Die Bodyguards der Posidonia
Zum Schutz der ökologisch wertvollen Seegraswiesen: Patrouillen der Landesregierung achten auf ordnungsgemäßes Ankern
Der Mann auf dem Segelboot ist einsichtig. „ Tut mir leid“, ruft er zu uns herüber. „ Es war nicht meine Absicht, Seegras zu vernichten. Ich dachte, wir ankern auf sandigem Boden.“Er werde den Anker sofort einholen, denn der Schutz des Neptungrases liege ihm am Herzen. „ Soll nicht wieder vorkommen“, verspricht der Segler.
Es ist Samstag kurz vor 10 Uhr. Pünktlich um 9.30 Uhr haben wir den Hafen von Jávea verlassen. Wir begleiten eines der insgesamt acht Teams des Servei de Vigilància (Kontrolldienst), den die valencianische Landesregierung vor knapp zwei Jahren zum Schutz der Posidonia oceanica ins Leben gerufen hat. Die Mission von Eduardo Rius und Gonzalo Santos, die zu einem 17-köpfigen Team von Seegraswächtern der Landesregierung gehören, ist es, Boote aufzuspüren, die innerhalb eines unter Naturschutz stehenden Neptungrasgebietes ankern.
Illegales Ankern in den Seegraswiesen stellt neben der Fischerei mit Schleppnetzen und schlecht geklärtem Wasser aus Kläranlagen eine der größten Bedrohungen für die wertvolle Unterwasserpflanze dar. Boote und Jachten, die im Sommer zuhauf in den malerischen Buchten unserer Küste unterwegs sind, schädigen das Seegras nicht nur, indem sie den Anker in Pflanzen hineinschlagen. Schlimmer noch wirkt sich das Einholen des Ankers aus, weil damit Pflanzen mitsamt ihren Wurzeln herausgerissen werden. Geankert werden darf deshalb laut gesetzlicher Verordnung nur an eigens dafür angebrachten Bojen oder da, wo kein Neptungras wächst.
Dass die Vorschriften häufig missachtet werden, müssen die Posidonia-Wächter Eduardo Rius und Gonzalo Santos immer wieder feststellen. „ Das Gebiet zwischen Cabo San Antonio und Cabo La Nao hat die größte Bootsdichte der ganzen Region Valencia“, erklärt
Santos. „ Da bleibt es natürlich nicht aus, dass die Bojen, die in den beliebtesten Ankergebieten zur Verfügung stehen, schnell belegt sind und Bootseigner ihren Anker ohne nachzudenken da auswerfen, wo es ihnen beliebt.“Mit verheerenden Folgen für das sensible Seegras.
Schon seit Jahren weisen Umweltschützer darauf hin, dass die Neptungrasbestände, die einen enormen Beitrag für den Umweltschutz leisten, stark gefährdet sind. Die Regierung reagierte darauf 2011, indem sie die Posidonia auf die Liste der gefährdeten Arten setzte und unter Schutz stellte. Eine der daraus erfolgten Maßnahmen ist das Verbot, in Seegraswiesen zu ankern.
Die Posidonia oceanica ist ausschließlich im Mittelmeer heimisch. Laut Valencias Landesregierung sind im spanischen Mittelmeerraum knapp 116.000 Hektar Meeresboden mit Neptungraswiesen bewachsen, wovon 32.072 Hektar im Land Valencia liegen und davon wiederum 12.000 Hektar im Gebiet um die vor Alicante gelagerte Insel Tabarca und 7.000 bei Dénia. Damit hat die Region nach den Balearen das größte Vorkommen dieser wertvollen Unterwasserpflanze.
Da wo Neptungras wächst, sorgt es für eine ausgezeichnete Wasserqualität, filtert riesige Mengen an Kohlenstoffdioxid (CO2) und ist zudem wichtiger Lebensraum für etwa 1.000 verschiedene Arten von Meeresbewohnern. Zum Vergleich: Ein Hektar Posidonia bindet soviel CO2 wie fünf Hektar Regenwald im Amazonas.
„Wälder kann man sehen, sie riechen, sich in ihnen aufhalten. Seegraswiesen liegen im Verborgenen.“