Liebe Leser,
„ Hat seine Familie einen Hof?“Das war hier im andalusischen Hinterland lange Zeit die erste Frage besorgter Mütter und Väter, wenn die Tochter einen Freund anschleppte. Ein
„ cortijo“, gar noch mit „ molino“, also eigener
Olivenmühle, das war Garant für die Lebensfähigkeit einer Familie. Ein Cortijo ist heute eher ein Klotz am Bein. „ Veranillo“, Sommerchen, nennen sie hier den Altweibersommer.
Alle haben die Nase gestrichen voll von Sommern, sie wollen Regen. Die Olivenernte war wieder mickrig. Die ersten verkaufen ihre Plantagen und stecken das Geld in Ferienwohnungen an der Costa del Sol. Da fließen Wasser und Renditen noch, dafür sorgt die Politik in Sevilla. Notfalls leitet die das Wasser aus „ Armenvierteln“wie dem Campo de Gibraltar nach Marbella und Torremolinos um. Aber die Katalonien-Amnestie von „ Landesverräter Perro Sánchez“, erklärt mir einer der alten Bauernschädel in meiner Stammkneipe, die ist das eigentliche Problem. Und wieso fangen Champions League Spiele jetzt schon Viertel vor sieben an, das ist doch quasi noch Siesta-Zeit? Und wo kommt überhaupt dieses „ Unión“her? Da kommt Manolo, der Dorfkommunist. Jedes Dorf in Andalusien hat neben einer Stierkampfarena und einer ChurrosBude auch einen Kommunisten. Genau einen. Manolo war bis vor kurzem Ziegenhirte, in vierter Generation, sein Vater habe Republikaner versteckt, hoch in den Bergen, munkeln sie. Manolo spricht nicht viel, seine Ziegen, die berühmten cabras malagueñas mit ihrem einmaligen Käse, musste er notschlachten, die Weiden sind seit einem Jahr komplett verdorrt, es wächst kein Gras mehr, das Futter ist unbezahlbar, die EU-Kopfprämie von 36 Euro wurde urplötzlich halbiert. Niemand wollte ihm die Tiere abkaufen.
„ Über die Amnestie für die Franco-Schergen 1978 habt ihr euch aber nicht beklagt“, sagt Manolo, der Kommunist, den Bauernschädeln mitten ins Gesicht. „ Und Unión ist wie San Pauli, nur aus Berlin, nicht aus Hamburg“, klärt er sie auf. Man nickt, schweigt und schaut Fußball, notfalls auch kurz vor sieben, im veranillo, in Andalusiens Hinterland.