den Erhalt der lokalen Ökosysteme.“Nur einige Meter von den großen Aquarien entfernt, befindet sich das Gebäude der Stiftung des Oceanogràfic.
Forschung für die Meere
Im Inneren sieht es eigentlich aus wie in einem normalen Bürogebäude: helle Holztüren, weiße Wände, Schreibtische. Wären da nicht die Laborräume, die an den Chemieunterricht erinnern, mit langen Tischen, auf denen Schildkrötenpanzer und andere Forschungsobjekte liegen. Von hier aus werden täglich die Aquarien des Oceanogràfics hinsichtlich ihrer Luft- und Wasserqualität überprüft, die Nahrung der tierischen Bewohner analysiert und natürlich auf der Suche nach neuen Erkenntnissen geforscht.
„ Die Stiftung unterstützt viele verschiedene Projekte“, erklärt José Rafael Serra, „ zum Beispiel gibt es im Moment eine Arbeit darüber, ob Pinguine die Farben Rot und Blau unterscheidene können“. Außerdem werden hier seltene Meeresschildkröten und Haie aufgezogen oder das Fotpflanzungssystem der „ petxinots“, einer heimischen Süßwassermuschel, untersucht.
Emma Pla sitzt in einem der Räume vor einem Mikroskop und arbeitet an ihrem Projekt. „ Ich habe gerade eine Eizelle eines Seepferdchens befruchtet und warte nun darauf, dass die Zellteilung einsetzt“, erzählt sie. Etwa 20 Minuten später kann man die ersten Resultate beobachten. Die vom Aussterben bedrohten Seepferdchen sind in freier Wildbahn leider immer seltener anzutreffen. Das Ziel des Seepferdchen-Projekts der Stiftung ist, dem entgegenzuwirken und eine stabile Population heranzuziehen, die später im Meer ausgesetzt werden kann, „ allerdings ist die künstliche Aufzucht von Seepferdchen in Gefangenschaft schwierig“, erklärt Pla.
Ähnlich kompliziert machen es den Wissenschaftlern auch andere bedrohte Tierarten wie der Europäische Aal, der im Sargassosee in der Karibik schlüpft und weite Strecken auf sich nimmt, bis er nach Europa gelangt. „ Diese Migration stimuliert die Fortpflanzungshormone der Aale“, erklärt José Luis Crespo, „ wir versuchen gerade einen Weg zu finden diese Hormone künstlich hinzuzufügen.“An dieser Aufgabe seien bereits andere Zentren in Europa und Amerika gescheitert. Dabei sei die Aufzucht in Gefangenschaft laut Crespo für viele aussterbende Arten sehr wichtig für das Überleben ihrer Spezies.
Krankenhaus für Schildkröten
Direkt neben dem Stiftungsgebäude gelangt man durch eine kleine Gasse zu einem der wichtigsten Orte für die Fundación Oceanogràfic: Die Arca del Mar, oder auch Schildkrötenkrankenhaus genannt. Hinter dem Plastikvorhang befindet sich eine Halle mit großen blau-weißen Behältern, in denen im Moment 17 verschiedene Meeresschildkröten hausen.
Die meisten von ihnen gehören der Art der Unechten Karrettschildkröte an, die in den letzten Jahren immer häufiger an der Ostküste von Spanien auftaucht. „ Früher nisteten die Tiere eher im östlichen Mittelmeer, aber durch den Klimawandel kommen sie mittlerweile auch an unsere Küsten“, meint José Luis Crespo. Eine der Auswirkungen des Klimawandels, der auch Folgen für die Meeresbewohner hat. „ Das Geschlecht der Meeresschildkröte hängt von der Temperatur der Nester ab“, erklärt der Tierarzt, „ die zunehmende Hitze stört dieses System, weil mehr Weibchen geboren werden.“Das könnte auch bald an den Küsten Va
lencias der Fall sein, auch wenn momentan die Männchen überwiegen.
An den Stränden legen die Schildkröten dann ihre Eier ab, wobei die Wissenschaftler des Oceanogràfic viele der Nester nach
Meerestiere in Not werden von der Stiftung gerettet und versorgt
Valencia bringen, um die Schildkrötenbabys in Gefangenschaft aufzuziehen und so ihre Überlebenschancen verbessern. Anschließend werden sie dann an ihrem Fundort wieder ausgesetzt, wobei oft Schulklassen mitwirken, um
die Kinder für das Thema zu sensibilisieren.
So wird es auch im September den vier Meeresschildkrötenbabys ergehen, die vergangenes Jahr in einem Nest in Guardamar del Segura gefunden wurden. Sie schwimmen momentan noch in einem Tank des Oceanogràfics umher bis sie bereit für das große Meer sind. „ In die Arca del Mar werden normalerweise kranke oder verwundete Tiere gebracht, um sich zu erholen, bevor wir sie wieder im Meer aussetzen können“, erklärt José Rafael Serra, „ die Schildkröten verbringen durchschnittlich zwei bis drei Monate im Ocenogràfic.“
Die Gründe für ihre Einlieferung werden auf Tafeln an den Tanks der Tiere festgehalten. Hierbei sticht besonders hervor, dass viele der Meeresschildkröten sich in Fischernetzen verheddert haben oder von ihnen mitgeschleppt wurden. „ Die Netze sind eine Gefahr für die Tiere“, erinnert Serra, „ neben äußeren Verletzungen gibt es ein weiteres Problem: Werden die Schildkröten aus dem tiefen Meer gezogen, kann der fehlende Druckausgleich genau wie bei Menschen lebensgefährlich sein.“
Rettung an der Küste
Um die Tiere behandeln zu können, müssen die Bevölkerung und das Team des Oceanogràfic zusammenarbeiten. „ Wenn jemand eine Meeresschildkröte findet,
wird über den Notruf eine Rettungseinheit aktiviert“, erklärt José Luis Crespo, „ die Tierärzte und ihr Team begeben sich dann zur Küste und entscheiden, je nach ihrem Zustand, was mit der Schildkröte passiert.“Leicht verletzte Tiere werden ins Oceanogràfic transpor
tiert und ope
riert, wobei häufig Angelhaken aus ihrem Panzer oder Plastik aus ihrem Magen entfernt werden müssen. Anschließend werden bei einigen Tieren Tracker angebracht um ihre Reisen durch das Meer zu verfolgen und ihr Verhalten zu beobachten. Das gleiche gilt übrigens auch für andere Meeresbewohner wie Delfine, Haie oder Wale, wobei diese aufgrund ihrer Größe meist direkt am Strand behandelt werden müssen.
„ Das Ziel ist natürlich, so viele Tiere wie möglich zu retten, aber
manchmal müssen sich die Tierärzte leider auch dazu entschließen, schwerkranke Lebewesen einzuschläfern“, so Crespo. Neben den lebenden Tieren ist laut dem Tierarzt auch die Autopsie von Meeresbewohnern ein wesentlicher Teil seiner Arbeit, um Veränderungen im Meer nachvollziehen zu können.
„ Eine wichtige Aufgabe ist außerdem die Sensibilisierung der Bevölkerung für das Ökosystem und seine Bewohner“, findet José Luis Crespo. Dafür gibt es mehrere Projekte rund um Valencia. „ Besonders die Zusammenarbeit mit Fischern ist essentiell“, erklärt der Biologe, „ aber wir arbeiten auch mit Rathäusern und Schulen zusammen, um die Projekte an die Menschen heranzutragen.“So entstand beispielsweise auch das Projekt Posidònia an der Küste der Marina Alta, welches den Erhalt und die Erholung des Meeresbodens in den Fokus stellt. Auch außerhalb Europas ist die Stiftung bei Projekten in Nord- und Südamerika aktiv.
Durch ihre Arbeit schafft es die Stiftung, um die 80 Schildkröten im Jahr zu retten. Über 100 Meerestiere anderer Arten, wie Haie und Wale, profitierten in den vergangenen Jahren ebenfalls von der Arbeit der Küstenrettung. Wer die 112 wählt, kann somit nicht nur den menschlichen Bewohnern der Küste, sondern auch tierischen Nachbarn in Not helfen.