Mehr als ein Kirmesort
Die Stadt Cocentaina ist vor allem bekannt für ihren Allerheiligen-Jahrmarkt, hat jedoch Geschichte und Vielfalt in sich
Die einstündige Fahrt von der Küste ins Hinterland der Costa Blanca ist der Startschuss für den Tagestrip nach Cocentaina. In Serpentinen entlang der Landstraße CV-70 fahren schon morgens die ersten Fahrradfahrer ihre Routen. Auf halber Strecke gibt es schon einen traumhaften Ausblick über die bergige Landschaft.
Cocentaina ist eine kleine Stadt im Norden der Provinz Alicante. Vor allem bekannt ist sie für ihre Fira de Tots Sants. Die berühmte Allerheiligen-Kirmes ist die älteste in ganz Spanien und hat mit Karussells, Ständen von Kunsthandwerkern und Unternehmen viel zu bieten. Bei so vielen Darbietungen und Events geht die Stadt an sich fast etwas unter, obwohl auch sie viel für Reiselustige bereithält.
Deshalb wird der geschichtsträchtigen Stadt heute ein ganzer Tag gewidmet. Der südwestliche Teil Cocentainas scheint beim Hineinfahren auf der Suche nach einem Parkplatz nahezu unspektakulär. Mehrstöckige Häuser, aneinandergereiht in geradlinigen Straßen – das macht irgendwie nicht viel her.
Zwei Welten treffen sich
Vereinzelt sitzen Einheimische in Cafés an der Hauptstraße, die die Altstadt von der Neustadt trennt. Auf dem Weg zur ersten Sehenswürdigkeit verändert sich die Architektur dann schlagartig. Die breiten Straßen werden zu engen Gassen. Aus den hohen homogenen Wohnblöcken werden verschiedenfarbige Altbauten. Nach wenigen Schritten thront schon die Iglesia del Salvador zwischen den Häusern. Die Kirche wurde im 16. Jahrhundert im Stile der Renaissance auf einer alten Moschee errichtet. Mit barocken Figuren und hohen Eingangsbögen macht die kleine Kirche einiges her.
Nach einem Rundgang geht es wieder zurück auf die Plaza San Miguel. Von dort aus ist es nicht weit zum früheren Stadtkern, markiert durch den Palacio de los Condes de Cocentaina. Der Palast wurde während seiner Entstehung von verschiedenen Stilen und Personen beeinflusst. Roger de Lauria, Admiral im Dienst der Krone Aragóns, ließ ihn Ende des 13. Jahrhunderts auf einem alten muslimischen Gebäude im Stile der Gotik erbauen. Als Cocentaina eine Grafschaft wurde und in den Besitz der Familie Corella überging, wurden dann noch Renovierungs- und Erweiterungsarbeiten durchgeführt.
Das heute zu sehende quadratische Gebäude mit den drei Türmen, direkt an der Mauer des Klosters, ist der Palacio, wie er von den Corellas hinterlassen wurde. Der Innenhof ist nicht nur Zugang zur Kapelle Sant Antoni Abad, sondern auch Schauplatz für einige Attraktionen der Fira de Tots Sants.
Am Palacio führt ein Weg direkt entlang der früheren Stadtmauern Cocentainas. An verschiedenen Stationen sind in der Stadt Infotafeln aufgebaut, die ein bisschen Historie nahebringen.
Wie zu erwarten, war auch Cocentaina einst muslimisch bevölkert. Dann eroberte König Jaime I von Aragón die Stadt im 13. Jahrhundert. Die islamische Bevölkerung wurde beraubt, enteignet und musste sich in den südwestlichen
Teil, dem heutigen Viertel Raval, zurückziehen, wo die Iglesia del Salvador steht. Das Zusammenleben zu dieser Zeit gestaltete sich feindselig.
Mehr als ein Glockenspiel
Entlang der früheren Stadtmauer und durch enge Gassen geht der Rundgang weiter zur Plaza del Cardenal Ferriz. Dort erwartet die Besucher die Iglesia de Santa María. Der Kirchturm wird derzeit von einem Gerüst bedeckt, an dem Bauarbeiter hoch- und runterklettern. Inzwischen wurden der Kirche und dem Turm mehrere barocke Elemente hinzugefügt. Im 13. Jahrhundert jedoch, als sie errichtet wurde, war sie das Herz der Stadt und unentbehrlich. Sie diente als Verstärkung der nordöstlichen Stadtmauer. Die Glocken im Turm ertönten stündlich und dienten auch als Warnsystem für Angriffe oder Brände.
So auch im Jahr 1304, als Muslime aus Granada Cocentaina plünderten und niederbrannten. Durch diesen Vorfall erhielten die Bewohner ihren heutigen Spitznamen „ Socarrats“. Manche kennen es als den vielleicht besten Teil der Paella – der krustige Reis am Pfannenboden. Auf Deutsch würde man die Anwohner vielleicht „ die Angesengten“nennen.
Es ist Mittag und die Straßen Cocentainas inzwischen etwas belebter. Eine Frau mit Baby auf dem Arm unterhält sich von Balkon zu Balkon über die Gasse hinweg mit dem älteren Mann ihr gegenüber. Aus den Häusern duftet es nach herzhaftem Essen – Geschirr klappert. Der Weg zurück zum Auto gestaltet sich einfach. Die Ortschaft ist nicht allzu groß und dank der christlichen Siedler, die die Villa mit geraden Straßen veränderten, einfach zu durchblicken.
Der Weg hoch zur Ermita de Sant Cristòfol kann sowohl zu Fuß als auch mit dem Auto zurückgelegt werden. Wenn Zeit kein knappes Gut ist, dann bietet sich der 45 Minuten lange Aufstieg von der
Innenstadt durch industrielle Gebiete ins Gebirge definitiv an.
Hoch über der Stadt
Die Kapelle befindet sich am äußersten Rand der Paraje de Sant Cristòfol. Direkt an der Wanderroute PRV-37 gelegen, bezeichnet die Stadt den Park als Lieblingsort für Ausflüge der Einwohner. Inmitten von Grün gibt es einen Kinderspielplatz, Sitzgelegenheiten mit Tisch, die für ein Picknick geeignet sind, und Grillplätze, die in den kühleren Monaten der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Über natürlich angelegte Stufen kommt man zum Mirador San Cristòfol. Von dort aus kann die gesamte nördliche Region und natürlich die Ermita überblickt werden.
Aus dem 14. Jahrhundert stammend, trägt die Kapelle den Namen des Heiligen Christophorus.
So wie er heute als Schutzheiliger der Reisenden bekannt ist, galt der Standort der Kapelle als idealer Kontrollpunkt über Cocentaina. Das rechteckige Gebäude bietet Platz für das Kirchenschiff, eine Sakristei und eine Herberge. Der Legende nach lebte Pere Joan Escuder, ein mythischer Einsiedler, dort Mitte des 15. Jahrhunderts.
Von der Ermita de Sant Cristòfol führt ein asphaltierter Weg hinauf zum Castillo de Cocentaina. Es ragt 300 Meter über der Stadt auf dem Gipfel von La Penyeta hervor. Erbaut auf früheren Verteidigungsanlagen muslimischen Ursprungs ist von der Festung heute nur noch ein quadratischer gotischer Turm übrig.
Beim Aufstieg ist das Castillo noch etwas versteckt. Aber Schilder weisen den Weg vorbei an Anwesen, zwischen Mandelbäumen,
Kiefern und Olivenbäumen, vorbei an grüßenden Männern, die gerade im Garten an Zitronenbäumen herumschnippeln. Auf den letzten Metern macht sich ein Auto vom Parkplatz oben am Castillo wieder auf den Weg nach unten.
Zur Burg führt ein gepflasterter, relativ steiler Weg. Oben angekommen erstreckt sich die gesamte Landschaft. La Serrella im Hintergrund und die Stadt zu Füßen. Im Innern des Turmes befindet sich eine Ausstellung über seine Geschichte. Sie zeigt den Feudalherren als Besitzer, die Waffen aus jener Zeit und eine originalgroße Nachbildung einer Lötlampe aus dem 15. Jahrhundert.
Laut der Tourismus-Webseite der Stadt ist das Castillo de Cocentaina normalerweise samstags und sonntags von 10 Uhr bis 13 Uhr geöffnet und der Besuch frei. Außerhalb dieser Zeiten sollen die Schlüssel im Rathaus angefordert werden können, unter Vorlage des Ausweises. Der Ausflug kann hier mit der weitläufigen wunderschönen Aussicht, einem Picknick im Park oder einer Stärkung in einem der vielen Cafes in der Innenstadt seinen Abschluss finden.