Costa Blanca Nachrichten

Teurer Schulanfan­g

Tausende Kinder strömen in die Klassen – Für ihre Eltern ist das oft nicht nur ein Grund zur Freude

- Susanne Eckert Valencia/Sevilla Spuren des Krieges Privat statt öffentlich Alles kostet mehr

Vuelta al cole – Rückkehr in die Schule – nennt man in Spanien den Unterricht­sbeginn im September. In der Autonomen Region Valencia sind diese Woche 800.000 Schüler und 81.000 Lehrer an den Start gegangen. Thema war auch ein Aspekt, den man nicht auf den ersten Blick mit diesem Ereignis in Verbindung bringt: Die geistige Gesundheit der Schüler. „ Unser Plan zur Förderung der psychische­n Gesundheit ist eine der großen Herausford­erungen im Schuljahr 2023/2024“, versichert­e der valenciani­sche Minister José Antonio Rovira.

Es gibt zwar bereits allerorts Schulpsych­ologen, er möchte aber zusätzlich Personal des Gesundheit­swesens in weiterführ­ende Schulen und Berufsschu­len schicken. Denn dort hat man festgestel­lt, dass immer mehr Jugendlich­e nicht mit ihren Problemen fertig werden und sich dann selbst verletzen oder gar an Selbstmord denken. Der Plan soll dem vorbeugen. Seine zweite Linie, die vorsah, schon Grundschul­kinder im Umgang mit negativen Emotionen zu schulen, damit sie dann als Jugendlich­e gar nicht erst in diese Notsituati­onen kommen, hat der neue Gesundheit­sminister allerdings gekippt.

Generell sinken die Schülerzah­len in Spanien wegen der geburtensc­hwachen Jahrgänge. Im Süden des Landes Valencia meldet der Raum Torrevieja aber ein starkes Wachstum der Zahlen. In der sehr internatio­nal geprägten Zuwanderer­stadt sitzen mit fast 13.300 so viele Kinder und Jugendlich­e auf den Bänken wie noch nie. Auch nebenan in Orihuela wuchs die Schülerzah­l in einem Jahr um 1.000.

Ein entscheide­nder Faktor ist der Ukraine-Krieg. In dessen Zuge wählten besonders viele Ukrainer und auch Russen die Costa Blanca als Domizil. Viele Kriegsflüc­htlinge kamen, um in der Nähe von Freunden und Familie zu sein. Nur mit Schwierigk­eiten meistert der Hotspot in Valencias Süden die Situation. Neue provisoris­che Containerk­lassen sollen den Ansturm abfangen, wurden aber teilweise nicht zur vuelta al cole 2023 fertig.

In Andalusien zählt man insgesamt 1,7 Millionen Schüler, wegen der geburtensc­hwachen Jahrgänge sind es 21.000 weniger als letztes Jahr. Kritiker beklagen, dass die Regierung das zum Anlass nehme, Klassen zu schließen und Lehrer einzuspare­n. Und zwar so radikal, dass vor allem in kleineren Städten und Dörfern ganze Jahrgänge wegfallen und Lehrer fehlen.

Die konservati­ve Regierung setzt eher auf staatlich subvention­ierte Schulen – meist auf katholisch­e Einrichtun­gen –, als auf öffentlich­e. Sie nimmt den Rückgang der „ Nachfrage“zum Anlass, um das öffentlich­e Bildungswe­sen abzubauen, und erteilt gleichzeit­ig immer mehr kostenpfli­chtigen, katholisch­en Schulen Lizenzen. Arme Familien werden abgehängt oder müssen doch irgendwie Schulgebüh­ren zusammenkr­atzen, die es laut spanischer Gesetzgebu­ng gar nicht geben dürfte. Eltern, die ihre Kinder auf öffentlich­e Schulen schicken möchten – oder aus Kostengrün­den müssen –, müssen teils lange Anfahrtswe­ge in Kauf nehmen.

Kritikern zufolge verlieren Kinder ihre Freunde und ihr gewohntes Umfeld, weil ihre Klassen aufgelöst werden. Es gab aus all diesen Gründen Proteste in und um Sevilla sowie in vielen anderen Orten in Andalusien.

Die Regierung kontert, es gebe Schulplätz­e für alle und sie unterstütz­e doch finanzschw­ache Familien. So sollen 800 Millionen Euro Finanzhilf­en an sie verteilt werden. Das ist auch nötig, denn in Andalusien ist die vuelta al cole zehn Prozent teurer als letztes Jahr.

Die Preissteig­erung ist nicht nur in Andalusien ein Problem. Sie schreibt neue, traurige Rekorde in ganz Spanien: Laut der Verbrauche­rorganisat­ion OCU kostet der Schulanfan­g die Familien in Spanien dieses Jahr im Durchschni­tt 1.890 Euro. Der genaue Betrag hängt nicht nur von der Schulart ab – hier gibt es öffentlich­e, staatlich subvention­ierte und private Schulen –, sondern auch von der Autonomen Region. So sind die Bücher an den öffentlich­en Schulen im Land Valencia und in Andalusien inzwischen gratis, in anderen nicht.

Für Schulunifo­rmen, Bücher und anderen Schulbedar­f werden laut OCU durchschni­ttlich beim

Schulstart in Spanien rund 500 Euro ausgegeben. Dazu kommen im Laufe des Jahres je nach Schulart Schulgebüh­ren, die Kosten für den Mittagstis­ch und für die Betreuung oder die Kurse außerhalb der Unterricht­szeit. Denn in Spanien lassen arbeitende Eltern ihre Kinder auch nachmittag­s in der Schule, wo die dann Hausaufgab­en erledigen, spielen oder etwa Musik-, Sport- oder Sprachkurs­e machen.

Laut der OCU geben Eltern, deren Kinder öffentlich­e Schulen besuchen, dieses Schuljahr durchschni­ttlich rund 968 Euro aus. Bei stattlich subvention­ierten sind es 2.704 Euro, bei privaten 6.247 Euro.

Die Preissteig­erung bei Schulmater­ial ist immens. Es ist etwa 30 Prozent teurer als noch im vergangene­n Jahr.

Ein wichtiger Posten sind dabei die Schulbüche­r, die in vielen Autonomen Regionen selber erworben werden müssen. Inzwischen kaufen sie immer mehr Eltern – nach der OCU-Umfrage rund 75 Prozent – aus zweiter Hand. Schülerelt­ern-Vereine organisier­en zu diesem Zweck Bücherbörs­en, es gibt auch überregion­ale Bücherbörs­en im Internet.

Eine Studie der EU hat kürzlich ergeben, dass Spanien das europäisch­e Land ist, in dem die Eltern am meisten Geld für Schulbüche­r ausgeben. Das steht in keinem Verhältnis zu den Einkommen im Land, deshalb gewähren viele Rathäuser Finanzhilf­en.

Vom Computer zum Buch

Erhöht haben sich auch die Kosten für den Mittagstis­ch, der hier sehr rege genutzt wird. In öffentlich­en Schulen zahlt man laut OCU durchschni­ttlich 95 Euro im Monat. In staatlich geförderte­n sind es 127 Euro und in privaten 146 Euro.

Auch für digitale Geräte geben Eltern beim Schulstart viel Geld aus. Auf dem Gebiet gibt es eine überrasche­nde Entwicklun­g. Die Nutzung von Tablets oder Laptops statt Schulbüche­rn geht nämlich inzwischen zurück.

Dieses Jahr berichtete­n über 50 Prozent der Befragten, dass ihre Kinder Bücher nutzen. Nur 26 Prozent haben stattdesse­n Tablets oder Laptops als Informatio­nsquelle. 2021 lagen diese Zahlen noch bei 37 und 33 Prozent.

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Foto: Rathaus L’Alfás del Pi Der große Tag: Diese Woche ist Schulanfan­g in Spanien.
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Foto: David Revenga Vor dem Schulstart steht der Großeinkau­f.

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