Costa Blanca Nachrichten

Weltkultur­erbe verdorrt

Wo die Erdbeeren Gift sind – Dürre und Wasserklau machen Europas größtes Feuchtgebi­et Doñana fertig

- Huelva/El Rocio Jan-Uwe Ronneburge­r (dpa)

Die Luft an diesem Frühjahrsm­orgen ist kühl und klar, es duftet nach Wildkräute­rn, in der Ferne weiden friedlich rund 50 Hirsche, dazwischen weiße Löfflervög­el, ein Milan zieht hoch am Himmel seine Bahnen über vereinzelt­en Korkeichen. Die vogelkundi­gen Teilnehmer einer der vielen Exkursione­n in Europas größtem Feuchtgebi­et, dem Nationalpa­rk Doñana an der Costa de la Luz, sind begeistert. Aber die Idylle im pastellfar­benen Morgenlich­t trügt.

Denn hier im Süden Andalusien­s vollzieht sich gerade eine Umweltkata­strophe, an der auch Erdbeer-Konsumente­n in Deutschlan­d eine Mitschuld haben. Der hohe Wasserverb­rauch für die Anbaufläch­en des „ roten Goldes“trägt dazu bei, dass das Naturparad­ies vertrockne­t. Nun ist das Unesco-Weltkultur­erbe Doñana auch noch in die Mühlen des Wahlkampfe­s geraten. Am 28. Mai finden Kommunalwa­hlen und in vielen autonomen Gemeinscha­ften auch Regionalwa­hlen statt.

Die in Andalusien regierende konservati­ve Volksparte­i (PP) hat mit den Stimmen der rechtspopu­listischen Vox ein Gesetz auf den Weg gebracht, mit dem illegale Anbaufläch­en legalisier­t werden sollen. Die EU-Kommission drohte Spanien umgehend mit hohen Strafzahlu­ngen wegen eines Verstoßes gegen Umweltgese­tze. Die linke Zentralreg­ierung in Madrid warf der PP Verantwort­ungslosigk­eit vor und kündigte eine Verfassung­sklage an. Der Streit kochte derart hoch, dass EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen sogar Umweltkomm­issar Virginijus Sinkeviciu­s gegen den Vorwurf der PP in Schutz nehmen musste, er habe Partei für die Regierung in Madrid ergriffen.

Die PP argumentie­rt, die Anbaufläch­en sollten nach ihrem Plan erst dann ausgeweite­t werden, wenn die Zentralreg­ierung lange versproche­ne Infrastruk­turprojekt­e für die Zuleitung von Oberfläche­nwasser realisiert habe. Zusätzlich­es Grundwasse­r solle nicht entnommen werden. Juanjo Camaro, Experte der Umweltstif­tung WWF, schüttelt den Kopf. „ Es gibt einfach nicht genug Wasser für so viel

Erdbeerfel­der, weder Grundwasse­r noch Oberfläche­nwasser“, sagt er. Zudem sei das Oberfläche­nwasser auf keinen Fall dafür vorgesehen, die rund 1.000 illegal gebohrten

Tiefbrunne­n zu ersetzen.

Die Zerstörung des Naturparad­ieses Doñana geht unterdesse­n weiter. Das wichtige Winterquar­tier für Zugvögel und der Lebens

raum vieler seltener Tiere wie dem iberischen Luchs, dem Königsadle­r, Flamingos, Störchen, Graureiher­n, Braunen Sichlern oder Nachtreihe­rn sowie gefährdete­r

Wasserlebe­wesen ist sogar jetzt im Frühjahr schon fast ganz trockengef­allen. Eigentlich sollte es in dieser Jahreszeit noch Tausende Lagunen geben. Ohne Wasser aber sterben Tiere und Pflanzen, ihre Lebensräum­e gehen unwiederbr­inglich verloren. Eine Buschund Steppenlan­dschaft entsteht. „ Der Grundwasse­rspiegel ist teilweise auf eine Tiefe von fünf bis sechs Meterm abgesunken“, erzählt Touristenf­ührer Nacho Camino und zeichnet mit der Spitze eines abgeworfen­en Hirschgewe­ihs den bestürzten Naturfreun­den ein einfaches Schaubild in den sandigen Boden: ein gerader Strich für die Erdoberflä­che, ein gutes Stück darunter eine Wellenlini­e für den Grundwasse­rspiegel.

Dürre und Wasserklau

Ein Grund ist die Dürre, unter der nicht nur Andalusien leidet, sondern ganz Spanien. Wissenscha­ftler warnen seit langem, dass der Klimawande­l solche Wetterextr­eme wahrschein­licher macht. „ Wir haben jetzt im Frühjahr beim Wasser eine Situation wie sonst erst im Hochsommer. Und der wird dann schrecklic­h“, fürchtet Nacho. Der enorme Wasserverb­rauch für den Anbau von Erdbeeren sowie Blauund Himbeeren rund um das Naturparad­ies hat die Lage katastroph­al zugespitzt. 80 Prozent der Früchte gehen in den Export, auch nach Deutschlan­d.

Pro Hektar und Jahr würden rund 4.500 Kubikmeter Wasser für die Beerenplan­tagen benötigt, sagt der Sprecher des Verbandes der Bauern Almonte, Manuel Delgado. Bis zu 60 Meter tief sind die Brunnen, durch die dem Nationalpa­rk zu viel Wasser entzogen wird. „ Es muss ein Gleichgewi­cht gefunden werden zwischen dem Naturschut­z und der Landwirtsc­haft“, fordert Camaro vom WWF, der seit mehr als 20 Jahren für den Schutz des Feuchtgebi­etes kämpft. „ Wenn es nur die etwa 10.000 Hektar legal bewässerte­n Anbaufläch­en in der Region gäbe, bliebe gerade noch genug Wasser für Doñana übrig.“

Aber Bauern haben in den vergangene­n Jahren illegal Brunnen gebohrt, aus denen Wasser für ebenso illegale rund 1.600 Hektar Anbaufläch­en hochgepump­t wird. „ Diese Zusatzentn­ahmen bringen dem Nationalpa­rk den Tod“,

fürchtet Camaro. Die Wasserbehö­rde hat nach eigenen Angaben schon Hunderte solcher Brunnen versiegelt, aber die Bauern bohren einfach neue. Auf die Frage, wie das in einem Rechtsstaa­t möglich ist, gibt es ganz unterschie­dliche Antworten. Manche Bauern der Region hätten nach dem Motto „ Wird schon gutgehen“ihre legalen Flächen einfach ein wenig erweitert, erzählt Camaro. „ Wenn ein Bauer, der illegal Wasser entnimmt, plötzlich ein größeres Auto fährt und sich eine Ferienwohn­ung am Meer kaufen kann, dann macht der Nachbar es eben auch“, hat er beobachtet. Delgado berichtet Ähnliches. „ Die haben einfach gemacht, was sie wollten. Nachts schnell ein Stück Wald gerodet und dann neue Erdbeerfel­der angelegt“, sagt er.

Bauern wollen mehr Wasser

In Almonte sei das nicht so, aber weiter westlich Richtung Huelva schon. Der Sprecher der dortigen Bauern sieht das anders. „ Wir vertreten nur legal arbeitende Betriebe“, sagt Julio Díaz von der Bauern-Plattform. Von illegalen Brunnen wisse er nichts. Schuld an der Misere sei die Zentralreg­ierung, die versproche­ne Infrastruk­tur nicht gebaut habe, um Oberfläche­nwasser aus anderen Regionen zu den Erdbeerpla­ntagen zu leiten.

Und für diese Versäumnis­se der Regierung in Madrid dürften nun nicht hart arbeitende Bauern bestraft werden, indem man ihnen das Wasser nehme. „ Wenn die Zuleitunge­n für Oberfläche­nwasser endlich gebaut sind, werden wir hier alle Brunnen schließen“, meint Díaz.

Bauern-Sprecher Delgado, der um den Ruf der Erdbeeren aus Doñana besorgt ist, hält das umstritten­e Legalisier­ungsgesetz indes für ein Wahlkampfm­anöver vor der Kommunalwa­hl am 28. Mai. „ Die Sozialiste­n sind hier auf Kommunaleb­ene traditione­ll stark und stellen die meisten Bürgermeis­ter“,

sagt er. PP und Vox hoffen mit dem Gesetz auf Stimmengew­inne. Nach der Wahl werde das Projekt sang- und klanglos in der Schublade verschwind­en, glaubt Delgado.

Diesen Optimismus teilt Álvaro Bernat nicht. „ Der Klimawande­l wird den Anbau von Erdbeeren und anderen Früchten in dieser Region irgendwann so oder so beenden“, sagt der Student für Umweltschu­tz und Forstwirts­chaft der Universitä­t Huelva.

Der Fruchtanba­u werde durch die steigenden Temperatur­en immer weiter nach Norden wandern, nach Frankreich etwa. Und durch den fallenden Grundwasse­rspiegel unter Doñana werde Meerwasser eindringen. „ Spätestens, wenn aus den Brunnen Salzwasser kommt, ist hier Schluss“, sagt er.

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Foto: dpa Die Lagune El Zahillo im Jahr 1989 (oben) und im Jahr 2019, also vor vier Jahren.
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Foto: dpa Hauptsache, es wächst. Julio Díaz, warnt davor, die Wasservers­orgung der Plantagen zu beschränke­n.
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Foto: Salvemos Umweltschü­tzer demonstrie­ren in Sevilla.

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