Vom Viehfutter zur Naturkost
In biblischem Alter bekommt der Johannisbrotbaum eine ganz neue Bedeutung
red. Die flachen Schoten des Johannisbrotbaums sind zuerst grün, später aber dann – wie man sie kennt – schokoladenbraun.
Wer kennt schon Johannisbrotkernmehl? Die aus den Kernen der Schoten des Johannisbrotbaums gewonnene Stärke taucht neuerdings in immer mehr Rezepten auf. Das feine Mehl bindet Saucen und dickt sie an. Wurst und Weichkäse bleiben stabil, und auch der Eiscreme wird zur geschmeidigen Konsistenz verholfen. Schlagsahne hält nun zusammen, und für eine gute Erscheinung von Torten ist gesorgt, denn ihre Füllungen bekommen Stand, hat das Johannisbrotkernmehl doch die Eigenschaft, Flüssigkeiten auch in kaltem Zustand zu binden. Und das alles auf natürlichem Wege. Der Karuben- oder Affenbrotbaum, wie er auch genannt wird, ist genügsam und widerstandsfähig und fruchtet auch ohne Bewässerung oder den Einsatz von Pestiziden.
Doch damit nicht genug. Wer gegen glutenhaltiges Getreide allergisch ist – und das sind immer mehr Menschen –, wer kein Koffein verträgt oder auf Kakao mit Migräne reagiert, dürfte mit dem Derivat der ledrigen Früchte bestens bedient sein. Zunehmend finden sie ihren Weg in die Naturkostläden. Als Schokolade aus der Alten Welt?
Uralte Kulturpflanze
Der immergrüne, mit seiner Krone von bis zu 15 Metern Schatten spendende Johannisbrotbaum, der wie Ölbaum, Palmen, Feigen- und Mandelbaum oder Wein die mediterrane Landschaft prägt, ist wie geschaffen für das Leben an der Küste und besonders an der Levante und auf den Balearen vertreten. Die uralte Kulturpflanze stammt womöglich von der Arabischen Halbinsel, erste Zeugnisse wie Schoten und Kerne fand man in ägyptischen Gräbern. Man vermutet, dass der Karubenbaum schon 2000 v. Chr. dort kultiviert wurde.
Römer und später Araber verbreiteten den Baum im ganzen Mittelmeergebiet. Setzlinge fanden von dort aus mit Auswanderern ihren Weg nach Australien, die USA und den Süden Amerikas mit Chile, Mexiko und Argentinien.
Der zu den Hülsenfrüchtlern beziehungsweise Leguminosen zählende dickstämmige Johannisbrotbaum – über die Herkunft des Namens, ob von den Johannitern oder Johannes dem Täufer, ist man sich nicht einig – wird bis zu zwölf Meter hoch und kann bis zum Alter von 100 Jahren Früchte tragen. Sein hartes Holz eignet sich sowohl zur Herstellung von Holzkohle als auch für Werkzeug, Türen und vieles mehr. Die Haupterntezeit ist jetzt im September.
Die findet ähnlich wie bei der Olivenernte durch Abschlagen vom Baum statt, damit die reifen, fast schwarzen Schotenbündel herunterfallen. Dabei muss vorsichtig mit den langen Stangen umgegangen werden, damit die neuen Blütenansätze keinen Schaden nehmen. Eine Erntemethode also, die sich seit Menschengedenken kaum verändert hat.
Bei 75 Kilogramm liegt der Ertrag, doch bei besonders kräftigen Bäumen sind auch 200 Kilo keine Seltenheit. Spanien hält mit 40 Prozent den überwiegenden Anteil der weltweiten Jahresproduktion von etwa 300.000 Tonnen, abgeschlagen folgen Italien, Portugal, Marokko, Griechenland, die Türkei und Algerien.
In erster Linie dienen die zehn bis 20 Zentimeter langen Schoten heute als Viehfutter. Hier und da werden sie auch zu Alkohol vergoren, geröstet werden sie als Kaffeeersatz angeboten, und die Carobfrucht eignet sich zum Aromatisieren von Tabak. Aus dem Saft der zuckerhaltigen Frucht lässt sich ein süßer Sirup gewinnen. Und das Fruchtfleisch der Schoten wird zu Carobpulver vermahlen, das dem Kakao ähnlich, aber nicht so bitter und fett ist. Es wird wie dieser verwendet.
Doch im Zuge gesunder Ernährung besann sich die Naturkostbewegung auf weitere Produkte – aus dem wertvollsten Teil des „ Affenbrotbaums“, den zehn bis 15 Kernen der Hülsenfrucht. Jeder Kern (garrofín) besteht aus drei Teilen: der Schale, die das so genannte Endosperm umhüllt, in dem wiederum der Keimling sitzt. Zuerst wird die Haut entfernt – die in der Textil-, Chemie- und Nahrungsmittelindustrie Verwendung findet. Dann wird das Endosperm zu feinem Johannisbrotkernmehl vermahlen.
Carubin als Bindemittel
Von der Babykost über Diabetikerprodukte bis zum Hilfsmittel in der Kosmetik-, Textil- und Pharmaindustrie reicht seine Anwendung. Das Carubin in den Kernen ist fünfmal so quellfähig wie normale Stärke, weshalb es als Stabilisator und Bindemittel vielfach in Saucen, Suppen, Pudding, Milchprodukten oder Eis zum Einsatz kommt oder als Geliermittel für Fruchtgelees.
Johannisbrotkernmehl wird glutenfreiem Gebäck zugesetzt und hilft bei Verdauungsstörungen, Durchfall und Erbrechen und beeinflusst positiv den Blutzuckerund Cholesterinspiegel. Auch Diabetes und Übergewicht lassen sich mit dem Naturheilmittel behandeln.
Die Samen der Carobfrucht hatten einst aber noch eine weitere Bedeutung. Da sich das Gewicht der einzelnen Kerne so gut abschätzen ließ, wurde es schon bei