Eine Freundschaft
So fing alles an: Annette Gonserowski über ihre Freundin „Anna“
Einen Freund oder eine Freundin zu haben, ist ein großes Glück im Leben. Oft begegnet man Menschen, die einem sympathisch sind und wir ihnen ebenfalls.
Aber Freundschaft ist mehr. Ich könnte nun beginnen, all das aufzuzählen, was eine Freundschaft ausmacht: tiefes Vertrauen, Verständnis, füreinander da zu sein, sich beieinander wohlzufühlen, sich zu vermissen, wenn man einander räumlich nicht nah ist. Diese Liste ließe sich unendlich verlängern und ich bin sicher, dass jeder Mensch andere Punkte aufzählen würde. Freundschaft ist auch ein Gefühl. Ein wohliges, warmes Gefühl.
Ich erzähle nun den Weg zu einer Freundschaft, die hier an der Costa Blanca begann. Den Namen meiner Freundin nenne ich nicht, nenne sie einfach Anna, als Ableitung meines Namens Annette, denn tatsächlich steckt viel Gleiches in uns.
Die Vorgeschichte: Seit vielen Jahren interessierte ich mich für den Jakobsweg von Frankreich nach Santiago de Compostela. Mehr als 30 Bücher hatte ich bereits gelesen, in denen Menschen über ihren Weg erzählten. Sie gingen ihn allein, mit einem Esel, eine Großmutter ging mit ihrem Enkel. Jemand erzählte über die Flora und Fauna, eine andere über Kirchen am Weg, und alle davon, was dieser Weg mit ihnen gemacht hatte.
Interessiert war ich sehr, gegangen bin ich ihn bis heute nie.
Dann las ich in den Costa Blanca Nachrichten einen Hinweis, dass in einem Café in Calpe eine Autorin aus ihrem Krimi „ Blutorangen“lesen würde, der in dieser Gegend angesiedelt ist. Ein Satz jedoch war es, der mich elektrisierte. „ Anwesend ist auch „ Anna“, die den Jakobsweg gemeinsam mit ihrem Hund gegangen ist, und ihr soeben erschienenes Buch dabei haben wird.“
Die Lesung fand genau einen Tag vor unserer Abreise statt. Normalerweise kein Tag, an dem ich etwas anderes machte, als das
Haus zu putzen und zu packen. Aber das konnte ich mir nicht entgehen lassen.
Also machten mein Mann und ich uns auf den Weg nach Calpe. Das Navi leitete uns von Benissa aus durch Plantagen hinunter nach Calpe. Ich schwitzte, denn ein Begegnungsverkehr wäre problematisch geworden auf diesen engen Wegen. Nachdem wir ein trockenes Flussbett durchquert hatten, versagte das Navi, und wir standen ratlos in der Einöde. Eine nette Spanierin, die mit Ihrem PKW des Weges kam, erbarmte sich unser, fuhr vor uns her bis zum Café. Dort erwarten uns die beiden Autorinnen. Der Lesetisch war dem Titel entsprechend wunderschön mit Blutorangen dekoriert.
Aufmerksam lauschten wir, ließen uns in die Orangenplantagen um Denia entführen. Wir fieberten der Auflösung entgegen, die wir aber natürlich erst mit dem Kauf des Buches und gemütlichen Lesestunden daheim erfuhren.
Das Buch über den Jakobsweg interessierte mich jedoch weitaus mehr und verstohlen beobachtete ich die Autorin, die es geschrieben hatte. Die saß entspannt da und lauschte ebenfalls der Krimierzählung. Man sagt, dass nur drei Sekunden benötigt werden, um bei der ersten Begegnung festzustellen, ob eine Sympathie besteht oder nicht. Ich lächelte, ja, diese Frau war mir sympathisch. Irgendetwas an ihr berührte mich. War es das freundliche Lächeln, die Ruhe, die sie ausstrahlte, und die ich ihrer Wanderung auf dem Jakobsweg zu schrieb?
Zum Ende der Lesung entspann sich der übliche Smalltalk über das Krimi-Buch, seine Entstehung, Parallelen zum Ort der Handlung. Der Krimi, und natürlich auch das Buch über den Jakobsweg, wanderten in unseren Besitz.
Wir waren schon an der Tür, als die Jakobsweg-Autorin mich ansprach: „ Wir können uns ja mal auf einen Kaffee treffen.“Genau das hatte ich ihr sagen wollen. „ Gerne, wenn wir wieder an der an der Costa Blanca sind. Morgen fahren wir heim,“antwortete ich.
Und tatsächlich: beim nächsten Mal trafen wir uns wieder und danach viele Male. Wir spüren, dass unsere Herzen sich berühren, unsere Empfindungen sind ähnlich. Eine wunderschöne Freundschaft entstand. Natürlich hatten und haben wir in manchen Dingen unterschiedliche Ansichten, tauschen uns darüber aus, ohne die gegenseitige Wertschätzung zu verlieren.
Wir gingen gemeinsam ein winziges Stückchen des Jakobswegs, der in Pedreguer an La Sella vorbeiführt. Im Grunde bedeutet diese Freundschaft unsere gemeinsame Zeit an der Costa Blanca, doch wir verlieren uns nicht. Zum Glück gibt es die Sozialen Medien, mit wenigen Klicks schrumpft die Ferne und wir sind einander nah.
Die gemeinsame Liebe zum Schreiben verbindet uns zudem, wir tauschen uns auch gern darüber aus. So habe ich meiner Freundin natürlich einige Gedichte gewidmet.