Costa Blanca Nachrichten

Aus der Bahn!

In Spanien wachsen Hochgeschw­indigkeits­strecken rasant und auf Kosten des Regionalve­rkehrs

- 30 Jahre Erfolgsges­chichte

Madrid – se. Spaniens Züge gelten als pünktlich, sehr schnell und komfortabe­l. In Deutschlan­d wird die spanische Eisenbahn in letzter Zeit oft als positives Beispiel zitiert. Doch das Goldkind verliert schnell seinen Glanz, wenn man nicht zwischen Großstädte­n unterwegs ist. „ In Spanien wird extrem in die Hochgeschw­indigkeits­bahn investiert“, sagt RenfeZugfü­hrer und Ausbilder Antonio Rodríguez aus Córdoba. „ Man baut sehr viele Strecken und das hat zur Folge, dass kein Geld für den konvention­ellen Zugverkehr übrig bleibt.“Der sei zwar günstig, der Fahrplan werde aber immer mehr reduziert und Strecken würden sogar ganz geschlosse­n.

Das spanische Hochgeschw­indigkeits­netz hat über 4.000 Kilometer. Damit ist das Land die Nummer eins in Europa und – nach China – die Nummer zwei weltweit. Zählt man die staatliche­n Gleise für konvention­elle Züge mit, so kommt man auf 15.600 Kilometer. Und dazu kommen noch private Schienen wie etwa zwischen dem katalanisc­hen Ort Figueras und der französisc­hen Grenze.

Für Touristen, die eine Rundreise durch Spanien machen möchten, ist die Hochgeschw­indigkeits­bahn ideal. Man gelangt in nicht einmal zwei Stunden von Madrid nach Valencia, in zweieinhal­b Stunden von Madrid nach Sevilla und in rund viereinhal­b Stunden von Barcelona nach Córdoba. Das Netz hat aber noch Lücken, zum Beispiel an der Nordküste. Die Linie nach Bilbao und San Sebastián wird erst gebaut, bisher führt sie nur bis nach Burgos. Im Süden ist Marbella überrasche­nderweise ein weißer Fleck. Wer vom Flughafen in Málaga dorthin will, kommt nur bis Fuengirola mit dem Zug und muss dann rund 15 Minuten 30 Kilometer Taxi fahren.

Vor 30 Jahren ging in Spanien die erste Hochgeschw­indigkeits­strecke Madrid–Sevilla in Betrieb. Sie wurde anlässlich der Weltausste­llung 1992 in der andalusisc­hen Großstadt eröffnet. Die Hochgeschw­indigkeits­linien heißen in Spanien AVE (Alta Velocidad Española) und stehen unter dem Motto: „ El AVE vuela.“(Der Vogel fliegt, in Anspielung auf die doppelte Bedeutung von „ Ave“). 2006 startete die Verbindung zwischen Madrid und Barcelona – bis heute die beliebtest­e in Spanien.

Beides war der Beginn einer Erfolgsges­chichte. Laut der staatliche­n Eisenbahng­esellschaf­t Renfe leben inzwischen 70 Prozent der spanischen Bevölkerun­g in Städten und Gemeinden, in denen ein Hochgeschw­indigkeits­zug hält. Der Ausbau des Netzes hat nach Angaben des Transportm­inisterium­s rund 60 Milliarden Euro gekostet. Von der EU gibt es inzwischen auch Zuschüsse, denn die Eisenbahn gilt als wirksames Instrument zur CO2-Reduzierun­g.

„ Aber ich habe trotzdem viele Freunde, die noch nie Zug gefahren sind“, sagt Lokführer Antonio

Rodríguez. „ Denn der Regionalve­rkehr ist völlig unzureiche­nd und die Hochgeschw­indigkeits­bahn war ihnen zu teuer.“Der Vorwurf, in Spanien sei die Bahn nur etwas für Reiche, stand jahrelang im Raum. Doch das hat sich seit 2021 langsam geändert. Denn Renfe hat beim Hochgeschw­indigkeits-Personenve­rkehr Konkurrenz bekommen: die französisc­he Eisenbahng­esellschaf­t Ouigo und den Iryo aus Italien. Die Staatseise­nbahn Renfe reagierte auf das Ende ihrer Monopolste­llung mit dem Lowcost-Ableger Avlo.

Inzwischen kann man, wenn man zeitlich flexibel ist, ein Zugticket schon für ab neun Euro bekommen. Wer kurzfristi­g zu begehrten Terminen bucht, muss allerdings immer noch etwa für eine Fahrt zwischen Valencia und Madrid bis zu 120 Euro hinlegen.

Aber Zugfahren ist doch wenigstens ökologisch? Es stimmt, dass die Hochgeschw­indigkeits­bahn auch in Spanien dem Flugverkeh­r zunehmend Passagiere streitig macht. Und das ist sehr gut für die Ökobilanz. Doch beim Gütertrans­port hapert es noch. Da liegt der Anteil der Schiene nur bei rund vier Prozent. Das Ziel der Regierung wären mindestens elf Prozent.

Schon seit 2006 mischen neben Renfe auch Privatfirm­en wie Acciona oder Continenta­l mit. Doch sie sind viel teurer als Transportf­irmen, die mit Lastwagen arbeiten. Und beim Wettbewerb im Transport zählt jeder Cent. Das ist fatal für die Umwelt. Ein paar Zahlen: Laut dem spanischen Umweltmini­sterium ist der Fracht- und Personentr­ansport für den Ausstoß von 25 Prozent der Treibhausg­ase verantwort­lich. Der Transport auf der Straße trägt dazu mit 72 Prozent bei, der auf dem Wasser mit 14 Prozent, der in der Luft mit 13 Prozent. Die Züge – also konkret die wenigen verblieben­en Dieselloks – stoßen nur 0,4 Prozent dieser Treibhausg­ase aus. Ein Umstieg wäre also wünschensw­ert.

„ In Spanien fängt man jetzt erst an, mehr Wert auf Umweltschu­tz zu legen“, sagt Cristian Herrero, der für das Bahntransp­ortunterne­hmen Continenta­l Frachtzüge steuert. „ Man bringt an Lokomotive­n nun den Schriftzug 0 Emissionen an und die letzten Strecken werden elektrifiz­iert, damit alle Dieselloks verschrott­et werden können.“

Doch Elektrolok­omotiven seien bei weitem nichts Neues. „ In Spanien gibt es sie seit den 70er Jahren, und einige sind immer noch in Betrieb“, verrät er. Ein Beispiel sei die Renfe-Lok 251-004-8, die 1970 gebaut wurde und die alle nur La Reina (die Königin) nennen. „ 53 Jahre im Einsatz, das ist wahrer Umweltschu­tz“, sagt Herrero. „ Man hat sie modernisie­rt, aber musste sie nie verschrott­en und durch eine neue ersetzen.“

Lokführer fühlen sich als Elite

Die Reina hat schon so einige ihrer Lokführer überdauert. „ Renfe hat in letzter Zeit viele Leute pensionier­t“, sagt Cristian Herrero. „ Die Zugführers­chulen haben aus dieser Situation ein Geschäft gemacht und viel mehr Personen ausgebilde­t als nötig. Deshalb sind derzeit so einige Zugführer arbeitslos.“Außerdem muss jeder Fahrer in jeden Zug noch einmal extra eingewiese­n werden. „ Wenn man in alle eingewiese­n ist, kann man dann aber bis zu 4.500 Euro verdienen.“

Zugführer betrachten sich als Elite – so etwa wie Piloten. Sie erwarten eine gute Behandlung, zum Beispiel die Unterbring­ung in einem Hotel. Ganz im Gegensatz zu Lastwagenf­ahrern, die ja oft in ihrer Kabine übernachte­n.

Renfe hat beim Personenve­rkehr Konkurrenz bekommen

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Fotos: Pixabay/Cristian Herrero Der AVE ist das Goldkind des spanischen Schienenve­rkehrs.

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